Gelitin-Brunnen
Die fantasievollen Figuren des Brunnens im Sonnwendviertel gefallen nicht allen.
PID / Christian Jobst

Wien – Wie berichtet wurde der neue Jubiläumsbrunnen "Wir Wasser" im Sonnwendviertel erst vergangenen Dienstag in Betrieb genommen. Nun ist er in manchen Boulevardblättern sowie auf X (vormals Twitter) bereits heißdiskutiertes Thema. Anlässlich des 150. Geburtstags der Wiener Hochquellleitung hatte ihn die Künstlergruppe Gelitin (oder auch Gelatin) gestaltet, die den von der Stadt Wien – Wiener Wasser und Kunst im öffentlichen Raum GmbH (KÖR) ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nannte das Werk bei der Eröffnung einen "Brunnen für ein Miteinander". Dieser scheint jedoch nicht allen zu gefallen, einige der 33 Betonfiguren des Brunnens sind in den letzten Tagen bereits beschmiert worden.

Eigentlich soll der Springbrunnen als gemeinschaftlicher Platz im Sonnwendviertel nahe des Hauptbahnhofs fungieren und an die endliche Ressource Wasser und unseren Umgang damit erinnern. Die vier Künstler Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban von Gelitin wollten mit dem Projekt die Diversität des Bezirks abbilden. Der "Presse" verriet Gelitin noch vorab, dass sie sich um möglichen Vandalismus keine Sorgen machen würden, da gute Kunst nicht zerstört würde. Aktuell war das Wiener Kollektiv zu keiner Stellungnahme bereit.

Gelitin Brunnen
Der Jubiläumsbrunnen "Wir Wasser" steht an der Ecke Gudrunstraße/Sonnwendgasse in Wien-Favoriten.
APA / ROBERT JAEGER

Kosten von 1,8 Millionen Euro

Vor allem der vielseitige Personenkreis aus grauen Fantasiefiguren, die die Wasserfontäne des Brunnens umringt, sorgt auf Social Media für Aufregung. Zu vereinfacht, plump und hässlich lautet das Urteil. Artikel in der "Kronen Zeitung" sowie in "Oe24" schlugen bereits in dieselbe Kerbe: So würden sich befragte Familien angeblich mit ihren Kindern nicht in die Nähe des Brunnens trauen, hieß es in einem Beitrag auf Oe24.tv des Ex-BZÖ-Politikers Peter Westenthaler. In der "Krone" wurde das Kunstwerk im öffentlichen Raum als "umstrittener Jubiläumsbrunnen" sowie "Luxusfontäne" bezeichnet. Man berichtete sogar von einer Petition, die vergeblich gegen den Brunnen gestartet wurde. Auch die FPÖ meldete sich auf Facebook zu Wort: Der "Protz-Brunnen" sei eine "letztklassige Verhöhnung" in Zeiten von Teuerung und Krise.

Der größte Kritikpunkt betrifft die Kosten von 1,8 Millionen Euro für das Projekt. Darin seien die Planung, die Projektumsetzung, die künstlerische Gestaltung, der Bau sowie die technische Ausstattung des Brunnens inkludiert, wie von Beginn an seitens der Stadt Wien und KÖR kommuniziert wurde. Fälschlicherweise kursiert auch die Summe von 2,1 Millionen Euro im Internet. Auf Anfrage bestätigte man seitens der Stadt Wien, dass sich die Realisierung des Brunnens im vorgegeben Rahmen der besagten 1,8 Millionen Euro bewegte.

Die Kritik würde sich in eine Tradition an reger Diskussion um öffentliche Kunstwerke einreihen, hieß es in einem dem STANDARD übermittelten Statement. "Auseinandersetzung ist wichtig – wenn diese fehlen würde, wäre dies in einer demokratischen Gesellschaft bedenklich. Und dass sich die negativen Stimmen lauter artikulieren als die vielen positiven Rückmeldungen, die uns erreichen, ist auch klar." Die Beschmierung einiger Brunnenfiguren ist Wiener Wasser bekannt, jene sollen noch diese Woche gereinigt werden. Alle Figuren sind allerdings mit einem durchsichtigen Graffitischutz versehen, heißt es seitens der Stadt Wien.

Gelitin
Gelitins "Arc de Triomphe" sorgte 2003 in Salzburg für einen Skandal und musste abgebaut werden.
Marco Cappelletti

Pinkelnder Mann

Gelitin besteht seit 1993 als Kollektiv und ist international bekannt für seine spielerischen und vielseitigen Werke. Die Gruppe arbeitet viel mit ihren nackten Körpern sowie Plastilin. 2003 sorgten die vier Künstler mit einer Springbrunnen-Skulptur in Salzburg für einen Skandal. Der "Arc de Triomphe" wurde wegen heftiger Kritik zuerst verhüllt und später gänzlich vom Max-Reinhardt-Platz vor dem Rupertinum entfernt. Die damalige Stadtpolitik von SPÖ, ÖVP und FPÖ wollten sich des "skandalösen" Objekts entledigen, das eine nackte männliche Figur zeigte, die eine Brücke schlagend sich selbst in den Mund uriniert. Dagegen scheint der neue Brunnen relativ harmlos. (Katharina Rustler, 31.10.2023)