Sudabeh Mortezai
Die Regisseurin Sudabeh Mortezai lebt mittlerweile gern in Wien, in den 1980ern sei es aber ein knallhartes Pflaster gewesen.
Magdalena Blaszczuk

"Ich wollte eine Geschichte erzählen, in der es um den Konflikt zwischen Privilegierten und weniger Privilegierten geht“, sagt die Regisseurin Sudabeh Mortezai über ihren neuen Film "Europa". Der Sozialthriller um die Managerin eines internationalen Konzerns, die in einem abgelegenen Ort in Albanien Strukturentwicklung betreiben soll und dabei über Leichen geht, startet diese Woche österreichweit in den Kinos und hat am Dienstagabend auf der Viennale den Spezialpreis der Jury des Wiener Filmpreises erhalten.

Sudabeh Mortezai hat in ihrer kurzen Filmkarriere schon viele Auszeichnungen erhalten. Mit ihrem Prostitutionsdrama "Joy" räumte sie auf einigen der großen Festivals ab, "Europa" folgt dem Erfolg auf dem Fuße. Soziale Themen, das wird aus Mortezais Filmografie deutlich, liegen der Wienerin mit iranischen Wurzeln am Herzen. Warum aber?

Sozialer Absturz in Wien

"Wie kann es einem nicht nahegehen?", fragt Mortezai. "Man müsste die Augen ganz fest schließen, um Ungerechtigkeit, Ausbeutung gar nicht zu sehen. Die Themen holen mich ein." Natürlich hat das alles auch mir ihrer Biografie zu tun. 1968 in Teheran in eine Akademikerfamilie geboren, kam sie früh in Berührung mit Kunst, Kultur, auch mit dem Kino.

1980, nach der Iranischen Revolution, emigrierte die Familie nach Wien. Die Teenagerjahre in Wien waren hart. Sie erlebte Ausgrenzung, Rassismus und einen "sozialen Absturz" vom Teheraner Bildungsbürgertum zum Ausländerkind oder Tschusch, wie man damals noch sagte. Mittlerweile aber, so Mortezai, lebe sie "wahnsinnig gerne in Wien".

Dokumentation und Spielfilm

Das Selbstbewusstsein, Regisseurin zu werden, musste sie aber erst noch sammeln. Denn "als Ausländerkind war man in Österreich der 1980er-Jahre ein totaler Außenseiter. Das Wort, das man am häufigsten hört, ist: Nein. Das darfst du nicht, jemand wie du kann das nicht.“ Zum Film stieß Mortezai über Umwege in der Filmbranche: Sie arbeite bei der Viennale, leitete später das Filmcasino. 2009 kam der Durchbruch mit der Dokumentation "Im Bazar der Geschlechter".

In ihrer Filmarbeit, die mit Dokumentationen begann und nun bei Spielfilmen angelangt ist, legt sie Wert auf Improvisation und freies Spiel, sie arbeitet häufig mit Laien, lässt sich gern überraschen. Neue Perspektiven sind ihr wichtig. Keinesfalls möchte Mortezai als "die" abgestempelt werden, "die immer nur Filme über Frauen macht" oder "über den Iran". Deshalb bleibt sie neugierig. Über ihr neues Projekt verrät sie nur so viel: Es wird in Österreich und anderswo spielen. (Valerie Dirk, 1.11.2023)