Älterer Arbeitnehmer
Arbeiten bis ins hohe Alter, ein Wunschbild der ÖVP. Doch das ist nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch eine des Könnens.
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Alle Pensionsschock-Gefährdeten, die sich für unersetzbar halten und ohne Arbeit partout nicht leben können, dürfen sich freuen: Auf Betreiben der ÖVP wird die Regierung jenen Menschen Beiträge zur Sozialversicherung erlassen, die neben dem Bezug der Alterspension weiter im Berufsleben bleiben. Das kann Betroffenen ein Zubrot von etwa 1.000 Euro netto pro Jahr bescheren. Aber wird der finanzielle Motivationsschub, wie von den Erfindern intendiert, auch den laufend beklagten Fachkräftemangel lindern? Wohl kaum.

Befragungen und andere Indizien deuten darauf hin, dass es bei der Entscheidung über Arbeit oder Ruhestand in erster Linie nicht ums Geld geht. Von jenen, die nicht ohnehin vom Arbeitgeber zum frühestmöglichen Pensionsantritt gedrängt werden, ziehen offenbar viele deshalb das Altenteil vor, weil sie vom Job genug haben – zumindest unter den gebotenen aufreibenden Bedingungen. An diesen ändert ein Bonus nichts.

Erwartbarer Mitnahmeeffekt

Zu erwarten ist deshalb, dass die finanzielle Entlastung außer einem Mitnahmeeffekt wenig auslöst: Profitieren werden vielfach Menschen, die ohnehin weitergearbeitet hätten. Dem zweifelhaften Nutzen für die Allgemeinheit stehen dabei garantierte Kosten gegenüber. Weil Beiträge für das Pensionssystem ausfallen, wird der Staat mehr Steuergeld zuschießen müssen. Man darf gespannt sein, ob in Zukunft dann nicht gerade wieder Wirtschaftsvertreter aus der ÖVP zu hohe Ausgaben beklagen.

Um das Pensionssystem zu stützen und die Personalnot zu bekämpfen, sollte die Regierung Förderungen und Kreativität auf andere Gruppen konzentrieren: jene, die im erwerbstätigen Alter stehen, aber am Arbeitsmarkt nicht (ausreichend) Fuß gefasst haben – Frauen in Teilzeit etwa oder Ältere ohne Job. Unternehmen müssen für Bedingungen sorgen, die gesundes und zufriedenes Arbeiten bis zur regulären Pension ermöglichen. Denn Daten zeigen: Gerade auch in Branchen, wo Klagen über die schwierige Personalsuche besonders laut ertönen, liegt der Anteil von Beschäftigten 55 plus unter dem Durchschnitt. (Gerald John, 9.11.2023)