Der Schädel des mit einem Fleischwolf erschlagenen Johann Arthold mit Drähten und Schrauben zusammengehalten im Gerichtssaal. Im Hintergrund die Täterin auf der Anklagebank.
Der Schädel des mit einem Fleischwolf erschlagenen Johann Arthold mit Drähten und Schrauben zusammengehalten im Gerichtssaal. Im Hintergrund die Täterin auf der Anklagebank.
United States Information Service / NB-Bildarchiv / picturedesk.com

Der Fall wurde zum Stadtgespräch und hielt Wien im Winter 1952 über Monate in Atem: der Mord am "König des Wiener Schleichhandels" Johann Arthold. Mit zertrümmertem Schädel und durchgeschnittenem Hals war er im November in einer Blutlache in seinem Geschäft aufgefunden worden. Bei der Untersuchung des Tatorts stellte sich heraus, dass der Mörder sich im Laden noch gewaschen hatte, und Straßenbahnfahrscheine in den Taschen des Opfers führten die Polizei auf eine Spur.

Eine Schaffnerin konnte sich nämlich im fraglichen Zeitraum an den 44-Jährigen und eine junge, blonde Dame erinnern. Die stellte sich bald als Adrienne Eckhardt heraus: 23 Jahre alt, beruflich tätig als Säuglingsschwester und Animierdame. Alles Leugnen half nichts, auf den Mann im Dufflecoat, den sie als Täter herbeifabulierte, fielen die Beamten nicht herein. Der Prozess wurde ein Ereignis, Tausende bewarben sich um Plätze im Gerichtssaal, am Schwarzmarkt wurden die Tickets dafür zum "Preis von Opernkarten" verkauft, heißt es im soeben erschienenen Buch Tatort Wien. Sie waren das Geld wohl wert: Der Schädel des mit einem Fleischwolf erschlagenen Opfers wurde im Gerichtssaal zusammengestoppelt gezeigt und unter den Geschworenen herumgereicht, in einem Einmachglas lag die Kopfhaut in Spiritus.

14 spektakuläre Fälle

Auf 16 Seiten reich bebildert erzählt das Buch seinem Untertitel "Verbrechen, Mord und Totschlag. Wahre Kriminalfälle" gemäß die Ereignisse. Erschienen ist es im Verlag Brandstätter, die Fotos stammen praktischerweise meist aus dem zugehörigen Archiv Brandstaetter Images. Derart präsentiert Autor Clemens Marschall auf fast 200 Seiten 14 spektakuläre Fälle, geordnet nach Motiven wie "Auf der Flucht" oder "Umkehrung der Gesetze". In einem Kapitel geht es um die größte Fahndung der Zweiten Republik: die nach dem 23-jährigen Ernst Dostal, der 1973 seinen einstigen Komplizen in die Luft gesprengt hatte. Erschreckend oft, muss man feststellen, sind die Opfer in diesen Geschichten allerdings weiblich.

Mit Ernst Karl verfolgen wir 1968 den Weg eines Polizeibeamten auf die andere Seite der Gittertür mit. Der als "harter Hund" Beschriebene wird nämlich selbst zum Häftling. Mit Gespür für Details zeichnet Marschall alle Fälle nach, er hat ja genug Erfahrung mit dem G’schmackigen: Wiener Beisln und heimischen Pornofilmproduktionsfirmen hat er bereits Bücher gewidmet. Der Erscheinungstermin pünktlich zu Halloween und Allerheiligen ist sicher kein purer Zufall. (Michael Wurmitzer, 31.10.2023)