Sollte die Ukraine wirklich wie angekündigt ab 2025 kein russisches Gas mehr in den Westen durchleiten, könnte die OMV ihre Kunden auch mit Gas aus anderen Quellen vollständig beliefern. "Wir haben nicht-russische Gasmengen vertraglich abgesichert – teilweise aus eigener Produktion, teilweise aus Verträgen mit Dritten", sagte OMV-Chef Alfred Stern am Dienstag bei der Pressekonferenz zu den Quartalszahlen. "Und wir haben die Pipeline-Kapazitäten jetzt auch bis 2028 gebucht, um das Gas nach Österreich zu bringen. Außerdem wurden die Speicherkapazitäten hierzulande erhöht, wodurch wir 60.000 weitere Haushalte versorgen können."

Die Gaslieferungen aus Russland seien unzuverlässig und mit wesentlich mehr Risiko behaftet als in der Vergangenheit, meinte der OMV-Chef. Darum habe man andere Lieferanten und Transportwege gesucht und gefunden, unter anderem mit Lieferanten aus Norwegen und Italien. Die von der OMV gebuchten Pipeline-Kapazitäten seien Gasleitungen aus dem Westen, nicht die ukrainischen Kapazitäten. "Wir können bei Bedarf unsere Kunden jederzeit vollständig beliefern mit nicht-russischen Gasmengen, wenn das notwendig ist." Man sei nicht auf die Ukraine angewiesen. Zudem habe man langfristige Lieferverträge abgeschlossen, um LNG-Gas von einem Terminal in Rotterdam zu beziehen.

Im dritten Quartal des Jahres ist der Gewinn des österreichischen Energiekonzerns OMV um 62 Prozent eingebrochen.
Im dritten Quartal des Jahres ist der Gewinn des österreichischen Energiekonzerns OMV um 62 Prozent eingebrochen.
IMAGO/SKATA

"Ein Schiff wird kommen"

Die OMV-Gasspeicher seien praktisch voll, und die vor einem Jahr angekündigte Schiffsladung LNG aus Abu Dhabi "wird im Dezember kommen", so Stern. Mit dem staatlichen norwegischen Energieriesen Equinor wurde ein Fünf-Jahres-Liefervertrag über 12 TWh Gas pro Jahr abgeschlossen – Österreichs jährlicher Verbrauch beträgt rund 90 TWh.

Damit habe die OMV ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet. "Wir sind in Österreich der größte Marktspieler – allerdings mit einem Marktanteil von 30 Prozent. Für diese 30 Prozent haben wir jetzt abgesichert, dass wir das auch jederzeit liefern können, auch wenn diese Pipeline-Kapazitäten dort ausfallen sollten."

Deutlicher Gewinneinbruch

Vergangenes Jahr hatte die OMV massiv von hohen Öl- und Gaspreisen profitiert, Stern bezeichnete 2022 als "einzigartig und außergewöhnlich". Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres musste der Konzern jedoch wie erwartet einen deutlichen Rückgang auf operativer Ebene und beim Nettoergebnis hinnehmen. Das bereinigte CCS Ebit (geglättet um Schwankungen der Rohstoffpreise) sank um 62 Prozent auf 1,334 Milliarden Euro.

Unter dem Strich brach der Gewinn um 64 Prozent auf 431 Millionen Euro ein, womit die OMV die Erwartungen vieler Analysten klar verfehlt hat. Mit dem Geschäftsverlauf im dritten Quartal zeigte sich Stern dennoch zufrieden. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres sei es zu einer Normalisierung der im Vorjahr extrem hohen Öl- und Gasmarktpreise gekommen.

Alfred Stern spricht mit einem Journalisten und gestikuliert mit den Händen.
Laut Alfred Stern ist die OMV nicht von ukrainischen Pipelines abhängig.
REUTERS

Schwierige geopolitische Faktoren

Stern blickt mit gemischten Gefühlen auf das kommende Quartal und Geschäftsjahr. Zuletzt zog der Ölpreis etwas an. Ende Juli stieg der Benchmark Brent laut OMV um 10,0 Dollar auf 85 Dollar je Barrel. Für das Gesamtjahr hob der Konzern die Prognose an: Der Brent-Preis werde nun bei über 80 Dollar je Barrel gesehen, nachdem zuvor 75 bis 80 Dollar erwartet wurden. Beim Gaspreis rechne man mit rund 30 Euro je Megawattstunde (MWh), nachdem er 2022 bei 54 Euro je MWh lag. Generell bewege man sich aber in einem "stark volatilen" Marktumfeld, das vor allem von geopolitischen Faktoren wie den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten beeinflusst werde und sich jederzeit ändern könne. Aber auch die Zinsentwicklung spiele eine wichtige Rolle.

Chemiesparte schwächelt

Vor allem die von Vorstandschef zum Wachstumsmotor auserkorene Chemiesparte, zu der auch die Petrochemietochter Borealis gehört, schwächelt. Der Bereich Chemicals & Materials schrieb einen operativen Verlust vor Sondereffekten von elf Millionen Euro nach einem Gewinn von 214 Millionen Euro. Die Rückgänge im Chemiebereich begründete die OMV mit niedrigeren Margen infolge einer schwächeren Nachfrage, aber auch mit dem Wegfall des verkauften Stickstoffgeschäfts und einem deutlich geringeren Beitrag der Borealis-Joint-Ventures. Eine zeitnahe Verbesserung erwartet die OMV vorerst nicht.

Ein Bild von einem Borealis Tower bei Nacht.
Chemie soll für die OMV den Weg in die Zukunft ebnen, momentan hat die Sparte allerdings wirtschaftliche Probleme.
APA/ROBERT JAEGER

Die Verhandlungen mit der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) über einen möglichen Zusammenschluss der Chemiegeschäfte der OMV-Kunststofftochter Borealis und dem Borealis-Joint-Venture Borouge gehen laut Stern "ergebnisoffen" weiter. Man verhandle über "eine Firma, wo wir gleiche Anteile mit gleichen Rechten an einer börsennotierten Firma haben würden". Es gehe um jene Wachstumsplattform im Bereich Polyolefine, also in einem eingeschränkten Chemie-Marktsegment.

Zugelegt hat die OMV einzig im Bereich Fuels & Feedstock. Vor allem im Raffineriebereich lief es besser, nachdem die Raffinerie Schwechat im Vorjahr nach einem folgenschweren Unfall monatelang stillgestand war.

170 Millionen Euro für Sortieranlage

Immer wieder betont Stern während der Pressekonferenz, wie die OMV ihren Beitrag zu einer grüneren Zukunft leisten wolle, weswegen man verstärkt auf den Ausbau von Kreislaufwirtschaft setze. Für den Bau einer vollautomatischen Sortieranlage zur Herstellung von Rohstoffen für das chemische Recycling werde die OMV über 170 Millionen Euro investieren. Wie bereits im März 2022 angekündigt, soll die Anlage im süddeutschen Walldürn (Baden-Württemberg) errichtet werden, nun ist die finale Investitionsentscheidung gefallen.

Die OMV wird 89,9 Prozent der Anteile an dem Joint Venture halten, 10,1 Prozent der Anteile entfallen auf das Recycling-Unternehmen Interzero. Der Produktionsstart der neuen Anlage soll 2026 erfolgen. Insgesamt werden rund 120 neue Arbeitsplätze an dem neuen Standort geschaffen. Der Spatenstich ist bereits für den 20. November 2023 geplant. Interzero betreibt fünf Sortieranlagen für Leichtverpackungen in Deutschland und sortiert mit über 800.000 Tonnen pro Jahr rund ein Drittel des deutschen Leichtverpackungsabfalls. Damit verfügt das Unternehmen gegenwärtig über die größte Sortierkapazität in Europa und ist Technologieführer. (and, Reuters, 31.10.2023)