Vor allem in den industriegeprägten Bundesländern erhöhte sich die Arbeitslosigkeit.
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Wien – Mit Ende Oktober sind in Österreich 338.896 Menschen arbeitslos gewesen. 264.232 davon befanden sich auf Jobsuche, 74.664 nahmen an Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) teil. Die Quote ist mit 6,3 Prozent im Vergleich zum Oktober 2022 – damals betrug sie sechs Prozent – leicht gestiegen, teilte das Arbeitsministerium am Donnerstagvormittag mit. Im letzten Oktober vor der Corona-Krise, im Jahr 2019, waren es 7,0 Prozent.

"Österreich befindet sich in einer Rezession", sagte AMS-Vorständin Petra Draxl. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigten ein ziemlich ähnliches Bild wie im Vormonat. "Vor allem im Bau und in der Industrie steigt die Arbeitslosigkeit an, hier sind vor allem die Steiermark und Oberösterreich betroffen."

Kocher sieht stabile Situation am Arbeitsmarkt

Die Zahl offener Stellen sei zwar im Vergleich zu Oktober 2022 um 21.711 gesunken, aber mit gut 100.000 nach wie vor auf hohem Niveau. Trotzdem, so Draxl: "Obwohl die Arbeitslosigkeit steigt, ist Pessimismus – zumindest am Arbeitsmarkt – nicht angesagt." Der ÖVP-Wirtschaftsbund hat für Oktober mit 207.264 offenen Stellen mehr als die doppelte Anzahl offener Stellen erhoben.

"Wir sehen, dass die Situation am Arbeitsmarkt weitgehend stabil ist, sich aber insgesamt aufgrund der wirtschaftlich herausfordernden Situation verglichen mit dem Rekordjahr 2022 weniger dynamisch entwickelt", heißt es von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) in einer Aussendung. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Oktober im Vergleich zum Vorjahr falle angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen moderat aus. Die AMS-Daten zeigen, dass die Zahl der offenen Stellen mit gut 100.000 im Vorjahresvergleich um 17,7 Prozent eingebrochen ist.

Als auffallend bezeichnete Kocher "das große Plus bei den in Schulung befindlichen Personen". Darin ortet er "ein Zeichen, dass die aktive Arbeitsmarktpolitik ihre Wirkung entfaltet". Ende Oktober waren heuer mit knapp 75.000 um 4.746 Personen (plus 6,8 Prozent) mehr in einer Aus- oder Weiterbildung des AMS als vor einem Jahr, auch in Mangelberufen und Ausbildungen im Rahmen des Pflegestipendiums.

Hohe Arbeitslosigkeit in Baubranche

Unter den arbeitslosen Menschen, die sich nicht in AMS-Schulungen befanden, waren per Ende Oktober mit 119.998 um 3,3 Prozent oder 3.818 mehr Frauen als vor einem Jahr. Bei den Männern und Menschen alternativer Geschlechter waren 144.234 ohne Arbeit. Das waren um 8,3 Prozent oder 11.100 mehr als im Oktober 2022.

Die Zahl der Arbeitslosen am Bau ist im Oktober im Vorjahresvergleich laut den AMS-Daten um 1.626 Personen oder 10,9 Prozent auf 16.592 gestiegen. Die rezessive Industriekonjunktur zeigt sich im oft als Industriebundesland titulierten Oberösterreich: Dort gab es mit einem Plus von 10,9 Prozent oder 2.819 Menschen im vergangenen Monat 28.641 Menschen ohne Arbeit (ohne Schulungsteilnehmerinnen oder -teilnehmer).

Überdurchschnittliche Anstiege der Arbeitslosenzahlen (ohne Schulungsteilnehmende) zeigen sich in den besonders industriegeprägten Bundesländern Vorarlberg (plus 8,7 Prozent auf 10.291 Personen) und Steiermark (plus 6,4 Prozent auf 28.861). Auch in Wien und Salzburg stieg die Arbeitslosigkeit um 6,4 bzw. 6,3 Prozent auf 106.301 bzw. 11.671. Ein Minus gab es nur im südlichsten Bundesland. In Kärnten sank die Arbeitslosigkeit (ohne Schulungen) um 1,1 Prozent oder 168 Personen auf 15.489.

Kritik von SPÖ und FPÖ

Die Arbeiterkammer (AK) forderte aufgrund "sehr vieler großer Herausforderungen" mehr Personal fürs AMS. Die geplante Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge bleibt in der AK-Kritik: "Der Sozialstaat wird dadurch geschwächt, die Einzigen, die davon profitieren, sind die großen Unternehmen", so Präsidentin Renate Anderl. Die einzelnen Arbeitnehmenden spürten davon aber faktisch nichts. Aus Sicht der AK sollte vermehrt in gute Ausbildungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitsuchende investiert werden. Anwerbung von Arbeitskräften etwa von den Philippinnen, wie zuletzt von der Regierung angedacht, seien derzeit "nicht die beste Lösung für die Herausforderungen des Arbeitsmarktes".

Von der SPÖ kam Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der türkis-grünen Regierung. Einerseits gebe es keine Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Zudem drücke sich der Arbeitsminister in seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage um Antworten dazu, bei welchen Arbeitsmarktprojekten – etwa in Tirol – eingespart werde, kritisierte die Sozialdemokratin Selma Yildirim. Und: "Die Zahl der Personen in Aus- und Weiterbildungskursen des AMS ist seit dem Jahr 2016 von über 95.000 auf nur mehr 51.000 im Jahr 2022 gesunken", hielt sie Kochers Freude über den Schulungsanstieg im Vorjahresvergleich entgegen.

Aus Sicht der FPÖ betreiben Kocher und die schwarz-grüne Regierung "waschechte Realitätsverweigerung". Jetzt von einem "moderaten Anstieg" der Arbeitslosigkeit zu sprechen bedeute, "den Kopf in den Sand zu stecken", verwies Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch im Speziellen auf die triste Lage am Bau. Der Arbeitsminister sei "mit seinen neoliberalen Ansichten nicht mehr länger tragbar", so die Freiheitliche. (red, 2.11.2023)