Emma Corrin und Harris Dickinson in
Emma Corrin und Harris Dickinson in "A Murder at the End of The World" ab 14. November auf Disney+.
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40.000 nicht identifizierte Leichen in den USA. Die Hälfte davon betrifft ungelöste Mordfälle, ein Opfer läuft unter dem Namen "Jane Doe" und ist Objekt des Interesses der Hackerin Darby. Gefunden wurden von ihr nur noch Knochen und ein Paar silberner Ohrringe. "Silver Doe" heißt folglich das Buch, in dem Darby ihre Erlebnisse aufgeschrieben hat, die Geschichte der Jane Doe, die Geschichte von Darby und Bill, der half, das Geheimnis zu erforschen. Das ist die eine Story der sechsteiligen Serie "A Murder at the End of the World", ab 14. November auf Disney+.

A Murder at the End of the World | Official Trailer | FX
FX Networks

Die andere Story betrifft eine Einladung des mysteriösen Milliardärs Andy Ronson (Clive Owen) auf sein entlegenes Anwesen im fernen Island. Am Gästetisch sitzt Darby mit acht der besten IT-Expertinnen und -Experten. Die sollen mit vereinten Technokräften Möglichkeiten zur Rettung der Menschheit finden. Das allein ist schon keine Kleinigkeit, umso schwieriger wird das Unterfangen, wenn die Arbeit durch einen Todesfall gestört wird. Als einer der anderen Gäste tot aufgefunden wird, muss Darby all ihre Fähigkeiten einsetzen, um zu beweisen, dass es sich um ein Verbrechen handelt.

Anders als bei Agatha Christie

Was in den nächsten Episoden abläuft, ist seit Agatha Christie unter neuem Titel "And Then There Were None" und einem heute nicht mehr passenden deutschen Titel hinreichend bekannt. Dass die Morde vom üblichen Whodunit-Pfad abweichen, dafür garantieren die Beteiligten. Brit Marling, Zal Batmangli und Emma Corrin gehören zu den spannendsten Erscheinungen im US-Serienbusiness. Marling und Batmangli, weil sie mit der Serie "The OA" eines der herausragendsten und verstörendsten Sci-Fi-Dramen geschaffen haben. Corrin, weil sie als nonbinäre Schauspielerin zu den ganz großen Talenten zählt.

Zu den Personen

Brit Marling hat sich als erfolgreiche Autodidaktin einen Namen gemacht. Die 41-jährige US-Amerikanerin studierte Wirtschaft, arbeitete in einer Bank und jonglierte täglich mit Zahlen, "bis Mitternacht, auch samstags", wie sie in einem Interview mit dem STANDARD erzählte. Bis ihr in einem kurzen, aber umso einprägsameren Moment "bewusst wurde, was ich da tue und dass ich ganz schnell hier rausmusste". Marling kündigte, ging nach L.A. zum Film. 2004 schrieb sie ihren ersten Kurzfilm, 2011 entstand mit Mike Cahill das Science-Fiction-Drama "Another Earth". 2022 produzierte sie die Filmbiografie von Tennisstar Venus Williams' Vater Richard. In der Disney-Produktion "A Murder at the End of the World" spielt sie selbst die Frau des Gastgebers.

The OA | Official Trailer [HD] | Netflix
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Zal Batmangli wurde 1981 in Frankreich als Sohn iranischer Eltern geboren und wuchs in Washington, D.C., auf. Auch er kam später zum Film. Der studierte Anthropologe und Anglist belegte gemeinsam mit Mike Cahill einen Drehbuchkurs und führte gemeinsam Regie bei einem Kurzfilm. Den sah Brit Marling und fragte, ob sie mit ihnen zusammenarbeiten könne. Für seine Abschlussarbeit drehte Batmangli den 35mm-Kurzfilm "The Recordist" (2007), in dem Marling die Hauptrolle spielte.

Die 27-jährige Britin Emma Corrin hat für ihre Darstellung der Lady Diana in der vierten Staffel von "The Crown" einen Golden Globe gewonnen. Im Jahr 2022 wurden sie der erste nichtbinäre Coverstar der Zeitschrift "Vogue".

Die Erzählung spielt auf drei Ebenen. Darby als Kind, das durch ihren Vater und Gerichtsmediziner früh mit Mord und Totschlag in Kontakt kommt, später, als sie selbst den ungelösten Fall der "Silver Doe" recherchiert und schließlich als Jungautorin in den abgeschlossenen Räumen ihrer eisigen Festung. In kalter, lebensfeindlicher Ästhetik werden diese Abschnitte geschildert. Dass Technologie die Welt nicht retten wird, so viel darf man verraten. Darby tut sich mit der Gattin des Milliardärs zusammen, gespielt von Marling selbst, die ebenfalls eine flinke Hackerin ist, was sich als überaus praktisch erweist.

Bedrohliche KI

Denn in diesem ziemlich stark verknoteten und zwischendurch an Längen leidenden Fall kommt die trickreiche Komponente der künstlichen Intelligenz dazu. Bei ihren Untersuchungen wendet sich Darby immer wieder an Ronsons persönlichen KI-Assistenten Ray (Edoardo Ballerini). Aber wie sehr kann sie dieser Verbindung vertrauen?

Wenn die Gäste beim Abendessen über künstliche Intelligenz und die teils bedrohlich wirkenden Fortschritte in diesem Bereich diskutieren, hat das angesichts der jüngsten Diskussionen über deren Einsatz in Filmen und Serien wie diesem eine besondere Wirkung.

Wie KI das Schauspiel ändert, treibt gerade Schauspieler in Hollywood um. Drehbuchautoren und Schauspieler haben dafür monatelange gestreikt. Wie ändert KI die Werke, wenn sie selbst zum Akteur wird? Für kreative Köpfe in der Filmbranche eröffnen sich dadurch zig Ideen für eine neue Art der Erzählung. HAL war nicht das Ende. (Doris Priesching, 11.11.2023)