Eines der Bilder, das Webb im Zuge des Programms Cosmic Evolution Early Release Science (CEERS) aufgenommen hat.
NASA, ESA, CSA, S. Finklestein, M. Bagley, R. Larson (UT), and A. Pagan (STScI)

570 Millionen Jahre mögen nach einer langen Zeitspanne klingen. Für ein supermassives Schwarzes Loch ist es aber kurz: Diese Giganten haben meist Massen, die das Milliardenfache jener unserer Sonne betragen. So schwer zu werden braucht Ewigkeiten, auch für ein Schwarzes Loch, das alles in der Umgebung verfügbare Material in sich hineinsaugt.

Das nun vom James-Webb-Weltraumteleskop entdeckte Schwarze Loch ist also ungewöhnlich. Das neue Objekt sitzt im Zentrum der Galaxie CEERS 1019, deren Name sich von einem Beobachtungsprogramm des Webb-Teleskops ableitet. Das Cosmic Evolution Early Release Science Survey soll eigentlich nur eine Vorbereitung für genauere Untersuchungen und unter anderem Ziele für spektroskopische Untersuchungen sein, bei der die Zusammensetzung des Lichts analysiert wird. Doch aufgrund der Leistungsfähigkeit von Webb kommt es schon jetzt zu außergewöhnlichen Entdeckungen. Die Ergebnisse wurden nun in einer Reihe von Arbeiten im Fachjournal "Astrophysical Research Letters" veröffentlicht.

Leichtgewicht

Das neue Schwarze Loch mag mit neun Millionen Sonnenmassen unvorstellbar schwer sein, im Vergleich zu anderen supermassiven Schwarzen Löchern ist es aber eher leicht, vergleichbar mit dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße, das die 4,6-Millionen-fache Masse unserer Sonne hat. Neben CEERS 1019 wurden elf weitere Galaxien, die zwischen 470 und 670 Millionen Jahre nach dem Urknall existierten, entdeckt. Schwarze Löcher konnten dort nicht nachgewiesen werden, doch das Team berichtet vom Fund zweier weiterer Schwarzer Löcher in ähnlicher Größe etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.

Ein Bild der Galaxie, in deren Zentrum das Schwarze Loch sitzt, zusammen mit anderen Daten, die das Webb-Teleskop gesammelt hat.
NASA, ESA, CSA, Leah Hustak (STScI)

Die Forschenden sind von den Möglichkeiten des Webb-Teleskops begeistert. "Die Betrachtung dieses weit entfernten Objekts mit diesem Teleskop ist vergleichbar mit der Betrachtung von Daten Schwarzer Löcher, die in Galaxien nahe unserer eigenen existieren", sagt Rebecca Larson. "Es gibt so viele Spektrallinien, die wir analysieren können!" Die Unterscheidung der Spektrallinien der Galaxie und des Schwarzen Lochs war eine besondere technische Herausforderung gewesen.

Nicht nur das Schwarze Loch, auch die Galaxie CEERS 1019 selbst ist ungewöhnlich. "Wir sind es nicht gewohnt, bei diesen Entfernungen so viel Struktur auf Bildern zu sehen", sagt Jeyhan Kartaltepe vom Rochester Institute of Technology in New York. "Eine Galaxienverschmelzung könnte teilweise dafür verantwortlich sein, die Aktivität im Schwarzen Loch dieser Galaxie anzuheizen, und das könnte auch zu einer verstärkten Sternbildung führen."

Eine Einordnung des Alters der neu entdeckten aktiven Galaxienkerne im Vergleich zu den bisher ältesten bekannten.
NASA, ESA, CSA, Leah Hustak (STScI)

Rätsel des frühen Universums

Dass es im frühen Universum Schwarze Löcher gegeben hat, war bereits vermutet worden. Doch das Webb-Teleskop ist nun in der Lage, sie aufzuspüren. "Wir wissen seit langem, dass es im frühen Universum Schwarze Löcher geringerer Masse geben musste. Webb ist das erste Teleskop, das sie so klar erfassen kann", sagt Dale Kocevski vom Projektteam. "Jetzt denken wir, dass es überall Schwarze Löcher mit geringerer Masse geben könnte, die nur darauf warten, entdeckt zu werden."

Die Entdeckung immer älterer Schwarzer Löcher nährt Hoffnungen, irgendwann auch solche zu finden, die nicht durch Sternenexplosionen entstanden. Solche primordialen Schwarzen Löcher könnten Reste des Urknalls sein. In diesem Fall könnten sie auch in einer noch früheren Phase des Universums existiert haben, als das All von Gas erfüllt war und in die unsere Teleskope keinen Einblick haben. Existieren sie wirklich, sind sie ein Hoffnungsträger für die Gravitationswellenastronomie. Gravitationswellen könnten die undurchsichtige Wand aus interstellarem Gas durchdringen und uns von einer Zeit berichten, als das Universum noch jung war. Eine erste mögliche Spur solcher Gravitationswellen wurde vor kurzem gefunden. (Reinhard Kleindl, 7.7.2023)