Mein Sohn, der Soldat Omar Sy
Omar Sy gibt als Bakary alles, um seinen Sohn vor der Schlacht zu retten. Dem ist das nicht immer recht: Ein tiefer Konflikt entsteht zwischen den beiden.
© Marie-Clémence DAVID / Light;

Rund 200.000 Männer aus Französisch-Westafrika kämpften im Ersten Weltkrieg unter Frankreichs Flagge – "für das Vaterland", wie die befehligenden Offiziere zu sagen pflegten. Knapp 30.000 von ihnen sollten nie wieder in ihre Heimat zurückkehren. Jene wenigen, die freiwillig in den Krieg zogen – viele wurden zwangsrekrutiert –, lockten eine Soldatenrente und ein dauerhafter Aufenthalt in Frankreich. Erst Anfang 2023 wurde den "Tirailleurs", wie sie bis 1964 genannt wurden, erlaubt, dauerhaft nach Afrika zurückzukehren, ohne ihren Anspruch auf die Zahlungen zu verlieren. Etwa 20 hochbetagte Männer waren noch davon betroffen.

Für Omar Sy war das ein Tag zum Feiern: Seine Familie stammt aus dem heutigen Senegal, woher auch ein großer Teil der Soldaten kam. Und es war ein glücklicher "Zufall" für seinen Film, wie er es selbst nannte. Tirailleurs, auf Deutsch Mein Sohn, der Soldat, startete zur selben Zeit mit Sy in der Hauptrolle in den Kinos. Darin geht es um einen senegalesischen Vater, der seinem zwangsrekrutierten Sohn 1917 an die französische Front folgt. Die Idee, sagt der Regisseur Mathieu Vadepied, kam ihm 1998, als der letzte Tirailleur aus dem Ersten Weltkrieg verstarb. Der französische Schauspielstar war bei dem Projekt schnell mit an Board.

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Ausnahmsweise passt die deutsche Übersetzung des Titels sogar besser als das Original: Der Film ist viel mehr Familiengeschichte denn historisches Drama. Kampfszenen, die an solch einem Schauplatz unvermeidbar sind, rücken in den Hintergrund, die Vater-Sohn-Beziehung steht an erster Stelle. Thierno (Alassane Diong) findet sich bald in die Hierarchien seines Lagers ein, steigt auf zum Korporal und muss den rangniedrigeren Vater Bakary (Sy) befehligen. Dieser legt die Sorge um seinen Sohn bis zum Schluss nicht ab, trotz der tiefen Risse, die mit Fortschreiten des Krieges zwischen ihnen entstehen.

Nahe Beobachtung 

Die Kamera (Luis Armando Arteaga) ist stets dabei als naher Beobachter, selten sind Aufnahmen aus der Ferne zu sehen. Trotz all der Grausamkeit um sie herum geht es nur um die beiden Männer, die sich auf unterschiedliche Weise durch das Geschehen kämpfen: Während Bakary versucht, der Schlacht zu entgehen, stellt sich Thierno an vorderste Front – der "Ehre" wegen und um später ein besseres Leben zu haben. Familiäre Autoritätskonflikte überschatten so beinahe die Schlacht, die rundherum tobt.

Der Film löst sich von der exemplarischen Erzählung einer historischen Ungerechtigkeit und stellt eine individuelle Geschichte in den Mittelpunkt, was in den Zeitgeist passt – die deutsche Produktion von Im Westen nichts Neues war damit im vergangenen Jahr höchst erfolgreich. Mein Sohn, der Soldat scheitert aber leider an seinem eigenen Pathos. Das Ende ist vorhersehbar, der Kampf zwischen Vater und Sohn wenig überraschend. Trotz Schwächen bleibt der Film aber ein wichtiges Stück Erinnerung: an das koloniale Schicksal schwarzer Franzosen, deren Geschichte nach wie vor viel der Aufarbeitung bedarf. (Caroline Schluge, 10.11.2023)