Saudische Fußballfans jubeln mit Flagge.
Auf Saudi-Arabiens Fußballfans wartet eine Heim-WM.
IMAGO/Matthias Koch

Gianni Infantinos Schachzug ist voll aufgegangen: Nach der WM-Vergabe 2030 an drei verschiedene Kontinente ist Saudi-Arabien der einzige Bewerber für die WM 2034. Australien gab am Tag der Deadline für diesbezügliche Willensbekundungen bekannt, von einer Bewerbung abzusehen. "Wir haben die Möglichkeit geprüft, uns um die Ausrichtung der Fußball-WM zu bewerben, und sind nach Abwägung aller Faktoren zu dem Schluss gekommen, dies für 2034 nicht zu tun", verlautbarte der australische Verband.

Das war insofern naheliegend, als sich der asiatische Fußballverband AFC, dem auch Australien angehört, schon am 5. Oktober hinter die Bewerbung Saudi-Arabiens stellte. AFC-Boss Salman bin Ibrahim Al Khalifa stammt aus dem bahrainischen Königshaus, einem der engsten Verbündeten Saudi-Arabiens.

Dass die Vergabe der WM 2030 vor allem ein Geschenk an Saudi-Arabien war, liegt am Rotationsprinzip bei Weltmeisterschaften: Die Kontinente wechseln sich traditionell ab, 2030 wurden mit drei Spielen in Südamerika sowie dem Rest der WM in Spanien, Portugal und Marokko gleich drei Kontinente abgehakt. Folgerichtig lud Infantino Verbände aus Asien und Ozeanien ein, sich für 2034 zu bewerben, und setzte gleich den 31. Oktober als kurzfristige Deadline. So war schon damals naheliegend, dass Saudi-Arabien als einziger Kandidat übrig bleiben würde (der STANDARD berichtete hier über die Hintergründe).

Durch das Reduzieren der Bewerber fällt auch eine echte Wahl bei der Vergabe weg, ÖFB-Präsident Klaus Mitterndorfer sagte dem STANDARD dazu Anfang Oktober: "Ich würde gerne die Beweggründe der Fifa im Detail erfahren. Ich habe als Fußballverband eine soziale und gesellschaftspolitische Verantwortung und eine Vorbildfunktion im Bezug auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und Fanfreundlichkeit. Da muss man das schon sehr kritisch beobachten und hinterfragen."

Menschenrechte?

Für Menschenrechtler ist die Aussicht auf die nächste Winter-WM in einem autokratischen Ölstaat ein Skandal. "Die Möglichkeit, dass die Fifa Saudi-Arabien den Zuschlag für die WM 2034 erteilt, obwohl das Land eine erschreckende Menschenrechtsbilanz aufweist und sich jeglicher Kontrolle verschließt, entlarvt die Menschenrechtsverpflichtungen der Fifa als Augenwischerei", wetterte Minky Worden, die Direktorin von Human Rights Watch (HRW).

Mit der WM erreicht das sogenannte Sportswashing der absoluten Monarchie seinen vorläufigen Höhepunkt, HRW bezeichnet das als Desaster. "Knapp ein Jahr nach den Menschenrechtskatastrophen bei der WM 2022 in Katar hat die Fifa die Lektion nicht gelernt, dass die Vergabe von milliardenschweren Veranstaltungen ohne gebührende Sorgfalt und Transparenz das Risiko von Korruption und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen birgt", sagte Worden – und verwies auf die 2017 verabschiedete Menschenrechtsrichtlinie der Fifa.

Darin heißt es in Artikel 7: "Die Fifa wird konstruktiv mit den zuständigen Behörden und anderen Interessengruppen zusammenarbeiten und alle Anstrengungen unternehmen, um ihrer internationalen Menschenrechtsverantwortung gerecht zu werden." Gemäß diesen Statuten müssen sich Länder, die sich um die Ausrichtung von Wettkämpfen bewerben, zur Einhaltung strenger Menschen- und Arbeitsrechtsstandards verpflichten.

Massenhinrichtungen und Unterdrückung

Laut HRW ist die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien "erschreckend". Als Beispiele nannte die Organisation Massenhinrichtungen, die fortgesetzte Unterdrückung der Rechte von Frauen und die Ermordung hunderter Migranten an der jemenitischen Grenze. Zudem würden Regierungskritiker gefoltert und inhaftiert, religiöse Minderheiten unterdrückt, Sex außerhalb der Ehe sowie gleichgeschlechtliche Beziehungen würden mit der Todesstrafe geahndet.

Deshalb sind für HRW-Deutschland-Direktor Wenzel Michalski "die Werte, die die Fifa und untergeordnete Verbände sich geben, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden. Das Verhalten ist wirklich beschämend." Nach Ansicht Michalskis macht sich der Fußball "zum Handlanger".

In diesem Jahr findet bereits die Klub-WM der Fifa in Saudi-Arabien statt. Mit Blick auf die WM könnte das Land, dessen Liga zahlreiche Topstars mit horrenden Millionengehältern geködert hat, dank der erstaunlich kurzen Fifa-Frist schon am Dienstag am Ziel sein. Neben Saudi-Arabien hat sich bislang niemand offiziell aus der Deckung gewagt. Die finale Bewerbung muss bis Juli 2024 eingereicht werden. (red, sid, 31.10.2023)

Die STANDARD-Analyse:

Warum es bei der WM-Vergabe 2030 immer schon um Saudi-Arabien ging