Festival
Zuständig für die Fanfare bei der Eröffnung von Wien Modern im Wiener Stadtpark: Victoria Coeln, Maria Gstättner und Brigitte Wilfing (von links).
Pamela Rußmann

Das Motto "Go", welches sich Wien Modern verordnet hat, bezieht sich auch auf den dramatischen Stillstand der Corona-Zeit. "In den letzten drei Festivaljahrgängen wurden Pläne von der Pandemie über den Haufen geworfen. Wir haben unfassbar viele leere Kilometer hinter uns; jetzt liegt es uns am Herzen, Bewegung und Tempo in die Sache zu bringen", so Festivalleiter Bernhard Günther.

Das Motto sei auch eine Einladung: "Im Stadtpark bewegt sich das Publikum bei der Eröffnung zwischen Punkband und Militärmusik. In drei Sälen des Konzerthauses wandert es bei Peter Jakobers Stück zwischen 60 Streichinstrumenten der Symphoniker. Bei Georg Friedrich Haas’ 11.000 Saiten findet man sich zwischen 50 im Raum verteilten Klavieren."

Auch Architekt gestaltet

Weitere Beispiele? Später gibt es im öffentlichen Raum "eine riesige Collage von Olga Neuwirth, dann Bewegung rund um den Stephansdom, der für Wien Modern drei Tage lang 21 seiner 22 Glocken leiser läuten lässt". Günther betont als Besonderheit, dass auch der Schweizer Architekt Peter Zumthor eine Woche lang im Musikverein eine Konzertreihe mitgestaltet. Er sei ein idealer Wegbegleiter, um "das in der Musik oft ausgeblendete Potenzial von Räumen neu zu entdecken".

Respekt ist wichtig

Zum Musikraum wird auch der Stadtpark, wo das Festival am 31. 10. mit Maria Gstettners Fanfare allez ensemble beginnt. "Es agieren vermeintlich diametral gelegene Lebenswelten friedvoll und respektvoll miteinander – Kunst kann Utopien und neue Realitäten schaffen! Wenn es uns in der Kunst nicht gelingt, Widersprüche auszuhalten, wie soll es im Alltag gelingen?", sagt Gstättner, die mit Lichtkünstlerin Victoria Coeln und Choreografin Brigitte Wilfing zusammenarbeitet.

Dabei werden eine Punkband, elektronische Musikköpfe, Studierende der Musikuni, Militär- und Blasmusikkapelle zusammenwirken. So etwas sei nur in Friedenszeiten machbar, meint Wilfing. "Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, des Angriffskrieges der Hamas gegen Israel, der Erhöhung der Terrorwarnung in Österreich" hat sie eine Handlungsanweisung an die Musiker und Musikerinnen offengelegt: Sie mögen in den ersten Minuten des Stadtparkstücks "jemandem einen friedvollen Gedanken, einen Wunsch, der ihnen am Herzen liegt", senden, so Wilfing.

Vom Park geht es fürs Publikum mitunter auch in die Kirche, wo man für den Frieden beten kann. "Mark Andre beschwört mit wechselnden Raumaufstellungen und dem Atemhauch von Chorstimmen im Stephansdom den Heiligen Geist", so Günther, der das Thema "Raum und Musik" betont. Es verteilt etwa auch Rebecca Saunders für ihr großes Raumprojekt Yes die Instrumentengruppen überall im Goldenen Saal des Musikvereins.

Neue Oper

Abseits der etablierten Konzerträume? Unter den 91 Konzerten mit 66 Ur- und Erstaufführungen wird die Neuheit Alice von Komponist Kurt Schwertsik im Odeon gezeigt. Und im Semperdepot gibt es zum Finale (2. 12.) einen Klangspaziergang mit 20 Dudelsäcken. (Ljubisa Tosic,31.10.2023)