Draußen rankt sich Efeu über wunderschöne, uralte Ziegelwände, drinnen in den Büros dreht sich alles um Särge, Urnen, Parten. Auch der Tod ist ein Geschäft. Ein Gespräch mit einem Bestattungsunternehmer.

Der Bestattungsunternehmer Alexander Burtscher steht in einem Tor vor einem Raum mit Särgen.
"Sterben ist das Egalitärste": Bestattungsunternehmer Alexander Burtscher.
Regine Hendrich

STANDARD: Der Eingang der Benu- Zentrale hier in Wien-Margareten ist direkt neben dem des Vereinslokals der Hells Angels: interessanter Zugang?

Burtscher: Zufall: Wir haben hier eine schöne Location gefunden, und die Hells Angels waren vorher da.

STANDARD: Mit Himmel und Hölle hat Ihr Bestattungsunternehmen nichts zu tun, oder?

Burtscher: Diesen Teil deckt dann eher ein Pfarrer beim Begräbnis ab.

STANDARD: Sie kamen aus der Digitalisierungsberatung, als Sie und Ihre Kompagnons Benu 2017 gründeten; mit dem Ziel, eine digitale Plattform für alles rund um die Bestattung zu werden und die Branche "ins 21. Jahrhundert zu bringen". Gelungen?

Burtscher: Wir verstehen uns jetzt als modernes Bestattungsunternehmen, das online äußerst präsent ist, weil wir die Leute sehr transparent informieren wollen – und zwar auch online. Mit uns kann man 24/7 über alle Kanäle kommunizieren, wir antworten immer.

STANDARD: Die Bestattungsbranche wurde erst 2002 liberalisiert, und Sie haben mit großen Konkurrenten zu tun, in Wien etwa mit der städtischen Bestattung, die rund 300 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Benu hat bis jetzt keine Gewinne geschrieben ...

Burtscher: Doch, ganz kleine, ein paar Hundert Euro (lacht). Heuer werden wir sicher in die Gewinnzone kommen. Die ersten Jahre sind Aufbaujahre, wir haben expandiert, viel investiert und beschäftigen mittlerweile fast 50 Leute. Wir besitzen inzwischen zehn Fahrzeuge, unzählige Transportsärge und alles, was ein Bestattungsunternehmen braucht. Wir sind das einzige Bestattungsunternehmen Österreichs, das überregional tätig ist, auch weil wir sehr stark in der Vorsorge tätig sind.

STANDARD: Was sind Ihre größten Probleme als Neuling in der Branche?

Burtscher: Die vielen Pfadabhängigkeiten in der Branche: Viele Pflegeheime rufen zum Beispiel bei Todesfällen nach wie vor automatisch die Bestattung Wien an oder den regionalen alteingesessenen Bestatter, weil es immer schon so war. Als Neuankömmling hat man es da viel schwerer als in anderen Branchen. Wir müssen uns das Vertrauen jeden Tag hart erarbeiten.

STANDARD: 2022 stieg die Merkur Versicherung mit 13,5 Prozent bei Benu ein. Als strategischer Partner?

Burtscher: Bei der Kooperation geht es vor allem um die Vorsorgeprodukte, also etwa Versicherungen für Begräbnisse. Wissen Sie, die meisten Bestattungsunternehmen werden in der Familie vererbt, wir sind in dieses Geschäft ein bissl hineingerutscht, nachdem zwei Gesellschafter Erfahrungen mit Bestattungsunternehmen gemacht hatten. Wir haben begonnen, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen, eine Webpage gemacht – und dann sind wir eben Bestatter geworden.

Eine kleine Engelsfigur vor einer Urne.
Als Neuankömmling habe man es in der erst vor 20 Jahren liberalisierten Bestattungsbranche schwerer als in anderen Branchen, sagt Burtscher.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie wollten nach Deutschland expandieren und in die Schweiz; dort gibt es keinen Friedhofszwang. Sind Sie schon in diesem Märkten aktiv?

Burtscher: Nein, wir wollen uns jetzt einmal auf Österreich konzentrieren, und das ist auch mit Merkur so akkordiert. Und ja, in der Schweiz darf man etwa die Asche Verstorbener verstreuen, was bei uns verboten ist. Dazu bekommen wir auch viele Anfragen. Auf der anderen Seite ist in der Schweiz die Grundversorgung, also die Abholung Verstorbener, immer noch in staatlicher Hand. Bestattung ist regional sehr, sehr unterschiedlich organisiert, das liegt auch an unterschiedlicher Kultur und anderen Zugängen.

STANDARD: Den Wienern wird ein besonderes Verhältnis zum Tod zugeschrieben, Stichwort "Verkaufts mein Gwand, i fahr in Himmel". Wie sehen Sie das als gebürtiger Vorarlberger?

Burtscher: Ich finde den Wiener Zugang mit der Lust am Morbiden sympathisch. Die Wiener haben einen offeneren Bezug zum Tod als andere, und das entspricht auch unseren Vorstellungen. Wir haben ja beispielsweise auf allen unseren Autos und Filialen unseren Slogan "Der Tod gehört zum Leben" stehen. Für diesen Satz bekommen wir sogar auf dem Friedhof, wo sich die Leute von ihren Verstorbenen verabschieden, gutes Feedback. Wir gehen mit dem Thema Sterben und Tod so offen wie möglich um, und daraus machen wir auch kein Geheimnis. In dieser Atmosphäre trauen sich die Leute dann auch Fragen zu stellen wie: "Was kostet denn der günstigste Sarg?"

STANDARD: Was kostet er?

Burtscher: 300 Euro, ein einfacher Mischholzsarg, der eigentlich für Kremierungen vorgesehen ist. Man kann ihn aber auch für Erdbegräbnisse nehmen, er schaut eben schlicht aus.

Die Straßenansicht des Vereinslokals der Hells Angels neben dem Eingang zum Bestattungsunternehmen
Die Firmenzentrale in Wien-Margareten gleich neben dem Vereinslokal der Hells Angels – aber die waren früher da.
Regine Hendrich

STANDARD: Als Sie in der Burggasse in Wien eröffneten, sorgte Ihr Spruch "Der Tod kommt in die Burggasse" für Aufregung. Gut oder schlecht?

Burtscher: Es gab hunderte Reaktionen, die allermeisten waren positiv. Ich hätte es nicht gut gefunden, wenn die Kommentare zu kontrovers gewesen wären. Denn wir sind ein seriöses Bestattungsunternehmen und wollen nicht der witzige Bestatter sein, sondern der moderne Bestatter.

STANDARD: Noch zu Wien: Glauben Sie, dass das Verhältnis der Wiener zum Tod auch davon geprägt ist, dass es hier den riesigen Zentralfriedhof mit seinen 330.000 Gräbern gibt?

Burtscher: Ich denke schon. Der Zentralfriedhof ist für die Stadt sehr prägnant und gehört sogar zu Sightseeing-Programmen dazu, ist flächenmäßig der zweitgrößte Friedhof Europas ...

STANDARD: ... aber mit 250 Hektar ein Zwutschkerl im Vergleich zum 970 Hektar großen Wadi as-Salam im Irak mit fünf Millionen Gräbern.

Burtscher: War mir gar kein Begriff. Wobei der Zentralfriedhof ja eigentlich zu groß ist, weil der Platzbedarf durch Feuer-, Wiesen- und Baum­bestattungen sinkt. Bei uns entfallen 20 Prozent aller monatlich rund 150 Bestattungen auf Baum- und fünf Prozent auf Bestattungen in der Donau.

STANDARD: Auf dem Friedhof in Wien-Nussdorf kann man sich unter Weinstöcken begraben lassen. Kann man da wählen, ob man unterm Grünen Veltliner oder Riesling liegt?

Burtscher: Nach meinem Wissensstand gibt es ein paar Rebstöcke, die man sich aussuchen kann.

STANDARD: Wer lässt sich Bestattungen denn am meisten kosten?

Burtscher: Sterben ist das Egalitärste, das es gibt. Aber grundsätzlich lassen sich wohlhabende Leute Bestattungen mehr kosten als andere, wobei es bei der Ausgabenfreude auch oft Überraschungen gibt.

Weinstöcke im Herbst
Auch unter Weinstöcken lässt sich's für ewig ruhen. Burtscher hat eine derartige Bestattung organisiert – für einen Winzer? Das weiß er nicht.
Chromorange / Silke Rottleb

STANDARD: Was kann Sie noch überraschen?

Burtscher: Die Begräbnislieder. An­dreas Gabaliers Amoi seg’ ma uns wieder ist das mit Abstand am häufigsten gewählte Abschiedslied, vor Frank Sinatras My Way und dem Ave Maria. Gabalier wird wirklich überraschend oft gewählt, auch bei Leuten, die man nicht unbedingt zu seinen Fans zählen würde.

STANDARD: Sprengt der Tod alle Klischees?

Burtscher: Ich würde eher sagen, der Tod bestätigt alle Klischees. Im Bestattungsbereich spielen Konventionen eine extrem große Rolle, der Abschied muss für alle passen. Es ist tief in den Leuten verankert, bei Bestattungen dem Standard zu entsprechen, man möchte sich bei der Trauergemeinde keinesfalls blamieren, ja nichts falsch machen beim Begräbnis. Die Leute stellen auch extrem hohe Serviceansprüche an uns, da darf nichts schiefgehen.

STANDARD: Also kein Geschäft wie jedes andere?

Burtscher: Nein. Dass wir jeden Tag mit Trauernden zu tun haben, zwingt uns dazu, es nicht als Geschäft wie jedes andere zu sehen. Unsere Mitarbeiter haben alle sehr viel Empathie und machen den Job mit ganzer Leidenschaft – können sich aber auch abgrenzen.

STANDARD: Bekommen sie Supervision?

Burtscher: Ja, wir bieten ihnen professionelle Begleitung an.

STANDARD: Ihre Belegschaft ist jung, wie kommen Sie an die Leute?

Burtscher: Wir hatten zuletzt sehr viele Bewerbungen aus Deutschland, wo Bestatter/Bestatterin anders als bei uns ein Lehrberuf ist. Aus Österreich haben wir viele Quereinsteiger, etwa aus Gesundheitsberufen. Und auf dem Friedhof beschäftigen wir viele Leute aus der Hotellerie und Gastronomie, und das bewährt sich extrem gut. Denn auf dem Friedhof geht’s um einen Gastgeberjob: Im Kern ist ein Begräbnis ein Event, und die Leute, die Trauergäste, müssen sich wohlfühlen.

STANDARD: Benu statt Do & Co?

Burtscher: Ich merke, Sie denken in Schlagzeilen. Was ich meine: Andere Bestatter beschäftigen Leute, die alles schupfen: von der Abholung aus dem Pflegeheim bis zur Show auf dem Friedhof. Bei uns sind das verschiedene Jobs mit verschiedenen Anforderungen; bei einem braucht man Muskelkraft zum Anpacken und muss hartgesotten sein, auf dem Friedhof geht es um die Feier und darum, auf die Trauergäste zuzugehen. Dafür haben wir eine Teamleiterin, die vor der Pandemie Rezeptionistin in einem Spitzenhotel war.

STANDARD: Man kann bei Ihnen ja auch fürs eigene Begräbnis vorsorgen: Gibt es viele, die das tun und auch ihre Trauerreden selbst schreiben?

Burtscher: Durchaus. Es gibt drei Gruppen: die einen, die vom Thema gar nichts wissen wollen, die anderen, die alles ganz schlicht vorbereiten, und die, die alles bis ins letzte Detail planen, mit Gästeliste, Musik und Trauerrede, oft in Briefform. Kann sehr schön sein.

(Renate Graber, 5.11.2023)