Die arabische diplomatische Maschinerie läuft an, langsam, aber doch – wobei der interne Wettbewerb unter den Staaten nie außer Kraft gesetzt wird. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind als eines der zehn gewählten Mitglieder im Moment das einzige arabische Land im Uno-Sicherheitsrat und machen vergeblich Druck in Richtung Waffenstillstand im Gazastreifen. Saudi-Arabien, das zuletzt seine Führungsposition in der arabischen Welt wiedererrungen hat – was auch auf Kosten der VAE ging –, hat für das Wochenende gleich zwei Gaza-Krisengipfel einberufen.

Es treffen sich sowohl die Staats- und Regierungschefs der Liga der Arabischen Staaten als auch der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Ursprünglich war an dem Wochenende ein arabisch-afrikanischer Gipfel angesetzt gewesen, der wurde wegen des neuen Nahostkriegs verschoben.

Zahlreiche arabische Führer finden sich in Riad ein, um über den Krieg in Gaza zu diskutieren.
Zahlreiche arabische Führer finden sich in Riad ein, um über den Krieg in Gaza zu diskutieren.
VIA REUTERS/SAUDI PRESS AGENCY

Zum OIC-Treffen wird auch der iranische Präsident Ebrahim Raisi erwartet, zu seinem ersten Besuch in Saudi-Arabien als Präsident. Es ist ein Höhepunkt des von China vermittelten Normalisierungsprozesses zwischen den regionalen Erzkonkurrenten Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran. Dieser Prozess wurde vom Überfall der Iran-gestützten Hamas auf Israel – mit dem Saudi-Arabien ebenfalls eine Normalisierung anstrebte – nicht sichtbar gestört.

Iran bei der Stange halten

Saudi-Arabiens De-facto-Leader Kronprinz Mohammed bin Salman steht zwischen dem Bemühen, eine Bevölkerung ruhigzuhalten, die palästinenserfreundlicher ist als er selbst, und dem anderen, eine regionale Eskalation des Konflikts zu verhindern. Dazu versucht er, den Iran bei der Stange zu halten. Er kann, auch wenn Washington und Jerusalem den Empfang Raisis offiziell verwerflich finden, sogar argumentieren, dass das im Interesse der gesamten Region ist.

Die Vereinigten Arabischen Emirate erwischt die Gaza-Krise besonders schwer, als jenen arabischen Staat, der sich als erster 2020 zur Normalisierung mit Israel in den "Abraham Accords" bekannte. Es folgten Bahrain, Sudan und Marokko (wobei das Abkommen mit dem Sudan, der inzwischen selbst in einem Krieg mit genozidalen Zügen versunken ist, nie umgesetzt wurde). Die Abraham-Abkommen fußen genau auf jener Annahme, die durch den Hamas-Überfall wieder außer Kraft gesetzt ist: Dass die arabische Welt zur völligen Normalisierung mit Israel bereit und fähig sei, auch wenn die Palästinenserfrage ungelöst bleibe.

Zwar hat sich die israelisch-marokkanische strategische Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren ebenfalls stark entwickelt, aber die VAE waren der Protagonist, was die Sichtbarkeit der neuen Verbindungen im Investment- und Technologiebereich mit Israel betrifft. Das wird nicht alles auf einen Schlag vorbei sein: Aber sicher fühlen können sich Israelis in arabischen Staaten nicht mehr, auch wenn der Polizeistaat so gut funktioniert wie der emiratische. Der israelische Tourismus hatte allerdings auch in Marokko einen Aufschwung erlebt, das ist erst einmal ebenfalls zu Ende.

Das Außenministerium in Abu Dhabi hat nach dem 7. Oktober die Hamas für die "schwerwiegende Eskalation" und die Geiselnahme kritisiert: Das ist mehr, als andere arabische Staaten getan haben, auch wenn die Hamas nie offiziell als Terrororganisation bezeichnet wurde. Es ist im Falle Hamas – Israel jedoch eindeutig schwieriger für die VAE, sich durchzuschwindeln, als im Ukrainekrieg, in dem sie sowohl ihre guten Netzwerke in Washington – die durch die Abraham-Accords noch aufgewertet wurden – als auch die guten Beziehungen zu Russland weiter pflegen konnten. Und natürlich jene zu China ebenfalls.

Sanktionen gegen Firmen

Es ist auffällig, dass gerade jetzt zwei Sanktionierungen von VAE-Firmen für deren Verbindungen zu Russland stattgefunden haben: eine vonseiten der USA gegen (unter anderem) emiratische Unternehmen, die der Technologieexporte nach Moskau beschuldigt werden, die andere vonseiten Großbritanniens gegen Firmen, die bei Russlands Goldbeschaffung eine Rolle spielen. Das ist ein hochsensibles Thema. Abu Dhabi soll beste Beziehungen zum sudanesischen Warlord General Hamdan Dagalo (Hemeti) haben, der im Sudan Goldminen kontrolliert und mit der Wagner-Gruppe zusammenarbeitet.

In Dubai steht zudem die Uno-Klimakonferenz COP 28 bevor: Auch hier wird man versuchen, sowohl die palästinenserfreundlichen Staaten des Globalen Südens als auch jene des Nordens zu akkommodieren. Und die eigene Bevölkerung ist unter strenger Kontrolle.

In Saudi-Arabien wurde Ende Oktober die Entertainmentbehörde – stellvertretend für das Regime – in sozialen Medien scharf kritisiert, als sie trotz des Gaza-Kriegs die "Riad Season" anlaufen ließ, mit dem üblichen Bespaßungsangebot durch westliche Stars aus Sport, Unterhaltung und Mode. Man wandelt auf einem schmalen Grat zwischen dem "business as usual" und der Empörung über Israel, die man einerseits betreibt, andererseits kontrolliert zu halten versucht. (Gudrun Harrer, 9.11.2023)