Till Lindemann hat ein neues Soloalbum veröffentlicht. Es heißt
Till Lindemann hat ein neues Soloalbum veröffentlicht. Es heißt "Zunge".
Youtube/Lindemann

Endlich! Ein Lindemann-Artikel. Es hatten einen ja schon Phantomschmerzen geplagt. Doch anders als zuletzt geht es dieses Mal um Musik, denn der in den Sommermonaten von weiblichen Fans mit Missbrauchsvorwürfen konfrontierte Sänger von Rammstein hat eben ein neues Album veröffentlicht. Als Lindemann - so nennt sich sein Soloprogramm. Das hat er 2015 mit dem mittlerweile wieder ausgestiegenen Peter Tägtgren gegründet, dem Chef der schwedischen Metal-Band Hypocrisy.

Das neue Album heißt wie die schon vorab veröffentlichte Single - Zunge - und hätte einen in die Zwickmühle bringen können. Was, wenn es ein Meisterwerk geworden wäre? Ein Hochamt aus Dichtkunst und Tonsetzerei? Doch diesbezüglich kann Entwarnung gegeben werden. Zunge ist - äh - harte Stangenware, artverwandt dem Schablonen-Metal von Rammstein, ja, man fragt sich, warum macht das nicht Rammstein, aber diesen Kopf muss und will man sich nicht zerbrechen. Entstanden ist es vor den leidlich bekannten Anschuldigungen, wer in den Texten Reaktionen darauf erwartet, wird nicht fündig werden.

Tanzlehrerin
Till Lindemann - Topic

Zunge also. Mit Liedern wie Lecker, Altes Fleisch oder Nass, denen der 60-jährige deutsche Musiker und Berufsprovokateur auf seine Art Genugtuung widerfahren lässt. Wobei seine Texte selbst simplen Gemütern zu eindeutig sein dürften, wenn er reimt: "Ich hab den Schwanz wieder drin, in meiner Tanzlehrerin". Mit rollendem Rrrrrr singt Lindemann derlei zu einer akustischen Gitarre, es klatschen Hände, das soll einen Flamenco antäuschen.

Am Schluss kommt das Ende

Was Lindemann unter eigenem Namen veröffentlicht, ist eine Art akustisches Special Interest Magazin, das, sagen wir, den originellen Titel "Sex" tragen könnte. Da reimt er dann im Lied Nass "Rotes Meer" auf "Geschlechtsverkehr", vorgetragen in lüsternem Idiom, mit dem er sich zwar selber auf die Schaukel nimmt, aber die Schaukel schlägt niveaumäßig nicht sehr hoch aus. Es kalauert derbe, das reicht. Die Musik ist ein Verschnitt aus Metal, 1990er-Jahre Industrial und Großraumdisco.

Uff, wie viele Zeilen noch?

Ja, und dann kommt am Schluss des Albums endlich das Ende. Das beschließt Lindemann mit der Ballade Selbst verliebt. Eine Form der Zeitgeistpflege, steht doch die Eigenliebe gerade bei Sensiblen hoch im Kurs. Lindemanns lyrisches Ich betrachtet sich in dem Lied im Spiegel, erkennt die Defizite seiner Schönheit, zu nah kam er zu oft dem Feuer, aber sich "selber ficken", dazu reicht das Begehren allemal.

Selbst verliebt
Till Lindemann - Topic

Da ist er wieder in seinem Interessenkäfig. Dann ist es aus, und man möchte zwar nicht gleich duschen oder mit der Bleiche gurgeln, aber Zunge auch nicht unbedingt erneut anhören. Es bleibt einem hierzulande auch die laufende Lindemann-Tournee erspart; die nach Konzertverboten Schreienden können beruhigt ihrem Ekel frönen, müssen aber nicht auf die Demo. Lindemann tourt vornehmlich durch nord- und osteuropäische Staaten. Mit Rammstein kommt er erst nächstes Jahr wieder - nach Klagenfurt. (Karl Fluch, 7.11.2023)