Schwarze Löcher, Entstehung
Die Aufnahme enthält das fernste je entdeckte supermassereiche Schwarze Loch.
Foto: Chandra X-ray Center

Im vergangenen Juli haben Forschende die Entdeckung des bis dahin frühesten Schwarzen Lochs verkündet. Der Schwerkraftgigant mit einer Masse von neun Millionen Sonnen war mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) im Zentrum der Galaxie CEERS 1019 erspäht worden und dürfte bereits 570 Millionen Jahre nach dem Urknall existiert haben. Nun wurde dieser Rekord von einem noch älteren Artgenossen übertrumpft: Ebenfalls mit dem JWST entdeckten Astronomen ein Schwarzes Loch, das bereits gut 100 Millionen Jahre früher seinen enormen gravitativen Einfluss entfaltet hat.

Das neue früheste Schwarze Loch sitzt im Zentrum der Galaxie UHZ1 und hatte 470 Millionen Jahre nach dem Big Bang bereits ebenso viel Masse angesammelt wie seine Wirtsgalaxie drum herum. Die Entfernung zwischen der Erde und diesem Objekt sprengt jede Vorstellungskraft: Das Licht, das seine Heimatgalaxie aussendet, war rund 13,2 Milliarden Jahre unterwegs. Dass man es dennoch wahrnehmen konnte, ist der kombinierten Leistungsfähigkeit des Chandra-Röntgenobservatoriums, des James-Webb-Weltraumteleskops und einem hilfreichen Effekt der Relativitätstheorie zu verdanken.

Schwarze Löcher, Entstehung
Diese Grafik zeigt, wo genau sich das ferne Schwerkraftmonster befindet. Das Licht von diesem Objekt benötigte für die Anreise 13,2 Milliarden Jahre.
Foto/Illustr.: NASA/CXC/SAO/Ákos Bogdán/ESA/CSA/STScI/L. Frattare & K. Arcand

Aus riesigen Gaswolken geboren

Wie solche gewaltigen Schwarzen Löcher so bald nach dem Urknall bereits vorhanden sein konnten, stellt nach wie vor ein Rätsel dar. Doch das Entdeckerteam um den Astrophysiker Akos Bogdan vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hat bereits eine Theorie: Die Forschenden sehen in der Existenz des Schwarzen Lochs im Zentrum von Galaxie UHZ1 einen Beleg dafür, dass supermassereiche Schwarzer Löcher das Resultat einer kollabierenden riesigen Gaswolke sind.

"Es gibt physikalische Grenzen dafür, wie schnell Schwarze Löcher wachsen können, wenn sie einmal entstanden sind, aber diejenigen, die massereicher geboren werden, haben einen Vorsprung", sagte Andy Goulding von der Princeton University, der an der demnächst im Fachjournal "Nature Astronomy" präsentierten Studie beteiligt ist. "Es ist so, als würde man mit einem größeren Pflänzchen beginnen. Dieses braucht auch weniger Zeit, um zu einem Baum heranzuwachsen, als wenn man nur mit einem Samen startet."

Blick in die Ferne

Obwohl das Wachstum dieser supermassereichen Objekte im Detail immer noch ein Mysterium darstellt, scheint eines allmählich immer klarer zu werden: Es gibt viel mehr von ihnen im frühen Universum, als Astrophysiker bisher erwartet haben. Und sie sind viel zu gewaltig, als dass sie so kurz nach dem Urknall aus etwas von der Masse eines herkömmlichen Sterns hervorgegangen sein könnten. Der beste Weg, diese Rätsel zu lösen, besteht darin, einen genauen Blick auf diese frühen Schwerkraftgiganten zu werfen – doch das ist leichter gesagt als getan.

Video: Das bislang älteste supermassive Schwarze Loch.
Chandra X-ray Observatory

Selbst das JWST ist als derzeit leistungsstärkstes Weltraumteleskop nicht alleine dazu in der Lage, so weit in die Zeit zurückzublicken. Um die Galaxie UHZ1 aufzuspüren, nutzten Bogdan und sein Team daher eine Besonderheit der Relativitätstheorie, eine sogenannte Gravitationslinse. Dieses Phänomen ergibt sich aus großen Massen, die sich im Vordergrund von zu beobachtenden Objekten befinden, beispielsweise Galaxienhaufen. Diese Schwerkraftansammlungen verzerren durch ihre Gravitationskraft die Raumzeit und verändern dabei auch das Licht, das von viel weiter entfernten Orten zu uns gelangt. Idealerweise kommt es dabei zu einem vergrößernden Linseneffekt.

Galaxienhaufen als Lupe

Im Fall von UHZ1 fungiert der Einfluss eines etwa 3,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufens namens Abell 2744 als Lupe. Während die Forschenden die vierfache Vergrößerung durch Abell 2744 nutzten, um die Galaxie UHZ1 mit dem JWST im Infrarotlicht zu beobachten, war man mit dem Chandra-Weltraumteleskop in der Lage, die Röntgenstrahlung zu erkennen, die von dem Gas ausgesandt wird, das um das supermassive Schwarze Loch in seinem Zentrum herumwirbelt.

Aufgrund dieser Beobachtungen schätzten Bogdan und sein Team die Masse des Schwarzen Lochs auf etwa das Zehn- bis 100-Millionen-Fache der Masse der Sonne. Und das entspricht ungefähr der gleichen Masse wie der Rest der Sterne in der Galaxie UHZ1 zusammen, schreiben die Forschenden in ihrer Arbeit, die bereits auf dem Preprintserver arXiv vorab veröffentlicht wurde. Dieses Verhältnis deutet darauf hin, dass sich UHZ1 und sein zentrales Schwarzes Loch noch in einem sehr jungen Stadium befinden – und es untermauert die Vermutung, dass der Keim des frühen supermassereichen Schwarzen Lochs unmittelbar durch einen Kollaps entstand und nicht durch langsame Akkretion.

Schwarze Löcher, Entstehung
Die Astrophysiker vermuten, dass die ersten supermassiven Schwarzen Löcher im Kosmos durch den Kollaps riesiger Gaswolken entstanden sein könnten.
Illustr.: NASA/STScI/Leah Hustak

Bisher bester Beweis

"Wir glauben, dass dies der bisher beste Beweis dafür ist, dass zumindest einige Schwarze Löcher aus massiven Gaswolken entstehen", sagte der Astrophysiker Priyamvada Natarajan von der Yale University, Co-Autor der Studie. Das heißt zwar nicht, dass das Modell des langsamen Wachstums für die Entstehung von supermassiven Schwarzen Löchern nicht auch zutreffen kann, schreiben die Forschenden. Aber die aktuellen Beobachtungen deuten darauf hin, dass zumindest im sehr frühen Universum der direkte Kollaps von sehr großen Gaswolken der beste Weg ist, um ein gigantisches Schwarzes Loch hervorzubringen. (Thomas Bergmayr, 8.11.2023)