Die Universität Wien hat kurz nach der Ankündigung einer Veranstaltung mit dem deutschen Rechtsextremen Götz Kubitschek in den sozialen Medien reagiert und die für 17. November geplante Veranstaltung abgesagt. Der Veranstalter, der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), geht dagegen juristisch vor. Zumindest hat er das angekündigt. Vor der Universität sollen sowohl eine Demonstration mit Kubitschek als auch antifaschistische Gegenproteste stattfinden.

Götz Kubitschek, Stratege der sogenannten
Götz Kubitschek, Stratege der sogenannten Neuen Rechten.
Foto: AP Photo/Jens Meyer

Der Verleger Kubitschek ist der führende Kopf der sogenannten Neuen Rechten. Er gilt als Ziehvater der Identitären Bewegung. Sein Thinktank Institut für Staatspolitik (IfS) wird vom deutschen Verfassungsschutz überwacht, da er "verfassungsfeindliche Bestrebungen" verfolgt.

Polizist, Student und RFS-Funktionär

Rechtsextrem und verfassungsfeindlich, das sollte eigentlich nur schwer mit dem Beruf des RFS-Funktionärs zusammengehen, der die Veranstaltung an der Universität Wien angemeldet hat. Peter L. ist nämlich Polizist, der berufsbegleitend studiert.

Sein politisches Engagement hat nun seinen Arbeitgeber auf den Plan gerufen. Auf Anfrage, wie man seitens des Innenministeriums bewertete, dass ein Mitarbeiter eine Veranstaltung mit einem der bekanntesten Rechtsextremen Deutschlands organisiere, heißt es, dies werde durch "die Dienstbehörde geprüft".

Die Nähe von Polizisten zu Rechtsextremen ist seit einigen Jahren ein Thema im Innenministerium. Im Jahr 2019 wurde bekannt, dass mindestens 13 Beamte Verbindungen zur Identitären Bewegung hatten und einige von ihnen sogar Geld an die rechtsextreme Gruppierung gespendet haben.

Angriffe auf die Polizei

Auch der Verfassungsschutz ist besorgt über diese Nähe. In einem Buch über die rechtswidrige Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Jahr 2018 schreibt der ehemalige Verfassungsschutzchef Peter Gridling, dass es "innerhalb der Polizei" eine mangelnde Sensibilität bezüglich der Nähe zu den Identitären gab. Sein Nachfolger Omar Haijawi-Pirchner äußerte sich Mitte Oktober in einem Interview mit der Kronen Zeitung besorgt über "Anzeichen von Gewalttendenzen" bei den Identitären. Bei der letzten Demonstration der Gruppierung in Wien kam es zu Angriffen auf die Polizei.

Die Einladung von Kubitschek durch den RFS passt zu den Freiheitlichen Studenten, die seit ihrer Gründung im Jahr 1952 immer wieder durch rechtsextreme Aktivitäten auffallen. Der RFS wird als politischer Flügel deutschnationaler Burschenschaften und Mädelschaften an den Hochschulen betrachtet, und Aktivisten der Identitären Bewegung sind oder waren beim RFS aktiv. Gernot S., ein Mitglied der Burschenschaft Olympia, wurde 2017 zum Obmann des RFS Wien ernannt und ist mittlerweile eine führende Figur der Identitären Bewegung.

Burschenschafter auf der Rampe der Universität Wien.
Burschenschafter auf der Rampe der Universität Wien.
Foto: Markus Sulzbacher
Seit Jahrzehnten wird gegen Burschenschaften demonstriert. So auch 2002, als dieses Foto entstand.
Seit Jahrzehnten wird gegen Burschenschaften demonstriert. So auch 2002, als dieses Foto entstand.
Foto: Christian Fischer

Für die Veranstaltung mit Kubitschek wirbt auch eine Gruppe namens Aktion 451, die speziell für diesen Event mit dem Verleger Kubitschek ins Leben gerufen wurde. Die Gruppe scheint ein Tarnverein der Identitären Bewegung zu sein und lehnt "antiweiße Ideologie" ab, wie auf ihrer Homepage zu lesen ist.

Freiheitliche Jugend bewarb Bücher

Die Bedeutung von Kubitschek für das freiheitliche Milieu wurde kürzlich in einem Video der Freiheitlichen Jugend deutlich, das für Aufsehen sorgte. In dem Video werden nicht nur Journalisten und Wissenschafter als Feinde markiert, sondern es werden auch Bücher des rechtsextremen Antaios-Verlags eingeblendet, dessen Chef Kubitschek ist. Das Video enthält auch Bilder von Ikonen der rechtsextremen Szene wie Ernst Jünger, dem japanischen Faschisten Yukio Mishima und dem ehemaligen Waffen-SS-Mann Armin Mohler. Letzter war der Lehrer von Kubitschek. Der Verfassungsschutz hat die Freiheitliche Jugend wegen des Videos bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, da der Verdacht auf Verstoß gegen das Strafgesetzbuch und das Verbotsgesetz besteht.

Kubitschek hat in der deutschen Ortschaft Schnellroda einen politisch-publizistischen Mikrokosmos geschaffen, in dem viele Akteure aus der rechtsextremen Szene verkehren. Der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hat vor einigen Jahren erklärt, dass er sein "geistiges Manna" in Schnellroda beziehe. Die neurechte Ideologie wird dort unter anderem auf den Sommer- und Winterakademien des IfS sowie in der Zeitschrift Sezession verbreitet.

Relativierungen des Hamas-Terros

In der "Sezession" kommt regelmäßig nicht nur der Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner, sondern auch Martin Semlitsch, der unter dem Pseudonym Martin Lichtmesz bekannt ist, zu Wort. Lichtmesz schrieb in einem Artikel nach dem Hamas-Terrorüberfall am 7. Oktober, er halte es für denkbar, dass "die israelischen Autoritäten den Hamas-Angriff geschehen ließen". Auch strotzt der Artikel vor Relativierungen des Massakers.

In der Zeitschrift von Kubitschek wird von einer Annahme der Singularität der Shoa geschrieben.
In der Zeitschrift von Kubitschek wird von einer Annahme der Singularität der Shoah geschrieben.
Screenshot/Faksimile: DER STANDARD

In einem anderen Artikel stellt er die Einzigartigkeit der Shoah zur Diskussion, in dem er von der "Annahme der 'Singularität' des Holocausts" schreibt. Zusätzlich behauptet er, "israelische Schulklassen werden in die ehemaligen Konzentrationslager geführt, um ihren nationalen Wehrwillen zu wecken und zu steigern; deutsche Schulklassen jedoch, um ihren nationalen Wehrwillen zu brechen." Ihm kommt nicht in den Sinn, dass es bei diesen Besuchen um das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geht. (Markus Sulzbacher, 10.11.2023)