Frau liegt im Bett und legt verzweifelt die Handflächen aufs Gesicht, vor ihr ein Wecker mit der Uhrzeit 3:41
Zwischen acht und zehn Prozent aller Menschen hierzulande leiden unter Schlafstörungen, schätzen Fachleute.
Getty Images/iStockphoto/Tero Vesalainen

Es ist eindeutig: Wir werden immer müder. Das zeigen zahlreiche Studienergebnisse ganz klar. Und das liegt – natürlich – an immer größer werdendem Schlafmangel. Zwischen acht und zehn Prozent aller Menschen leiden hierzulande an Ein- und Durchschlafstörungen, Tendenz steigend. Außerdem haben sich unsere Ruhephasen generell verkürzt. Im Schnitt haben wir vor zwanzig Jahren pro Nacht noch eine halbe Stunde länger geschlafen.

Dafür gibt es viele Gründe, allen voran generelle gesellschaftliche Veränderungen, glaubt Karin Trimmel. Sie ist Fachärztin für Neurologie und Leiterin der Ambulanz für Schlafstörungen und schlafassoziierte Störungen an der Med-Uni Wien. Ein hektischer Alltag etwa führt oft zu Schlafmangel: "Und die beruflichen Anforderungen haben sich geändert. Von vielen Menschen wird erwartet, auch außerhalb der Arbeitszeiten erreichbar zu sein. Dann fällt es abends schwerer, zur Ruhe zu kommen."

Arbeiten wir spätabends noch oder verbringen übermäßig viel Zeit vor Bildschirmen, können wir einerseits mental nicht so rasch runterkommen, anderseits hängt es schlicht mit dem Licht zusammen. "Licht unterdrückt die Produktion des Botenstoffs Melatonin im Gehirn. Das ist unser Schlafhormon, es macht uns müde. Der Körper schüttet es aus, wenn es draußen dunkel wird. Wenn man aber abends noch viel Licht konsumiert, wird es nicht oder sehr viel weniger ausgeschüttet", erklärt Trimmel.

Kein Schlafausgleich am Wochenende

Aber auch mentale Belastungen können den Schlaf stören, die aktuellen Kriegssituationen etwa oder die Pandemie. Denn psychische Herausforderungen und hektischer Alltag bedeutet in erster Linie Stress für den Körper. Und der belastet mental, geht aber auch mit biochemischen Veränderungen einher. Der Cortisolspiegel ist dann erhöht, und das Einschlafen fällt schwerer.

"Aber vorübergehende Schlafstörungen sind nicht sofort etwas Pathologisches. Oft ist das erst einmal schlicht eine Reaktion des Körpers auf etwas, das gerade passiert", beruhigt Trimmel. Problematisch wird es erst dann, wenn es chronisch wird. Von einer chronischen Insomnie spricht man, wenn man über mehr als drei Monate hinweg an mehreren Tagen pro Woche schwer ein- oder durchschlafen kann und deshalb tagsüber die Befindlichkeit beeinträchtigt ist. Und je länger eine Schlafstörung chronisch ist, desto schwieriger wird es auch, sie zu behandeln.

Chronisch werden Schlafprobleme dann, wenn man nicht entsprechend auf sie reagiert und die falschen Strategien anwendet, sagt Trimmel: "Viele, die unter der Woche schlecht schlafen, denken dann, sie müssen am Wochenende extralang liegen bleiben", berichtet Trimmel. Dabei sollte man Schlafmangel nur in Maßen ausgleichen. Denn überlange Liegezeiten können kontraproduktiv sein. "Dann ist man am Abend erst recht wieder nicht müde, und man fällt aus seinem Schlafrhythmus raus, der aber wichtig ist für eine gesunde Schlafhygiene", sagt Trimmel. Natürlich könne man am Wochenende einmal ein, zwei Stunden länger schlafen, da spricht nichts dagegen, aber grundsätzlich sollte man auf halbwegs regelmäßige Schlafenszeiten achten.

Bei manchen würden außerdem negative Erwartungen an den Schlaf entstehen, sagt Trimmel. Wer ein paar Mal schlecht schläft, für den wird das Zubettgehen automatisch mit unruhigen Stunden assoziiert. "Manche machen sich bei dem Thema einen irrsinnigen Stress. Und die Schlafstörung an sich führt dann auch wieder zu Stress, es entsteht ein Teufelskreis", erklärt Trimmel. Das alles seien Verhaltensweisen, die das Problem chronisch werden lassen.

Gute Behandlungsmöglichkeiten

Chronische Ein- und Durchschlafstörungen, die sogenannte Insomnie, sind die häufigste Schlafstörung. Die primäre Behandlungsmethode ist dabei nicht medikamentös. "Das heißt, es sollen nicht Tabletten gegeben werden, die den Schlaf verbessern, sondern hier sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen empfohlen, also dass Betroffene schlechte Angewohnheiten, die sich vielleicht schon eingeschlichen haben, verändern."

Dann stehen die Chancen gut, das wieder in den Griff zu bekommen. "Wichtig ist nur, dass man konsequent an einer gesunden Schlafhygiene arbeitet und schlechte Gewohnheiten ablegt. Viele wollen zwar lieber ein Medikament, das das Problem für sie löst, aber dieser therapeutische Prozess ist wichtig", weiß Trimmel. Und langfristig zahlt sich der allemal aus, sagt sie.

Denn chronischer Schlafmangel kann etliche negative gesundheitliche Folgen haben. Man weiß, dass Personen, die chronische Schlafstörungen haben, häufiger unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen leiden und eher von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder bestimmten Formen von Demenz betroffen sind.

"Wie Schlaf mit der Entwicklung von Demenz genau zusammenhängt, ist noch nicht final geklärt", berichtet Trimmel. Aber Fachleute beobachten schon länger, dass manche Formen von Demenz bei Personen mit chronischem Schlafmangel häufiger auftreten. Das könnte unter anderem mit der Reinigungsfunktion von Schlaf zu tun haben. Denn während wir schlafen, werden vereinfacht gesagt Stoffwechsel-Abbauprodukte abtransportiert und unser Körper von innen gereinigt (der STANDARD berichtete dazu hier).

Nicht mit anderen vergleichen

Auf jeden Fall betont Trimmel: "Der Schlaf ist ein essenzieller Bestandteil unserer körperlichen und psychischen Gesundheit." Sie sagt aber auch: Deshalb sollte man sich nicht unter Druck setzen. Ja, auf eine gesunde Schlafhygiene zu achten ist wichtig und ratsam, aber man sollte auch keine unrealistischen Anforderungen an den Schlaf haben.

Meistens reichen schon ein paar einfache Strategien für einen gesunden Schlaf, etwa regelmäßige Schlafenszeiten, ruhige Bedingungen und möglichst keine digitalen Geräte im Schlafzimmer – und wenn, sollten sie auf lautlos gestellt und wirklich nur als Wecker benutzt werden.

Und, ganz wichtig: Man sollte sich in Sachen Schlaf nicht ständig mit anderen vergleichen. Es kann zwar frustrierend sein, wenn etwa der Partner oder die Partnerin immer innerhalb weniger Minuten einschläft, während man sich selbst noch eine Weile hin und her wälzt. Aber solche Unterschiede sind bis zu einem gewissen Ausmaß ganz normal, beruhigt Trimmel. "Manche Menschen sind aufgrund genetischer Faktoren oder aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur etwas anfälliger dafür, eine Schlafstörung zu entwickeln." Deshalb tun sich manche ein bisschen leichter beim Einschlafen, andere schwerer. Das kann zwar frustrierend sein, aber das Wissen, dass gewisse Unterschiede im Schlafverhalten völlig normal sind und dass oft schon einfache Strategien Hilfe bringen können, kann auch beruhigen.

Außerdem sollte man in den Stunden vorm Schlafengehen keine koffeinhaltigen Getränke konsumieren. Auch Alkohol kann die Schlafqualität stören. "Alkohol wird paradoxerweise oft als Schlafmittel genutzt, weil man das Gefühl hat, man schläft dadurch schneller ein. Das stimmt auch, aber der Schlaf ist unter Alkoholeinfluss weniger erholsam", sagt Trimmel.

Stattdessen sollte man sich andere Entspannungstechniken oder Rituale angewöhnen, um den Tag bewusst ausklingen zu lassen. Ein Buch lesen, einen Kräutertee trinken oder ein warmes Bad nehmen, schlägt die Expertin vor.

Hilft das alles nichts und wälzt man sich schlaflos im Bett, hilft nur eines: wieder aufstehen. "Nach mehr als einer halben Stunde sollte man noch einmal aufstehen, in ein anderes Zimmer gehen und irgendwas Ruhiges machen." Damit vermeidet man, negative Gedanken mit dem Bett zu verbinden. Fachleute nennen das Stimuluskontrolle. "Wenn man dann müde wird, legt man sich wieder hin. Und zwar ohne ständig auf die Uhr zu schauen, das ist ganz wichtig!" (Magdalena Pötsch, 15.11.2023)