Lucia (Brigitte Hobmeier) entdeckt eine Leiche am Südtiroler Muttstein, Valentina (Marie-Luise Stockinger) und Alma (Laeni Geiseler) sind schockiert. Die Serie
Lucia (Brigitte Hobmeier) entdeckt eine Leiche am Südtiroler Muttstein, Valentina (Marie-Luise Stockinger, rechts) und Alma (Laeni Geiseler) sind schockiert. Die Serie "Schnee" startet am 13. November mit drei Folgen auf ORF 1.
ORF/BR/Primary Pictures/Oliver Oppitz

Das Leben auf dem Land hat sich Lucia anders vorgestellt. Weg von der Stadt, raus aus dem stressigen Spital, wo sie als Ärztin arbeitete, frische Luft für das asthmakranke Kind, eine kleine Arztpraxis, freundliche Leute, glücklicher Ehemann, der selig ist, weil er in sein Heimatdorf Rotten in den Südtiroler Bergen heimkehrt, die Schwiegermutter, die sich freut, weil jetzt alle wieder "zsamm" sind, und der Schwiegervater, der hofft, dass es durch den geplanten und endlich auch bewilligten Bau einer neuen Seilbahn für den Ort und sein veraltetes, leerstehendes Hotel wieder bergaufgeht. Es fühlt sich richtig und gut an, hier zu sein.

Aber nicht lange, denn schon kurz nach Ankunft von Lucia (Brigitte Hobmeier), Matthi (Robert Stadlober) und den beiden Kindern Alma (Laeni Geiseler) und Jonas (Paolo Di Sapia) mehren sich Zwischenfälle. Die Tochter hat Begegnungen mit einer Frau, die vor Jahren aus dem Dorf verschwunden ist. Ebenjener Frau, die kurze Zeit später die schmelzenden Gletscher freigeben und die, wie sich herausstellt, ermordet wurde. Die realistische, aber auch besorgte Lucia eckt mit ihrem modernen Lebensstil an und hat schließlich ihrerseits Geistererscheinungen, was der Ehe nicht gerade guttut, und dann ist da noch der Klimawandel. Für den touristischen Aufschwung bräuchte es im Winter Schnee. Und der kommt nicht. Weshalb die neue Seilbahn hoch hinauf muss, wofür wieder ein Berg weggesprengt werden soll. Das regt im Dorf auf, wie das Wetter in den Bergen schlägt die Stimmung schnell um.

Tiefe Schluchten

Es ist eine strenge, enge Welt, in der sich die Serie "Schnee" ab 13. November im ORF und ab 16. auf Arte abspielt und aus der Lucia ab einem gewissen Punkt rauswill und nicht kann. Mit jedem Versuch zu entkommen werden die Schluchten jedoch tiefer und unüberwindbarer. Praktisch in jedem Bild drückt sich diese erschöpfende Schwere aus, die von den Bergmassiven auf die hermetische Familie überzugehen scheint. Die Kamera von Leah Striker ist mit ein Grund, warum "Schnee" eine faszinierende Mischung aus Mystery, Landkrimi und Familiendrama geworden ist.

*Entwickelt wurde die Serie von Michaela Taschek, die auch die Idee dazu hatte. Unterstützung bekam sie dabei von der im September 2021 verstorbenen Produzentin Ursula Wolschlager und Filmemacherin Barbara Albert, die die Produktion gemeinsam mit Produzentin Gabriela Bacher auch künstlerisch begleiteten. Regie führten Catalina Molina und Esther Rauch. **DER STANDARD sah die Folgen 1 und 3-

Ausweglose Situationen

"Wir haben uns die Frage gestellt, wie viel Mystery wir in 'Schnee' haben wollen. Geht es darum, zu zeigen, ihr seid jetzt in dieser Zwischenwelt, oder wollen wir diese Leute als Menschen wie du und ich erzählen", erzählt Regisseurin Molina im Gespräch mit dem STANDARD. Molina hat Letzteres interessiert: "Wie man peu à peu in eine ausweglose Situation hineinrutschen kann."

Gedreht wurde viel im Südtiroler Schnalstal. Die Herausforderungen der Elemente bekam das Team zu spüren: Die Kälte habe ihr zugesetzt, erzählt Molina, die zwei Folgen inszenierte. Das wahre Problem betraf jedoch das genaue Gegenteil und hängt mit dem Kilmawandel zusammen: Drehplanverschiebungen führten dazu, dass die beiden ersten Folgen im April zuletzt gedreht werden mussten. Für düstere Mystery und Mord sind strahlender Sonnenschein, Blumenwiese, Schmetterlinge und Vogelgezwitscher eher kontraproduktiv. Die Postproduction hatte gut zu tun.

Die Ohnmacht gegenüber der Natur

Molina kam erst spät dazu. Ursprünglich war Albert für die Regie vorgesehen. Ein anderes Projekt kam in die Quere. Albert beriet zwar weiterhin und war in der Entwicklung tätig, musste aber als Regisseurin absagen. Von Anfang an dabei war Esther Rauch, sie inszenierte die Folgen drei bis sechs. "Die Ohnmacht gegenüber der Natur" wollte sie in "Schnee" ausdrücken. "Was es heißt, in diesem Berg zu sein und zu merken, wie klein man als Mensch ist", habe sie fasziniert – und welche Folgen es hat, "diese Kleinheit und Enge zu verlassen und sich diesen Elementen preiszugeben, und wo sich zeigt, was das eigentlich Gefährliche ist: in einem System und in einem Alltag zu stecken, anstatt tatsächlich herauszufinden, wer man ist."

Mystery und Klimawandel standen bei der Inszenierung für Rauch nicht im Vordergrund der Erzählung: "Es ging mir um die Reise einer Frau, die sehr pragmatisch und sehr faktisch ist, und darum, was mit ihr passiert, wenn sie sich darüber hinwegsetzt. Lucia folgt ihrer Intuition, sie geht ihrem Gefühl nach und lebt aus, was Frauen ganz oft als negativ angelastet wird – empathisch zu sein, etwas zu spüren, es nicht benennen zu können, aber zu wissen, dass es wahr ist." Rauch wollte "diesen Weg mit ihr gehen, an dem sie plötzlich bereit ist, Gelerntes über Bord zu werden". (Doris Priesching, 8.11.2023)

*Update 13.11.2023: Die Credits wurden aktualisiert. Der ORF gibt an: "Entwickelt wurde die Geschichte von Michaela Taschek gemeinsam mit der im September 2021 verstorbenen Produzentin Ursula Wolschlager und Filmemacherin Barbara Albert, die die Produktion künstlerisch begleitete, sowie Produzentin Gabriela Bacher. Die Drehbücher stammen von Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof sowie Michaela Taschek, basierend auf ihrer Idee."

**Update 13.11.2023: Die Serienrezension basiert auf den zwei Folgen, die DER STANDARD vorab sah und betrifft nicht das Gesamtergebnis.