Pfeile stecken in der Zielscheiben, Foto von den Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro/ Brasilien
Die Intrige findet meist im Verborgenen statt. Das macht es für jene, die zur Zielscheibe werden, auch so schwer, sich dagegen zu wehren.
imago images/Sven Simon

Die Intrige ist im Berufsalltag öfter zu finden, mit ihr sollen unliebsame Mitbewerber zu Fall gebracht werden. Das Besondere an dieser Strategie: Sie findet im Verborgenen statt, meist geht sie von einer Person aus, der man vertraut und die einem nahesteht. Das macht es für jene, die Ziel einer Intrige sind, auch so schwer, sich dagegen zu wehren. Darüber haben vier Personen, denen das Thema aus unterschiedlichen Gründen sehr vertraut ist, an der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) diskutiert: der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der ehemalige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper und der SFU-Rektor Alfred Pritz.

Konrad Paul Liessmann, Philosoph und Autor

Die Intrige hat der Philosoph und Kulturpublizist in mehreren Büchern behandelt. Und er führt einige signifikante Merkmale dieser Strategie an, die er "so infam wie faszinierend" findet: "Sie passiert im Verborgenen und läuft fast immer von unten nach oben ab, maximal auf gleicher Ebene. Der Intrigant oder die Intrigantin ist außerdem eine Person, die dem Opfer nahesteht." Diese Strategie werde außerdem immer innerhalb einer Gemeinschaft angewendet, nie zwischen deklarierten Gegnern. "Es ist keine große Kunst zu wissen, dass der politische Mitbewerber etwas gegen einen hat. Intrigen sind deshalb immer Binnenkonflikte."

Für den Erfolg brauche man dabei gewisse "Talente": schauspielerische Fähigkeiten, Menschenkenntnis, strategisches Denken und eine realistische Einschätzung dessen, was an Täuschung möglich ist, ohne zu auffällig zu wirken. Ihn fasziniert übrigens, dass es vor allem in der Managerliteratur Bücher gibt, die Leserinnen und Lesern Intrigenkompetenz versprechen: "Man kann nur hoffen, dass es sich dabei um Intrigenabwehr handelt und nicht darum, selbst welche zu spinnen."

Teilnehmende an der Podiumsdiskussion an der SFU Wien
Die Intrige war Thema einer Podiumsdiskussion an der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien Anfang Oktober. Philosoph Konrad Paul, Liessmann (g.l.), ehemaliger ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (Mitte), Neos-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper (2.v.r.) und SFU-Rektor Alfred Pritz (g.r.) diskutierten das Wesen dieser Strategie und ihre Folgen. Pia Kruckenhauser vom STANDARD (2.v.l.) moderierte die Diskussion.
SFU Wien

Reinhold Mitterlehner, Ehemaliger Vizekanzler (ÖVP)

Reinhold Mitterlehner war als Vizekanzler im Jahr 2017 Ziel einer Intrige innerhalb seiner eigenen Partei, als Sebastian Kurz den Machtwechsel betrieb. Und das, obwohl er Mitterlehner im Jahr 2014 zur Übernahme der Partei gedrängt hatte, berichtet der ehemalige Vizekanzler. "Natürlich konfrontiert man den Intriganten, wenn man das erfährt." Seine Strategie war, den Umtrieben mit Arbeit und Leistung den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Doch wenn jemand nicht will, dass die Bundespartei Erfolg hat, um eine Übernahme zu rechtfertigen, dann torpediert man ihre Arbeit."

Die Auseinandersetzung innerhalb der Partei war für ihn keine Lösung, es hätte die Partei zerrissen: "Die einzige Konsequenz war für mich deshalb, aus dem System auszuscheiden. Ich wollte nicht weiter mitlaufen, als irgendein Präsident oder in einer anderen Versorgungsfunktion."

Geändert habe sich seither nichts, weder in der Politik noch in der Gesellschaft, sagt Mitterlehner und nennt als Beispiele das "unabsichtlich" verschickte SPÖ-Papier von Sora und das Burgervideo von Kanzler Nehammer. Das Ansinnen dahinter sei immer dasselbe: "Irgendwer möchte nicht, dass die Regierung oder eine Partei Erfolg hat und untergräbt ihre Arbeit." Das Thema Intrige, zeigten diese Vorfälle, sei nach wie vor aktuell und werde es sicher auch bleiben.

Stephanie Krisper, Nationalratsabgeordnete (Neos)

Mit Intrigen hatte Stephanie Krisper bisher nur als Außenstehende zu tun, als Vertreterin der Neos in mehreren Untersuchungsausschüssen, etwa jenem zu Ibiza. Kann man entspannt bleiben, wenn man permanent mit solchen Abgründen konfrontiert wird? Man müsse es mit Humor nehmen, sie sei noch nicht Ziel einer Intrige, sagt die Menschenrechtsexpertin.

Eine Intrige ist ihr dabei wirklich perfide erschienen: das "Projekt Ballhausplatz". Für diese minutiös geplante Machtübernahme durch Sebastian Kurz gibt es ein regelrechtes "Intrigenpapier". Diese akribische Planung empfindet sie als besonders hinterhältig.

Ausschließen könne man nicht, selbst einmal zum Ziel zu werden. "Ich glaube, Intrigen werden gegen alle politischen Gegner geschmiedet, sie sind ein Standardmittel in dieser Branche, wohl noch mehr als in anderen Bereichen. Das heißt, man kann sich selbst nur bemühen, redlich zu arbeiten, und hoffen." Ein aufgedecktes intrigantes Verhalten sollte aber eigentlich ein Ausschlussgrund sein, jemals wieder in der Politik tätig zu werden. "Nur leider vergessen die Menschen schnell."

Alfred Pritz, Rektor der Sigmund-Freud-Privatuniversität

Was macht es mit einer Person, wenn man Ziel einer Intrige wird? Es ist eine tiefe emotionale und narzisstische Kränkung, die wahrscheinlich nicht ohne Folgen bleibt, sagt Psychoanalytiker Pritz: "Man fühlt sich ausgesetzt, einsam und will es nicht glauben. Depressionen und Angstzustände können die Folge sein bis hin zu schweren psychischen Erkrankungen oder sogar dem Tod."

Eine Intrige sei dabei nicht immer völlig skrupellos, sie habe zwar einen schlechten Ruf, versuche in manchen Fällen aber auch, etwas Bestehendes zu verändern, das man als zu starr oder als nicht mehr zeitgemäß empfinde. "Sie hat dann eine gewisse soziale Funktion, das Resultat rechtfertigt zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung dieses Mittel." Ein Beispiel dafür sei der Ibiza-Skandal, den viele ganz und gar nicht als moralisch verwerflich empfunden, sondern sogar begrüßt hätten – auch wenn es eine klassische Intrige gewesen sei.

"Für die Opfer ist es aber immer furchtbar." Was kann man dann tun? "Eine Bewältigungsstrategie ist, das Spielfeld zu verlassen und sich auf andere Stärken zu konzentrieren. Man gewinnt auch neue Freiräume, wenn man sich etwa aus der Öffentlichkeit zurückzieht." Ein gutes Freundesnetzwerk sei besonders hilfreich bei der Bewältigung. Aber die Kränkungen könnten einen durchaus ein Leben lang begleiten. (Pia Kruckenhauser, 1.11.2023)