KI im Museum
Berührungspunkte zwischen digitalen Technologien und analogen Schauen: Liegt darin die Zukunft der Museen?
midjourney

Genau 133 Jahre nach seinem Tod kann Vincent van Gogh wieder sprechen. "Ich hatte zwar mit psychischen Problemen zu kämpfen, aber mein Umzug nach Auvers-sur-Oise war nicht durch den Wunsch motiviert, mein Leben zu beenden", antwortet er auf die Frage, warum er 1890 übersiedelt ist. Das Pariser Musée d’Orsay verwendet in einer aktuellen Ausstellung eine KI-generierte Version des niederländischen Malers – wer etwas Persönliches wissen möchte, kann ihn selbst fragen.

Mittlerweile arbeiten Museen immer öfters mit künstlicher Intelligenz und binden diese etwa plakativ in die Kunstvermittlung ein. 2023 lässt sich ein internationaler Trend nicht mehr ignorieren: Neben der Pariser Ausstellung verwendete unter anderem auch die Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung Femme Fatale. Blick – Macht – Gender einen Chatbot, der es den Besuchern ermöglichte, sich mit Medea, Helena von Troja oder einer Madonna auszutauschen.

Digitale Experimente

Aber nicht nur kommunikative Tools innerhalb analoger Schauen sind Teil einer neuen Art, Ausstellungen zu machen. Bestrebungen, ganze Konzepte mit Programmen wie ChatGPT zusammenzustellen, werden bereits in die Tat umgesetzt, so etwa im Frühjahr 2023 im Kunsthaus Graz: Dort hat der Medienkünstler Richard Kriesche mithilfe des Chatprogramms zum ersten Mal eine Schau von A bis Z auf die Beine gestellt. Was bedeutet das für die Museen? Hat künstliche Intelligenz tatsächlich das Potenzial, den Ausstellungsbetrieb, wie wir ihn heute kennen, auf den Kopf zu stellen? Oder bleibt doch alles Wesentliche beim Alten?

Alfred Weidinger ist Kunsthistoriker und Museumsmanager, seit 2020 ist er als Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH tätig. Seit mehreren Jahren fordert er ein Umdenken im analogen Kulturbetrieb, will die Digitalisierung innerhalb der Museen vorantreiben.

Im virtuellen Standbein des Francisco Carolinum entwickelte er zusammen mit der Kuratorin Eva Fischer die Schau Artificial Intuition, deren Konzeption vollumfänglich von ChatGPT übernommen wurde – ein digitales Experiment. "KI ist mittlerweile so weit, dass sie Ausstellungen produzieren kann", sagt er. Noch seien die Programme zwar nicht gut genug ausgereift, um den qualitativen Maßstäben zu entsprechen, jedoch "wird man in absehbarer Zeit digitale Tools verwenden können, um eine fertige Ausstellung zusammenzubasteln".

Kunsthaus Graz Zeitenwende
Im Kunsthaus Graz hat der Medienkünstler Richard Kriesche mithilfe des Chatprogramms zum ersten Mal eine Schau von A bis Z auf die Beine gestellt.
Kunsthaus Graz/M. Humpel

In der Hauptstadt bleiben die Alten Meister vor der Digitalisierung noch größtenteils verschont. Das Kunsthistorische Museum verfolgt genauso wie das Leopold-Museum aktuell keine konkreten Bestrebungen, man fühlt sich wohl im digitalen Raum. Im Belvedere kommt die KI hauptsächlich hinter den Kulissen zum Einsatz, unterstützt bei Archivarbeit und Forschungsprojekten.

Ähnlich verhält es sich in der Albertina, die digitale Programme unter anderem für Recherchezwecke oder Übersetzungsarbeit nutzt. Einen neuen Ansatz gibt es dort allerdings im Sicherheitssystem des Museums: Derzeit wird am Einsatz einer KI in der technischen Sicherheit bei der Videoüberwachung gearbeitet. Diese soll "auffälliges, menschliches Verhalten" interpretieren und an das Personal weitergeben.

"Smart Museum"

Eine Schau im Technischen Museum Wien greift künstliche Intelligenz thematisch auf: Smart World setzt sich mit dem Einsatz von KI in allen möglichen Lebensbereichen auseinander. Da ist es nur naheliegend, dass auch innerhalb der Schau digitale Programme zum Einsatz kommen. Extensions of Self im Francisco Carolinum setzt sich derzeit zwar auf künstlerischer Ebene mit KI auseinander, in der Ausstellungskonzeption selbst hat jene aber eine verschwindende Rolle gespielt.

"Extensions of Self" im Francisco Carolinum setzt sich auf künstlerischer Ebene mit KI auseinander.
Michael Maritsch, OÖLKG

"Große Museen werden auch zukünftig nur punktuell mit KI arbeiten und weiterhin auf die klassische Art des Ausstellungmachens zurückgreifen", glaubt Weidinger, "kleinere Institutionen werden in dem Bereich schon deutlich experimentierfreudiger sein."

Und was sagt ChatGPT selbst dazu? "Die fortschreitende Integration von KI-Technologien wird in Museen zweifellos den Betrieb und die Besuchererfahrung in Zukunft weiter verändern", spuckt das Programm selbstbewusst aus, inklusive einer langen Liste von Beispielen. Der große Durchbruch im Museumsbetrieb, da ist man sich auf menschlicher Ebene einig, lässt aber noch auf sich warten. Währenddessen widmet man sich vermittlerischen Spielereien oder bindet künstliche Intelligenz nur thematisch ein. Wie in Paris mit Van Gogh zu plaudern, ist vorerst genug. (Caroline Schluge, 6.11.2023)