Älterer Arbeitnehmer
Bis ins höhere Alter an der Werkbank stehen: Die ÖVP glaubt, dass arbeitsbereite Pensionistinnen und Pensionisten in Fachkräfte suchenden Unternehmen für Abhilfe sorgen könnten.
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Obwohl es sich um einen gemeinsamen Beschluss der Regierung handelt, geriet die Präsentation zu einem Alleingang der ÖVP. Das ist kein Zufall. Denn die Grünen halten von jenen Plänen, die mehr ältere Menschen zum Arbeiten über das Pensionsalter hinaus motivieren sollen, wenig.

Im Mittelpunkt stehen zwei Maßnahmen, die ÖVP-Klubchef August Wöginger und seine Parteifreundin Ingrid Korosec, Präsidentin des Seniorenbunds, vorgestellt haben. Einerseits geht es um Menschen, die trotz Erreichens des gesetzlichen Antrittsalters (Männer 65 Jahre, Frauen 60 Jahre) ihre Pension nicht beziehen, sondern weiterarbeiten. Der bisherige Zuschlag dafür wird von 4,2 auf 5,1 Prozent pro Jahr erhöht. Das ist in Regierung wie Opposition weitgehend unumstritten.

Video: Arbeiten in der Pension soll attraktiver werden.
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Auf der anderen Seite will die ÖVP auch jene belohnen, die bereits ihre Pension beziehen, aber nebenbei weiterarbeiten. Möglich ist das schon bisher. Doch künftig sollen den Betroffenen teilweise die Beiträge für die Pensionsversicherung erlassen werden. Dies gilt für einen Verdienst bis zur Höhe der doppelten Geringfügigkeitsgrenze, aktuell sind das etwa 1000 Euro.

Auf ein Jahr gerechnet würden sich arbeitende Pensionisten damit rund 1200 Euro an Beiträgen ersparen, kalkulieren Wöginger und Korosec und preisen eine Win-win-Situation an. Denn die verzweifelt nach Fachkräften suchenden Unternehmen könnten jeden willigen älteren Arbeitnehmer brauchen.

Die Hoffnung ist nicht grün

Markus Koza schließt sich dem Jubel nicht an. In einzelnen Fällen möge der neue Anreiz schon wirken, sagt der Sozialsprecher der Grünen, "aber die Hoffnung, dass sich damit der Fachkräftemangel beheben lässt, habe ich nicht". Die meisten Menschen hätten im Pensionsalter schlicht und einfach genug vom aufreibenden Berufsleben, glaubt er. Ein finanzielles Zuckerl wie dieses werde daran nichts ändern.

Warum die kleine Koalitionspartei dann zugestimmt hat? Koza führt zwei Gründe an. Erstens ist die Maßnahme auf zwei Jahre beschränkt, dann wird evaluiert. Denn Hilft’s nix, schadt’s nix gilt in dem Fall nicht. Schließlich soll der Staat die entgangenen Beiträge für das Pensionssystem mit Geld aus dem Budget ausgleichen, muss also höhere Kosten stemmen. Jene zusätzlichen Steuereinnahmen, die von den möglicherweise arbeitenden Pensionisten retour kommen, werden das nicht voll kompensieren.

Zweitens sollen entgegen den ursprünglichen Vorstellungen der ÖVP nur den Beschäftigten Beiträge erlassen werden, nicht aber den Arbeitgebern. So werde ein Verdrängungseffekt ausgeschlossen, sagt Koza. Denn würde ein Arbeitnehmer über 65 Jahren geringere Lohnnebenkosten für die Unternehmen verursachen, drohten jüngeren Menschen schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, so die Befürchtung.

Die Finanz frisst mit

Auch Christine Mayrhuber erwartet sich keinen allzu großen Effekt: "Dafür ist der Anreiz viel zu klein." Die Expertin verweist darauf, dass ein Teil des Bonus vom Finanzamt de facto wieder weggefressen werde: Wer weniger Sozialversicherungsbeiträge entrichte, zahle für das ersparte Geld Lohnsteuer.

Mayrhuber erwartet, dass viele profitieren werden, die ohnehin neben der Pension weitergearbeitet hätten. Für die große Masse aber gebe das Geld nicht den Ausschlag, sondern die Situation am Arbeitsplatz. Befragungen zeigten, dass viele angesichts der Belastung daran zweifelten, überhaupt bis zum Pensionsalter durchzuhalten.

Zur Einordnung: Von rund 1,9 Millionen Beziehern einer Alterspension sind derzeit etwa 56.000 mit einem Verdienst über der Geringfügigkeitsgrenze (aktuell 500 Euro) erwerbstätig. Inklusive Beamte erhöht sich die Zahl auf 60.000. Das Wifo beziffert die "stille Reserve" jener Menschen über 65, die prinzipiell arbeitsbereit wären, aber nicht aktiv suchen, auf 7700.

Von einem kleinen Schritt spricht Erfinderin Korosec selbst. Sie habe größere Anreize gewollt, aber ein zusätzlicher Steuerabsetzbetrag sei aus Budgetgründen gescheitert. Trotzdem glaubt sie an einen Effekt. Und selbst, wenn manche künftigen Nutznießer auch ohne Bonus gearbeitet hätten: Würden Bezieherinnen kleiner Pensionen entlastet, die auf Zuverdienst angewiesen sind, sei das in jedem Fall gut. (Gerald John, 9.11.2023)