Um seine Ware rasch an die Konsumenten und Konsumentinnen zu bringen, braucht der Onlineriese Amazon eine entsprechende Logistik-Infrastruktur. Zu den bereits bestehenden vier Verteilzentren in Österreich sollte deshalb ein weiteres in St. Valentin im Bezirk Amstetten in Niederösterreich dazukommen. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten hier auf einem 50.000 Quadratmeter großen Betriebsgelände in Neu-Thurnsdorf nahe der Autobahn Pakete verladen, so lautete der Plan. "200 bis 400 Ausfahrten" durch die Zusteller seien täglich geplant, hatte Amazon erklärt. 5.200 Quadratmeter groß sollte das Gebäude werden. Dazu waren 105 Parkplätze für Mitarbeiter und ein Parkdeck mit Stellplätzen für 362 Lieferwagen vorgesehen.

Sublieferanten schlichten Pakete im Amazon-Verteilzentrum in Wien-Liesing in ihre Lieferwägen ein. 
Kein Amazon in St. Valentin, dafür sprach sich eine Bürgerinitiative aus. Ob alle auch tatsächlich bei den stationären Händlern einkaufen, ist nicht bekannt.
APA/HANS PUNZ

Doch daraus wird nun wohl nichts. Die SPÖ hat in der Sache eine Kehrtwende vollzogen. Die Pfarre St. Valentin als Grundstückseigentümerin hatte sich von Anfang an gegen das Projekt ausgesprochen und wollte nicht verkaufen. Nun hat sich der Wind komplett gedreht. Die Roten wollen in der entsprechenden Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag gegen das Projekt stimmen, hatte zuerst der ORF Niederösterreich berichtet. Die SPÖ hat die Mehrheit im Gemeinderat. Auch Grüne und FPÖ sprechen sich gegen das Projekt aus. Laut Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ) waren einige mit der Ansiedlung des Projekts verbundene Fragen nicht zufriedenstellend gelöst.

Es bleibe unklar, wie das Verkehrsaufkommen bei der Autobahnauffahrt Richtung Linz gelöst werden soll. Auch beim Anteil der E-Fahrzeuge habe man sich nicht einigen können, ebenso wenig bei den Lieferpartnern. Der städtebauliche Vertrag mit Amazon und dem Projektbetreiber Fraktal Developement liege hinter den Erwartungen, bestätigt die Stadtchefin dem STANDARD.

Dazu gehöre auch die Frage, wie viele Mitarbeiter tatsächlich beschäftigt werden sollten. "Werden es in fünf Jahren noch genauso viele sein wie in Aussicht gestellt?", fragt Suchan-Mayr. Dazu habe es keine befriedigende Perspektive im Vertrag gegeben. Auch was die Sublieferanten betrifft, habe es keine zufriedenstellende Antwort gegeben. Die 18 SPÖ-Mandatare werden nun in der Gemeinderatssitzung am Dienstag gegen die Ansiedlung stimmen.

Lokaler Widerstand

Gut möglich, dass auch der Widerstand der Bevölkerung ein Grund für den Meinungsumschwung ist. Eine Bürgerinitiative mit dem eindeutigen Motto "Nein zum geplanten Amazon-Verteilerzentrum in St. Valentin" hatte sich vehement gegen das Projekt gestemmt. Bodenversiegelung, höheres Verkehrsaufkommen, die Arbeitsbedingungen bei Amazon: Die Liste der Argumente gegen die Ansiedlung war lang. Initiatorin Susanne Webersdorfer verbucht die Entscheidung in der SPÖ ein bisschen als Erfolg für ihre Initiative. Sie hofft, dass die Menschen dem lokalen Einkauf den Vorzug geben. "Amazon passt nicht hierher", sagt sie.

Von Amazon heißt es, man bedaure die Entscheidung. Aber "wir bedanken uns für den konstruktiven Austausch mit den Bürger:innen und Gemeindevertreter:innen von St. Valentin. Das Votum des Gemeinderates von St. Valentin am 14. November respektieren wir und werden das Projekt nicht weiter verfolgen", lässt eine Amazon-Sprecherin wissen. (Regina Bruckner, 10.11.2023)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde um 16 Uhr um die Stellungnahme der Initiatorin der Bürgerinitiative in St. Valentin, Susanne Webersdorfer ergänzt.