Mehr Wettbewerb und stärkere Anreize für private Unternehmen sollen im europäischen Weltraumsektor für Innovationen und weniger Kosten sorgen. Dieses Ziel wurde beim dieswöchigen Weltraumgipfel der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) in Sevilla ausgegeben. Konkret will die Esa in Zukunft als Kundin etwa ein Frachtschiff und neue Trägerraketen entwickeln lassen. Wie am Donnerstag bekannt wurde, sollen europäische Astronautinnen und Astronauten künftig auch die kommerziell betriebene Raumstation Starlab nutzen. Eine entsprechende Absichtserklärung mit den Entwicklern der Station, Voyager Space und Airbus, wurde in Sevilla unterzeichnet.

Starlab Space Station, Raumstation 
Die Raumstation Starlab, die Platz für vier Astronautinnen und Astronauten bietet, soll 2028 ins All starten und 2029 den kommerziellen Betrieb aufnehmen.
Voyager Space/Abby Dickes

Möglicher ISS-Nachfolger

Die Esa will die Möglichkeiten für einen kontinuierlichen Zugang europäischer Astronautinnen und Astronauten zur Starlab-Station ebenso prüfen wie Beteiligungen an Forschungsprojekten in der erdnahen Umlaufbahn. Auch Optionen für künftige europäische Anbieter von Fracht- und Besatzungstransporten sollen untersucht werden. "Unsere Teams freuen sich auf eine enge Zusammenarbeit mit den Starlab-Teams hier in Europa und in den USA", sagte Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher.

Starlab ist eine im Bau befindliche kommerzielle Raumstation, die im erdnahen Orbit als kleinere Nachfolgerin der Internationalen Raumstation (ISS) konzipiert ist. Die ISS, die die Erde seit 1998 umkreist und seit 2000 permanent bewohnt ist, wird Ende dieses Jahrzehnts außer Dienst gestellt werden. Russland, das seit seinem Überfall auf die Ukraine mit einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Kooperationsprojekt gedroht hatte, dann aber wieder zurückruderte, will eine eigene Raumstation ins All bringen. Auch Indien verfolgt Pläne für eine eigene Station, China hat längst eine im Erdorbit.

Zahlreiche Stationen

Die US-Weltraumbehörde Nasa konzentriert sich vor allem auf das Prestigeprojekt Lunar Gateway, eine geplante Station in einer Mondumlaufbahn, die in Zusammenarbeit mit der Esa, der japanischen Jaxa und der kanadischen CSA entstehen soll. Um nach dem ISS-Ende auch weiterhin astronautische Missionen im Erdorbit durchführen zu können, setzt die Nasa auf kommerzielle Anbieter, die Förderungen erhalten. Dazu zählen Airbus und Voyager Space, die mit Starlab eine nahtlose Kontinuität für zahlende Kunden gewährleisten wollen. Die Station, in der vier Raumfahrer Platz finden, soll 2028 ins All starten und im Jahr darauf den kommerziellen Betrieb aufnehmen. Daneben arbeitet auch Axiom Space im Auftrag der Nasa und in Zusammenarbeit mit der Weltraumfirma Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos an Plänen für einen ISS-Nachfolger.

Im Umfang kommt keines der Projekte an die ISS heran, die das größte menschengemachte Objekt im All ist. Nach dem Ende des langjährigen Kooperationsprojekts, das mit dem Tauwetter zwischen den USA und Russland nach dem Ende des Kalten Krieges möglich wurde und an dem auch Esa, Jaxa und CSA beteiligt sind, stehen die Zeichen auf Lagerbildung und vor allem auf Kommerzialisierung im Weltraum.

Europäische Raumfähre

Bei letzterem will Europa dem Raumfahrtvorbild USA folgen und Wettbewerb im Weltraumsektor fördern. Wie ebenfalls beim Weltraumgipfel in Sevilla bekanntgegeben wurde, will die Esa als Kundin ein europäisches Frachtschiff entwickeln lassen, mit dem von einer privaten Firma bis 2028 Güter von und zur Internationalen Raumstation befördert werden können. Das Raumfahrzeug soll so konzipiert sein, dass es später auch für astronautische Flüge und Reisen zu anderen Zielen im All weiterentwickelt werden kann.

Für die erste Phase seien rund 75 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln fixiert worden, der Wettbewerb soll aber mit Beiträgen aus der Privatwirtschaft durchgeführt werden, sagte Aschbacher. Auch die Entwicklung neuer Trägerraketen soll künftig nach einem Wettbewerbsmodell erfolgen. Unterstützung dafür gab es von EU-Industriekommissar Thierry Breton. "Weltraumaktivitäten zu kommerzialisieren ist eine Priorität", sagte Breton. Der Sektor sei zunehmend umkämpft, vor allem durch Akteure außerhalb Europas. "Wir müssen unseren Ansatz hin zu einer neuen Risikokultur ändern." (David Rennert, 9.11.2023)