Die Hamas steht auf der Terrorliste der EU: Allein das würde ausreichen, um alle Betätigungen der Organisation und das Zeigen ihrer Fahne in der Öffentlichkeit zu verbieten. Aber eigentlich untersagte Symbole – wie zuletzt in Deutschland Banner der in den 1950er-Jahren ebenfalls im palästinensischen Kontext entstandenen Hizb ut-Tahrir (Befreiungspartei) – mischen sich immer wieder unter die Palästina-Fahnen bei Kundgebungen gegen den Krieg im Gazastreifen. Wenn die Angehörigen radikaler Gruppen "Free Palestine" fordern, dann ist das ein Code dafür, dass Israel verschwinden soll, denn "Palästina" reicht für sie vom Mittelmeer bis zum Fluss Jordan. Das wirft einen Schatten auf die palästinensische Fahne, auf die in der Öffentlichkeit immer öfter ablehnend reagiert wird.

Die palästinensische Flagge, hier bei einer Kundgebung in Wien Mitte Oktober, darf in Österreich gezeigt werden.
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Also darf man sie überhaupt präsentieren oder nicht? Man darf: Die Palästinenserfahne hängt auch vor dem Uno-Hauptquartier in New York. Die Uno wird zwar soeben wieder als völlig unfähiges politisches Instrument gescholten – aber sie ist nichts anderes als die Summe ihrer Mitglieder. Und die, genauer gesagt: die Uno-Generalversammlung, haben im November 2012 beschlossen, Palästina – und damit die Symbole und Institutionen, die es sich gegeben hat – als Beobachterstaat ("non-member observer state") anzuerkennen. Die volle Mitgliedschaft kann nur der Uno-Sicherheitsrat verleihen, und da sind die Palästinenser 2011 an den USA gescheitert.

Uno-Beobachterstaat, das ist der gleiche Status, den der Vatikan beziehungsweise der Heilige Stuhl innehat, allerdings schon seit 1964. In Österreich, dessen Regierung angesichts der Übergriffe gegen die israelische Fahne eine Verschärfung der diesbezüglichen Gesetze überlegt, heißt das, dass die palästinensische Fahne genauso schützenswert wäre wie die vatikanische oder andere.

138 dafür, neun dagegen

Österreich hat an der Anerkennung des "Staates Palästina" aktiv mitgewirkt, denn es hat 2012 in der Uno-Generalversammlung für die entsprechende Resolution gestimmt. 138 Staaten waren dafür, 41 enthielten sich, neun waren dagegen. Bei den Stimmen der EU-Staaten war damals eine Tendenz in Richtung mehr Anerkennung für die Palästinenser festzustellen. So hatte sich Deutschland, auf dessen Nein Israel gehofft hatte, der Stimme enthalten, wie andere acht EU-Staaten auch. Mit Nein hatte unter den EU-Mitgliedern damals nur Tschechien gestimmt.

Im September 2015 kam dann in der Uno-Generalversammlung eine Frage auf den Tisch – die allerdings zum Heiligen Stuhl siebzig Jahre lang nie gestellt worden war: ob die Fahne von Beobachterstaaten vor den Uno-Hauptquartieren aufgezogen werden sollte, in der Reihe anschließend an jene der vollen Mitgliedsstaaten. Der Irak brachte eine entsprechende Resolution ein, für die bei 45 Enthaltungen 119 Staaten stimmten, acht waren dagegen.

Österreich gehörte 2015 wie Deutschland zur Gruppe derer, die ein X machten, hielt aber in der Debatte fest, dass das seine Unterstützung für die palästinensischen Bemühungen um einen Staat nicht schmälere. Sechs EU-Staaten – darunter Frankreich – stimmten für die Resolution. Was das Aufziehen der Fahne betrifft, war der Vatikan etwas schneller an der Reihe: Am 25. September 2015 besuchte Papst Franziskus die Uno-Generalversammlung, fünf Tage später Mahmud Abbas – der laut Uno den Titel "Präsident des Staates Palästina" trägt. Seitdem hängen die beiden Fahnen dort. Dass es die Palästinenser-Fahne brauchte, um auch die des Heiligen Stuhls aufzuziehen, ist ein Hinweis auf die von Israel kritisierte Dominanz des Themas Palästinenser in den Vereinten Nationen. (Gudrun Harrer, 8.11.2023)