Karl Nehammer in der Bildmitte, rechts und links von ihm zwei Wegabeamte
Am 9. November 2020 gab Karl Nehammer, damals noch Innenminister, einen großen Schlag gegen den politischen Islam mit Razzien im Milieu der Muslimbrüder bekannt.
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Vor genau drei Jahren erklärte der damalige Innenminister Karl Nehammer, dass er erfolgreich gegen die Hasssäer und Finanzierer von Radikalisierung und Terrorismus vorgegangen sei. Er habe die Wurzeln des politischen Islams gekürzt. Mit 1.000 Einsatzkräften wurde eine großangelegte und eineinhalb Jahre geplante Polizeirazzia, die Operation Luxor, durchgeführt. Die 116 Beschuldigten – einer davon der Autor dieses Textes – seien Terroristen, eine kriminelle und staatsfeindliche Organisation, die mitunter in Mord und Entführung verwickelt seien und islamische Enklaven in Europa errichten wollten, letztendlich sogar ein weltweites Kalifat. Heftige Anschuldigungen also. Aber mit keinerlei Beweisen. Es kam so auch zu keiner einzigen Festnahme, keiner einzigen U-Haft, keiner einzigen Anklage. Beschuldigt wurden aber bekannte Namen, mitunter ein ehemaliger Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

Drei Jahre später ist nichts übrig außer Verfahrenseinstellungen. Das Oberlandesgericht (OLG) urteilte bereits im Juli 2021, dass es keinen Anfangsverdacht gegeben hat, der die Razzia überhaupt legitimiere. Aber anstatt Versagen des ermittelnden Nachrichtendienstes und des Staatsanwaltes einzugestehen und die Verfahren einzustellen, versteckten sich die politisch Verantwortlichen und übernahmen keinerlei Verantwortung. Drei Jahre später wirft die Operation mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt.

Türkise Islampolitik

Was also war der Schlag gegen den politischen Islam? Viele sahen darin lange Zeit lediglich ein kommunikatives Ablenkungsmittel des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Bedingt stimmt das. Aber es war mehr als das. Kurz führte seine Islampolitik mit der FPÖ ebenso wie mit den Grünen weiter fort und zeigte: Die Sichtbarkeit von Muslimen, muslimische Selbstorganisation abseits staatlicher Kontrolle und Kritik an dieser Politik haben einen Namen: politischer Islam.

Die Ermittlungsunterlagen des Verfassungsschutzes DSN (ehemals BVT) lesen sich stellenweise wie ein Verschwörungspamphlet, basierend auf Übersetzungsfehlern aus dem Englischen, Wikipedia-Einträgen, und nicht vertrauenswürdigen Zeugen. Zeugen, die zwischenzeitlich wegen ihrer Behauptungen rechtskräftig verurteilt wurden. Profane Taten werden zur Islamisierungsstrategie umgedeutet. Damit reihte sich die Operation Luxor in eine Kette antimuslimischer Gesetze und Maßnahmen ein, die wie das Kopftuchverbot und zahlreiche Moscheeschließungen allesamt von den Höchstgerichten aufgehoben wurden, in Teilen der Beamtenschaft aber scheinbar immer noch Anhänger finden.

Fragwürdige Gutachten

Die gedankliche Urheberschaft dieser Hysterie, die die Operation Luxor ermöglichte, wird von der Politik weiterhin kultiviert. Mit der Dokumentationsstelle Politischer Islam wurde sie sogar institutionalisiert. Die Gutachter und Experten, aufgrund deren fragwürdiger Gutachten die Operation Luxor begründet wurde, sitzen mehrheitlich im wissenschaftlichen Beirat und publizieren fleißig weiter. Die Regierung hilft dabei, dass diese Gedanken selbst auf europäischer Ebene geteilt werden. So, als wäre nie Unrecht geschehen.

Die Operation hat auch eine geopolitische Schlagseite. Investigative Recherchen des Profil haben gezeigt, dass ein privater Nachrichtendienst mit schmutzigen Methoden der Kampagnisierung aus der Schweiz im Vorfeld der Operation Informationen darüber an die Emiratis schickte. Wie kann das möglich sein? Gab es offizielle Kooperationen mit anderen Diensten? Dass ein Beschuldigter im Zuge einer Meldung bei Interpol in Ägypten verschwand, wirft alles andere als ein positives Licht auf die handelnde Behörde. Und tatsächliche Verstrickungen bleiben weiter im Dunkeln.

Politische Botschaft

Was bleibt übrig? Einerseits die unmittelbar Betroffenen: Kinder wurden traumatisiert. Vielen zu Unrecht Beschuldigten wurde die wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgrund der Einfrierung ihrer Konten und Beschlagnahmungen zerstört. Lehrer wurden von ihrer Arbeit freigestellt. Personen wurden nachhaltig in ihrem Ansehen beschädigt. Die politische Botschaft an die Muslime in Österreich war, dass sie in den Augen der Politik nicht als gleichberechtigt wahrgenommen werden. Ihre Schulen werden zu Terrorerziehungslagern umgedeutet. Ihre Kritik an Diskriminierung wird zur Terrorpropaganda umgedeutet.

"Ein Untersuchungsausschuss sollte die Operation Luxor lückenlos aufarbeiten."

Was lehrt die Operation Luxor? Dass politisch ungemütliche und kulturell nicht gewollte Menschen jederzeit mithilfe des Geheimdienstes und des Justizapparates erniedrigt werden können? Dass die Regierung entgegen jeder Unschuldsvermutung falsche Behauptungen (wie den Fund von 20 Millionen Euro) behaupten kann? Und dass all dies am Ende ein Skandal ohne Konsequenzen bleibt?

Das Verfahren muss für alle beendet werden. Ein Untersuchungsausschuss sollte die Operation Luxor lückenlos aufarbeiten. Als Konsequenz braucht es eine neue Islampolitik und ein deutliches Zeichen, dass dieser Weg der falsche war. (Farid Hafez, 9.11.2023)