Wenn Männer und Frauen aufeinandertreffen, können bestimmte Skripten wirksam werden.
Wenn Männer und Frauen aufeinandertreffen, können bestimmte Skripten wirksam werden.
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"Ich war auf drei Dates mit diesem Mann, und alles schien so toll zu sein", erzählt eine Frauenstimme am Telefon. "Wir hatten großartige Gespräche, auch körperliche Anziehung war zu spüren. Und dann, wie aus dem Nichts, meldet er sich nicht mehr." Schon mehrfach sei ihr das passiert. "Meine Freund:innen sagen, dass jeder Mann sich glücklich schätzen könnte, mich zu daten. Aber kann das stimmen, wenn doch keiner eine Beziehung mit mir will?" Die Geschichte der jungen Frau, die kein Glück hat auf der Suche nach einem festen Partner, stammt aus einem Werbevideo von Matthew Hussey. Sie stehe stellvertretend für so viele Frauen, die bei ihm Rat suchen würden. Hussey verkauft Online-Programme mit so klingenden Titeln wie "Gewinne ihn zurück". Er ist der Superstar unter den Dating-Coaches, die ihre Dienste an Hetero-Frauen vermarkten. Der Brite schrieb für die "Cosmopolitan", ist regelmäßig im amerikanischen Frühstücksfernsehen zu Gast und zählt Prominente wie Model Tyra Banks zu seinen Fans. Mit Pick-up-Artists, jenen inzwischen berüchtigten Influencern, die Männern mit Brachial-Sexismus zu mehr Sex verhelfen wollen, hat Hussey nichts gemein. Auf seinem Youtube-Kanal tritt er in T-Shirt und Dreitagebart als der nette Typ von nebenan auf, bedacht wählt er sein Vokabular, wenn er von toxischen Dating-Mustern und Sehnsucht nach Nähe spricht.

Die Titel seiner Videos lesen sich trotz allem wie jene Fragen, die seit Jahrzehnten in Frauenmagazinen gewälzt werden: "So wirst du attraktiver", "Meint er es ernst mit dir?" oder "Wie du ihn dazu bekommst, dass er nur dich will".

Alte Muster, neue Verpackung

"Verschiedene Formen von Familie und Partnerschaft sind heute sehr viel stärker akzeptiert als noch vor einigen Jahrzehnten", sagt dazu die Soziologin Caroline Berghammer, "aber das Ideal, an dem alles gemessen wird, ist immer noch die monogame Partnerschaft mit Kindern." So hätten sich starre Geschlechterrollen deutlich aufgeweicht, zugleich erlaube eine zunehmende Pluralität aber auch ein Nebeneinander von emanzipierten Hetero-Paaren und patriarchalen Lebensentwürfen. "Und wenn sozialer Wandel passiert, wenn Geschlechterrollen egalitärer werden, beobachten wir auch einen Backlash", sagt Berghammer. Dating-Coaches, insbesondere sexistische Pick-up-Artists, könnten so als eine Art Gegenprogramm gelesen werden.

Jenes Bild, dass Männer eine Partnerschaft oder Ehe um jeden Preis vermeiden wollen, während Frauen sich stets darum bemühen würden, einen Mann an sich zu binden, ist gesellschaftlich nach wie vor fest verankert. Nicht selten trägt der zukünftige Bräutigam ein "Game over"-T-Shirt oder Handschellen, wenn Männer Junggesellenabschied feiern. Frauen hingegen sind auf Instagram mit Plastikkrönchen oder Schärpe zu sehen: Wer heiratet, steigt zur Prinzessin auf. "Männer machen gerne Witze darüber, dass sie gefangen sind, wenn sie eine Ehe eingehen – und trotzdem heiraten sie", sagt Alexander Moschitz, Mitarbeiter am Institut für Männer- und Geschlechterforschung in Graz. Es sei vielmehr ein Narrativ, das Männer vor sich her tragen würden. Unabhängig zu sein, ständig Lust auf Sex und Erfolg bei Frauen zu haben – dafür würden sie von anderen Männern Anerkennung erhalten. "Und diese Anforderungen an Männlichkeit machen sehr viel mit Männern", sagt Moschitz.

Wie Männer von Hetero-Beziehungen profitieren

Frauen werden diesbezüglich an ganz anderen Standards gemessen, romantische Beziehungen gelten für sie geradezu als identitätsstiftend. Und das, obwohl Studien konträre Schlüsse nahelegen. So kommen wissenschaftliche Langzeitbeobachtungen zu dem Ergebnis, dass es Frauen nach dem Tod ihres Partners gesundheitlich deutlich besser gehe als Witwern, die ihre Ehefrau verloren haben. Forscher:innen erklären sich das vor allem mit traditionellen Rollenbildern: Männer profitieren in Beziehungen mit Frauen von deren Care-Arbeit und sozialen Netzwerken. Aber auch Umfragen mit jüngeren Teilnehmer:innen zeigen immer wieder, dass Frauen als Singles nicht so unglücklich sind, wie das Liebeskomödien gerne darstellen. Eine Erhebung unter rund 2.000 Mitgliedern der Agentur Parship im vergangenen Jahr etwa wies Frauen als die zufriedeneren Singles aus. 68 Prozent von ihnen bezeichneten sich auch ohne feste Partnerschaft als "eher glücklich bis sehr glücklich", bei den Männern waren es nur 52 Prozent.

Dating-Coaches bedienen dennoch die Sehnsucht nach dem einen Mr. Right. "Wie du einen Mann dazu bringst, sich in dich zu verlieben" preist auch Alex Cormont, "The French Relationship Expert" in einem Video an, "Date-Doktor" Emanuel Albert erklärt, wie Frauen einen Mann dazu bringen könnten, ihnen hinterher zu laufen. Die kostenlosen Videos der Dating-Coaches dienen meist als Werbung für Online-Programme, betreute Chatgruppen oder exklusive Coachings. Und diese haben ihren Preis. Wie die britische "Times" berichtete, soll Matthew Hussey ganze 10.000 Dollar für ein One-on-One-Coaching kassieren. Online-Programme, in denen er nicht persönlich auftritt, sind freilich günstiger zu haben.

Selbstoptimierung: das ganze Paket

Ein hoher Preis für Inhalte, die Coaches gerne als "Empowerment" für Frauen vermarkten. In mancher Hinsicht haben die traditionellen Rollenbilder durchaus ein – neoliberales – Update erhalten. Selbstbestimmt und glücklich, in einer bereichernden Beziehung auf Augenhöhe – so das angepeilte Ergebnis, das einiges an Arbeit erfordert. Denn auch wenn Frauen ihre fürsorgliche Seite präsentieren sollten, sei es enorm wichtig, auf dem Dating-Markt als aufregend und unabhängig wahrgenommen zu werden. Männer wollen kein Anhängsel, so die Botschaft der Dating-Ratgeber. Und so könne auch der Gehaltszettel von Frauen heute üppiger ausfallen als jener des Gegenübers. "Machen erfolgreiche Frauen Männern Angst?", beantwortet im Zweifelsfall offene Fragen.

Dass Geschlechterstereotype bei der Partner:innensuche immer noch eine große Rolle spielen, bestätigt auch Anica Popović, psychosoziale Beraterin beim Verein Frauen* beraten Frauen*. Im Rahmen eines Projekts zu Selbstbehauptung im digitalen Raum widmeten sich die Mitarbeiterinnen unter anderem dem Online-Dating. "Wenn Männer und Frauen aufeinandertreffen, können bestimmte Skripten wirksam werden", sagt Popović. Etwa, dass Männer proaktiv agieren sollen, Frauen hingegen abwartend und passiv. In Dating-Apps wie Tinder sei eine oberflächliche Bewertung anderer bereits in der Software angelegt. "In Gruppendiskussionen haben wir gesehen, dass es Frauen schwerfiel, zuzugeben, dass sie eine tiefergehende, langfristige Beziehung suchen. Alles soll locker und unverbindlich sein", sagt Popović. Wenn es zu Schwierigkeiten komme, würden Frauen sich meist selbst die Schuld an der Situation geben. Besonders problematisch würden solche Skripten, wenn Frauen etwa das Gefühl hätten, ihrem Gegenüber etwas zu schulden – allein aufgrund einer Einladung zum Essen.

Fehler bei sich selbst zu suchen und sich für jede Situation eine Strategie zurechtzulegen, darauf lassen sich auch viele Rezepte der Coaches herunterbrechen. Wer Matthew Husseys Ratschläge befolgen möchte, wie ein Mann besonders schnell geangelt werden könne, hat eine lange Liste abzuarbeiten. Hohe Standards haben und diese auf wohlwollende Weise kommunizieren, sich begeistert zeigen über kleine Dinge, aber niemals mit großen Gesten aufwarten, das Popcorn bezahlen, aber nicht die Kinokarten. "Bei all dem sollten wir aber nicht vergessen, authentisch zu sein", hat eine Userin unter das Video gepostet. (Brigitte Theißl, 6.11.2023)