Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz
Olaf Scholz musste zunächst im Kanzleramt auf die Ministerpräsidenten der Länder warten. Dann war er aber mit dem Kompromiss sehr zufrieden.
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In Berlin holte so mancher am Dienstagmorgen noch ein wenig Schlaf nach, da hatte einer in München schon etwas klarzustellen. "Um eine wirksame Begrenzung der Zuwanderung zu erreichen", würden diese Schritte nicht ausreichen, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.

Ihm fehlt auch eine "Integrationsgrenze" von 200.000 Geflüchteten jährlich. Auf diese aber hatte sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Treffen zwischen Bund und Ländern nicht eingelassen.

Es waren ohnehin mühsame Verhandlungen, und sie hatten sich durch einen ungewöhnlichen Start ausgezeichnet: Eigentlich hätten die Ministerpräsidenten der 16 Länder am Montag um 15 Uhr bei Scholz im Kanzleramt eintreffen sollen, nachdem sie sich schon stundenlang abgestimmt hatten. Doch sie ließen den Kanzler drei Stunden warten, weil sie untereinander so viel Gesprächsbedarf hatten.

Über Planungsbeschleunigung und das Deutschlandticket wurde dann bei Scholz auch noch beraten, ehe endlich das "heiße" Thema Asyl auf die Tagesordnung kam. "Das waren jetzt wirklich interessante 17 Stunden, mit Höhen und Tiefen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, als um 2.30 Uhr in der Nacht dann endlich ein Ergebnis vorlag. Scholz zeigte sich zufrieden und meinte: "Ich will nicht zu große Worte gebrauchen, aber ich glaube schon, dass das hier ein sehr historischer Moment ist." Denn: "Unser gemeinsames Ziel ist, die irreguläre Migration zurückzudrängen."

Verfahren außerhalb der EU

Auf Druck der Union will die Bundesregierung nun doch prüfen, ob Asylverfahren außerhalb von Europa, in Transit- oder Drittstaaten, möglich sein können. Dies ist die größte Überraschung, weil sich das Scholz und viele Sozialdemokraten bisher nicht vorstellen konnten. Betont wird bei, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention geachtet werden sollen. Welche Länder für eine solche Prüfung infrage kommen könnten, ist unklar.

Und Scholz hat bei der Pressekonferenz auch seine Skepsis deutlich gemacht. Er sagte: "Man muss am Ende des Tages jemanden finden, der das gemeinsam mit einem voranbringen will. Das ist nicht so leicht. Außerdem gibt es ja eine ganze Reihe an rechtlichen Fragen, deshalb haben wir uns ja auf eine Prüfung verständigt." Niedersachsen und Thüringen (von einem Sozialdemokraten und einem Linken geführt) machten in einer Protokollerklärung deutlich, dass der Schutzstatus in einem Nicht-EU-Staat nur geprüft werden dürfe, wenn sich Schutzsuchende freiwillig dorthin begäben.

Ein weiterer Punkt ist die Straffung von Asylverfahren, die in manchen Fällen derzeit bis zu drei Jahre dauern. Man will künftig auf maximal sechs Monate kommen. Geht es um Geflüchtete aus Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, sollen die Verfahren binnen drei Monaten abgeschlossen sein.

Weniger Geld für Geflüchtete

Geeinigt haben sich Bund und Länder auch auf Leistungskürzungen für Asylwerber und -werberinnen. Sogenannte Analogleistungen in Höhe der Sozialhilfesätze sollen sie künftig erst nach 36 Monaten bekommen, nicht nach 18 wie bisher. Leistungen in staatlichen Unterkünften (Verpflegung) werden auf die Zahlungen angerechnet. Finanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, das spare nicht nur Geld, es werde "auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert".

Dies soll noch mit einer weiteren Maßnahme geschehen: Ab 2024 sind für Geflüchtete "Bezahlkarten" geplant, mit denen sie bargeldlos einkaufen können. Vor allem der Union war es wichtig, Möglichkeiten einzuschränken, dass Geld ins Heimatland zurückgeschickt wird.

Eine Einigung gibt es auch im Streit über die Finanzierung zwischen Bund und Ländern. Statt der bisherigen jährlichen Gesamtsumme zahlt der Bund künftig für jeden Antragsteller und jede Antragstellerin eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro. Den Übergang zum "atmenden System" erklärte Scholz so: "Mit steigenden Zahlen gibt's mehr Geld, mit sinkenden Zahlen gibt's weniger."

Mit den Ministerpräsidenten vereinbarte der Kanzler auch, die Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Polen und Tschechien beizubehalten, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen.

Auch die CDU ist, so wie die CSU, nicht zufrieden. "Ich glaube nicht, dass es zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation führen wird", sagt Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Er kritisiert vor allem, dass kein Stopp der freiwilligen Aufnahmeprogramme – etwa mit Afghanistan – beschlossen wurde. (Birgit Baumann aus Berlin, 7. November 2023)