Japan, neue Insel, Unterwasservulkan
Eine Babyinsel ist in japanischen Gewässern aus dem Meer aufgetaucht. Ob sie wieder verschwinden oder weiter wachsen wird, lässt sich vorerst noch nicht sagen.
Foto: AP/Kyodo News

Es ist kein alltägliches Ereignis – zumindest auf menschlichen Zeitskalen –, dass aus dem Ozean eine neue Insel auftaucht. Das kleine Eiland wurde aus der vulkanischen Asche des pazifischen Feuerrings geboren und konnte vor wenigen Tagen vor der Küste einer der japanischen Ogasawara-Inseln entdeckt werden. Das weit auseinandergezogene Archipel beherbergt auch die Insel Iwojima (eigentlich Iōtō), um die im Februar und März 1945 zwischen den USA und Japan eine der berühmtesten Schlachten des Zweiten Weltkriegs tobte.

Die neu entstandene Landmasse liegt rund 1.200 Kilometer südlich von Tokio und ist das Resultat eines anhaltenden unterseeischen Vulkanausbruchs, der am 21. Oktober mit einer Serie von Seebeben begann. Das Ereignis, das wenige Tage später folgte, dürfte für die japanischen Soldaten, die auf Iwojima stationiert sind, ein spektakulärer Anblick gewesen sein. Wie der Vulkanologe Setsuya Nakada von der Universität Tokio gegenüber der "Japan Times" berichtete, kam es zu einer Eruption, die verfestigtes Magma in Form gewaltiger Steinblöcke dutzende Meter über die Wellen hinausschleuderte.

Die Geburtswehen einer Insel: Heftige Eruptionen wühlten das Meer auf, als der Unterwasservulkan vor Iwojima (im Hintergrund) das neue Eiland hervorbrachte.
Foto: AP/Kyodo News

100-Meter-Inselchen

Der Ausbruch durchstieß die Meeresoberfläche an mindestens zwei Stellen etwas mehr als einen Kilometer vor der südlichsten Spitze von Iwojima. Ein kleines Stück nördlich davon türmten sich Felsbrocken auf und bildeten zunächst eine rundliche, zerklüftete Insel mit einem Durchmesser von 100 Metern.

Ab dem 3. November veränderte der Unterwasservulkan seine Aktivität und spuckte hauptsächlich Asche aus. Umgeben ist die neugeborene Insel von im Meer treibendem frischem Bimsstein, einem Material von geringer Dichte, das entsteht, wenn zähflüssige Lava durch Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid gleichsam aufgeschäumt wird.

"Treibender Bimsstein und verfärbtes Wasser treten an der gesamten Peripherie der Insel auf, was darauf hindeutet, dass an dieser Stelle Magma austritt", erklären die Forscher. Die Felsen auf der Insel bildeten zwar ein konzentrisches Muster, Anzeichen für einen Krater gibt es an der Oberfläche allerdings nicht.

Die Insel maß zunächst nur etwa 100 Meter im Durchmesser.
Foto: AP/Kyodo News

Inselverschmelzung

Die Eruptionen dauern zwar noch an, doch der Höhepunkt der vulkanischen Aktivität könnte mittlerweile überschritten worden sein. Ob die Insel noch weiter wachsen wird, ist daher fraglich. Geologen gehen eher davon aus, dass sich das Inselchen nicht auf Dauer behaupten kann, sondern in der Brandung allmählich an Substanz verlieren und schließlich gänzlich wieder untergehen wird. Aber auch ein anderes Szenario halten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter für möglich: "Wenn der unterseeische Vulkanausbruch weiter anhält, besteht die Chance, dass die Insel mit Iwojima verschmilzt", so Nakada.

Während aktive Vulkane an Land vergleichsweise gut erforscht sind, weiß man weit weniger über die Schlote und Spalten, aus denen auf dem Meeresboden Gase und Lava quillt. Fachleute schätzen, dass weltweit mehr als eine Million Unterwasservulkane existieren, die meisten von ihnen dürften mittlerweile erloschen sein oder zu tief unter der Meeresoberfläche liegen, um ihre Aktivitäten beobachten zu können. Erst in den letzten Jahrzehnten ist es Forschenden gelungen, submarine Vulkane in Aktion zu sehen. Noch seltener war man bisher Zeuge der Geburt einer neuen Insel durch unterseeischen Vulkanismus geworden.

Video: Eine neue Insel wurde geboren.

Fortsetzung früherer Aktivitäten

Die Gegend um die Ogasawara-Inseln gilt in dieser Hinsicht als besonderer Hotspot. Regelmäßige Eruptionen haben dazu geführt, dass sich Iwojima jährlich um mehr als einen Meter hebt, was den Ort zu einem der am schnellsten wachsenden Calderavulkane der Welt macht. Schon im Juli 2022 trat bei einer Eruption an der Südostküste von Iwojima Magma aus einem Schlot aus, begleitet von phreatischen Explosionen von Asche und Dampf. "Der aktuelle Ausbruch findet fast an derselben Stelle statt wie bei der Eruption im Jahr 2022. Wir nehmen an, dass es sich hier um die Fortsetzung der damaligen Magmaaktivität handelt", glaubt Nakada. (Thomas Bergmayr, 10.11.2023)