An Büchern über Vögel herrscht angesichts des anhaltenden Vogelbeobachtungs- und Nature-Writing-Booms fürwahr kein Mangel. Wer sich erst einmal ornithologisch anfixen lassen will, für den oder die gibt es eine wohlfeile Einstiegsdroge in 90 Mikrodosen. "Falter"-Kollege Klaus Nüchtern, selbst ein spätberufener Vogelfreund, stellt in "Famose Vögel" häufige heimische Arten auf unnachahmlich pfiffige Weise vor, bildschön illustriert von Silvia Ungersböck.

Nüchtern ist hauptberuflich Literatur- und Jazzkritiker sowie Kolumnist, ornithologisch hingegen eher Amateur, was bekanntlich von "amare", also lieben, herrührt. Diese rare Kombination aus laienhafter Liebe für die Luftikusse, professionell geschultem Geschmacksurteil und glänzender Formulierungskunst machen die Kurzporträts von A wie Amsel bis Z wie Zwergtaucher, die stets auf eigenen Sichtungen beruhen, zum kurzweiligen und immer wieder hochkomischen Lesevergnügen.

Wer also immer schon wissen wollte, warum Mauersegler (vermutlich) Sozialdemokraten sind, was Jubilar Loriot mit dem Pirol zu tun hat, welcher Vogel eine Neutronenbombe der Niedlichkeit ist oder welcher heimische Vogel wie eine Amsel auf Speed klingt, greife zu diesem fabulösen Vogelbuch!

Buchcover: Klaus Nüchtern, Famose Vögel, Falter Verlag
Klaus Nüchtern, "Famose Vögel". € 24,90 / 200 Seiten. Falter-Verlag, Wien 2023
Falter Verlag

Buchpräsentation am 11. November bei der Buch Wien und zeitgleich auf Ö1 im "Klassik Treffpunkt“ ab 10.05

Filigrane Wunderwerke der Natur

Federn helfen den Vögeln beim Fliegen. Aber das ist noch lange nicht alles: Die komplexen Leichtbaukonstruktionen aus Keratin schützen das Federvieh vor Schmutz, Wasser und Kälte. Zudem verleihen die Federn den Vögeln noch Farben, die beim Verstecken helfen oder der visuellen Kommunikation dienen – also um sich für Sexualpartner optisch interessant zu machen. Das galt übrigens auch schon für die Federn der flugunfähigen Dinosaurier.

Bunte Federkollektion unterschiedlichster Vogelarten, Panorama; Federn, Bilderbuch
Federn als schöne Kunst betrachtet: Die Fotos von Heidi und Hans-Jürgen Koch offenbaren eine ungeahnte Vielfalt an Form- und Farbenpracht.
Heidi & Hans-Juergen Koch / Frederking & Thaler

Vor allem der farbigen Pracht und dem komplexen Design der Federn ist ein neuer üppiger Bildband des deutschen Fotografenpaars Heidi und Hans-Jürgen Koch gewidmet. In den sechs Kapiteln ihres ornithologischen Coffeetable-Books finden sich zwar auch kurze Texte, die in das jeweilige Thema einführen und etwa auch erklären, wie die Farben der Federn zustande kommen: vielfach ohne Pigmente, sondern durch Interferenz und Lichtbeugung, was für besondere Intensität sorgt.

Bunte Federkollektion unterschiedlichster Vogelarten, Panorama; Federn, Bilderbuch
Torso eines Vogels, der aus einer Kreuzung von Purpurara und Blau-Goldara entstand und über ein besonders farbenprächtiges Gefieder verfügt.
Heidi & Hans-Juergen Koch / Frederking & Thaler

Das Hauptaugenmerk liegt aber eindeutig auf den Schauwerten der großartigen Fotografien, die ein visueller Hochgenuss sind. Jeweils vor schwarzem Hintergrund bieten die insbesondere die am Computer "nachgeschärften" Detailaufnahmen, die durch sogenanntes Focus-Stacking entstanden sind, ungeahnte Einblicke in die Farben- und Formenpracht dieser multifunktionalen Wunderwerke der Natur, die ohne weiteres als große abstrakte Kunst durchgehen könnten.

Buchcover: Heidi Koch, Hans-Jürgen Koch, Federn; Frederking & Thaler
Heidi und Hans-Jürgen Koch, "Federn. Meisterstücke der Evolution". € 47,50 / 224 S. Frederking & Thaler, München 2023
Frederking & Thaler

Krähenvögel als kluge Gefährten

Wer überhaupt mehr dem Schauen als dem Lesen zugeneigt ist, sollte sich den Film "Krähen" nicht entgehen lassen, der zurzeit noch in unseren Kinos läuft. Der Schweizer Regisseur Martin Schilt hat gleich mehreren Vertretern der Corviden (oder Rabenvögeln) einen spektakulären Dokumentarfilm gewidmet, der sich auch in der aufwendigen Machart von üblichen TV-Tierdokumentationen unterscheidet. Für die österreichische Koproduktion, die zum Teil auch in Wien spielt und auch österreichische Fachleute vor die Kamera holt, war Schilt mit seinem Team auch in Japan, Indien oder in den USA unterwegs.

Die Hauptthese des Films: Rabenvögel sind seit Jahrtausenden Kulturfolger des Menschen und damit auch "unsere schwarzen Chronisten" – was von Elke Heidenreich mitunter auch etwas pathetisch erzählt wird. Schließlich folgten die Krähen und ihre Verwandten bereits den ersten Jägern und zogen mit den Kriegern über die Schlachtfelder, um sich von Kadavern und Leichenresten zu ernähren. Und auch heute schmarotzen die dunklen Vögel an den Überresten, die unsere Konsumgesellschaft hinterlässt. Im Gegenzug verzichtet der Mensch anders als bei den meisten anderen Vögeln auf gebratene Rabenkeule.

Neuer Film über Krähen
Dark brothers are watching us.
Filmtoast Trailer

Um diesen Umstand wissen wohl nur wenige so gut Bescheid wie Bernd Heinrich. Der mittlerweile 83-jährige deutsch-amerikanische Zoologe, der nach wie vor einen Ultra-Running-Rekord hält, hat mit "Die Seele der Raben" und "Die Weisheit der Raben" zwei Bücher zum Thema veröffentlicht. In dem Film erzählt er von der Neugier der Krähen, dem Geheimnis ihrer Intelligenz und ihren sozialen Fähigkeiten. Auch der Krähenforscher John Marzluff wird gezeigt, wie er mit einer Höhlenmenschenmaske über den Campus der Universität Washington, Seattle, marschiert und damit demonstriert, dass die schlauen Vögel sich an jene Gestalt erinnern, die vor über zwölf Jahren ihre Vorfahren eingefangen hat.

Schilt porträtiert die rivalisierenden Krähengangs des Praters, folgt den Dschungelkrähen in Tokio oder den Neukaledonienkrähen, die zu den wenigen Angehörigen des Tierreichs gehören, die Werkzeuge verwenden. Manche sind territorial, manche nicht. In Verhaltenstests brillieren sie. Dennoch ist der Wissenschaft ihre Kommunikation bis heute noch weitgehend ein Rätsel. Und so stellt "Krähen" am Ende die augenzwinkernde Frage, ob die Rabenzivilisation eines Tages den Menschen als dominante Spezies ablösen könnte.

PS: eine lustige Rabenanekdote

Keine Erwähnung in dem wissenschaftlich fundierten Film findet hingegen der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der seine Karriere mit Studien über Dohlen, Raben und andere Krähenvögel startete. Seine Forschungsarbeit mit den halbzahmen Vögeln konnte mitunter auch recht schmerzvoll werden, wie die nachfolgende Anekdote vermittelt, die Lorenz' Kollege Desmond Morris in seinem nicht ins Deutsche übersetzten Buch "Animal Days" aufzeichnete: Er berichtete davon, wie Konrad Lorenz eines Sommertags mit einem seiner Raben in der Gegend rund um Altenberg spazieren ging.

Konrad Lorenz Kolkraben
"Rabenvater": Konrad Lorenz mit drei halbzahmen Kolkraben.
Paul Hellmann

"Lorenz hatte vorsorglich eine seiner Hosentaschen mit kleinen, rohen Fleischstücken gefüllt. Von Zeit zu Zeit rief er den Vogel (er sprach fließend Rabisch), und wenn dieser sich ihm näherte, griff er in die Tasche, nahm einen Streifen Fleisch heraus und fütterte damit seinen großen schwarzen Gefährten. Auf diese Weise ruschte der Rabe zwar wieder in den Himmel ab, behielt aber stets ein wachsames Auge auf Konrads Bewegungen, wenn er über die Sommerfelder wanderte. So ging es mehrere Stunden lang, und der Vogel kehrte regelmäßig an Lorenz' Seite zurück, um einen weiteren Leckerbissen zu erhaschen. Da es ein heißer Tag war, hatte Lorenz zu Mittag reichlich getrunken und musste kurz austreten. Da niemand in der Nähe war, suchte er eine nahegelegene Hecke, öffnete seine Hose und begann damit, sich zu erleichtern.

Das scharfe Auge des Raben hatte Lorenz beim Öffnen seiner Hose beobachtet, und der Vogel vermutete augenscheinlich, dass er eine Hosentasche öffnete, um ein weiteres frisches Stück Fleisch herauszuholen. Mit einem lauten Schrei stürzte sich der große Vogel auf das neue Stück Fleisch und hielt es mit seinem gewaltigen Schnabel fest umklammert. Lorenz brüllte wie ein verwundeter Stier und begann in der Ecke des Feldes wie verrückt herumzuspringen.

Der Rabe war verblüfft über dieses außergewöhnliche Verhalten und konnte nicht verstehen, warum sein menschlicher Freund so zögerlich war, das Stück Fleisch herauszurücken, das so eindeutig für seinen Verzehr bestimmt war. Der Vogel setzte seine riesigen Füße fest auf Lorenz' Körper und begann, heftig an dem hartnäckig widerstrebenden Leckerbissen zu zerren – wie eine Amsel, die versucht, einen Regenwurm aus dem Rasen zu ziehen. Lorenz behauptet, dass er vor Schmerz und Blutverlust fast in Ohnmacht gefallen wäre. Wahrscheinlich war es eher nur ein Schock." (Klaus Taschwer, 10.11.2023)