Beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S kündigt sich ein Sesselrücken im Aktionärskreis an. Die österreichische Staatsholding Öbag plant offenbar den Einstieg bei dem in Leoben ansässigen Technologiekonzern mit einer Sperrminorität über eine Kapitalerhöhung, geht aus einer Mitteilung von AT&S von Montagabend hervor. Darin heißt es: AT&S führe Verhandlungen mit der Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) betreffend eine mögliche Zeichnung durch diese bei den möglichen Kapitalmaßnahmen. Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand gehe es dabei um eine Beteiligung von zumindest 25 Prozent plus einer Aktie, also eine Sperrminorität.

Beschäftige im neuen AT&S-Werl in Leoben.
Die Staatsholding Öbag will anscheinend beim Leiterplattenerzeuger AT&S, zu sehen das neue Werk von AT&S in Leoben, einsteigen.
APA/INGRID KORNBERGER

An der Wiener Börse war AT&S am Montagabend etwa 1,1 Milliarden Euro wert. Es dürfte sich also um einen Deal mit einem Volumen von zumindest einer Viertelmilliarde Euro handeln, so er zustande kommt. Ein ÖBAG-Sprecher bestätigte die Verhandlungen, die sich noch in einem frühen Stadium befänden. Das Finanzministerium wollte sich nicht dazu äußern. Grundsätzlich zähle die Halbleiterindustrie zu den entscheidenden Zukunftstechnologien, teilte das Ministerium mit. "Mikrochips sind für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten von strategischer Bedeutung, wie auch der European Chips Act zeigt".

Größte Aktionäre des Leiterplattenerzeugers sind derzeit die Privatstiftungen des ehemalige Finanzministers und Aufsichtsratschefs Hannes Androsch mit 17,6 Prozent und von Willi Dörflinger mit 18,1 Prozent. Der Rest befindet sich in Streubesitz. Die Öbag könnte durch diese Transaktion also zum größten Einzelaktionär aufsteigen. Nach Bekanntwerden dieser Pläne war die AT&S-Aktie an der Wiener Börse am Dienstag im frühen Handel um mehr als 17 Prozent abgestürzt, bevor sich der Kurs wieder etwas erholte.

Den Kurssturz führt Finanzanalyst Daniel Lion von der Erste Group auf die angekündigte Kapitalerhöhung zurück, durch die der Anteil bestehender Aktionäre verwässert werde, also der Unternehmensgewinn auf eine höhere Anzahl an Aktien aufgeteilt werde. "Prinzipiell ist ein Einstieg der ÖBAG zur Absicherung der österreichischen Interessen und um die Kapitalausstattung der AT&S zu stärken zu begrüßen", sagt Lion. Allerdings stellt er die Frage in den Raum, warum dies jetzt erfolgen soll, denn: "Auf Basis der aktuellen Markttrends ist mit einer deutlichen Verbesserung der Marktnachfrage für AT&S Produkte in den kommenden Quartalen zu rechnen." Dies sollte auch auf den Aktienkurs durchschlagen, was dem Unternehmen bei einem Öbag-Einstieg mehr einbringen würde. Aus Sicht von Steuerzahlenden sei aber ein niedriger Einstiegskurs positiv.

Strategischer Einstieg

Hintergrund des möglichen Deals dürfte die seit 2019 für die Öbag bestehende Möglichkeit sein, sich mit Minderheitsbeteiligungen bei standortrelevanten Unternehmen wie AT&S, einem der wenigen an der Wiener Börse gelisteten heimischen Technologiekonzerne, zu beteiligen. Dadurch soll erschwert werden, dass diese Konzerne unter ausländische Kontrolle geraten. Öbag-Chefin Edith Hlawati hat bereits im Vorjahr betont, dass strategische Beteiligungen vor allem im Hightech-Bereich zu den künftigen Aufgaben der Staatsholding zählten. Demnach war die "Kriegskassa" damals mit rund einer Milliarde Euro gefüllt. Die Öbag verwaltet derzeit unter anderem die Staatsbeteiligungen am Stromkonzern Verbund, der Telekom Austria, dem Öl- und Gaskonzern OMV und der Österreichischen Post.

Dass sich AT&S an die Öbag gewandt habe, sei Teil der üblichen Investorenansprache gewesen. Die Gespräche seien noch ganz am Anfang. Aber auch von anderen Investoren gebe es Interesse an einer Beteiligung, sagt Vorstandschef Andreas Gerstenmayer. Wie lange die Gespräche dauern werden, sei jedoch nur schwer abschätzbar. Es könnten im Zuge der möglichen Kapitalmaßnahmen noch weitere Eigentümer an Bord gelangen. Insgesamt erwägt AT&S, "das Grundkapital der Gesellschaft aus genehmigtem Kapital gegen Bareinlage zu erhöhen und möglicherweise weitere Kapitalmaßnahmen umzusetzen, wobei das Gesamtvolumen dieser möglichen Kapitalmaßnahmen bis zu 50 Prozent des derzeitigen Grundkapitals der AT&S betragen kann". Die Details dieser Maßnahmen seien noch festzulegen, wobei der Vorstand zudem beschlossen habe, Gespräche mit potenziellen anderen Investoren über einen Einstieg bei den Steirern aufzunehmen.

Standorte in Österreich und Asien

AT&S verfügt über österreichische Produktionsstandorte in Leoben und Fehring sowie Werke in Indien, China und Südkorea. Eine neue High-End-Produktionsstätte wird derzeit in Malaysia errichtet, in Leoben ein Kompetenzzentrum mit angeschlossener Serienproduktion gebaut. Angesichts eines "volatilen Marktumfelds" hat AT&S in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahrs 2023/24 mit 814 Millionen Euro um 24 Prozent weniger umgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Der Betriebsgewinn verringerte sich dabei um mehr als die Hälfte auf 82 Millionen Euro. Das Unternehmen hat etwa 14.000 Beschäftigte.

Der AT&S machen derzeit eine schwächere Nachfrage und hoher Preisdruck zu schaffen. Spätestens im zweiten Halbjahr 2024 rechnet Vorstandschef Gerstenmayer aber mit einer deutlichen Markterholung. AT&S stellt neben Leiterplatten für Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und Medizinprodukte auch sogenannte IC-Substrate her, die etwa in Notebooks verwendet werden und als Verbindungselemente zwischen Leiterplatte und Chip dienen. Zu den Kunden zählen unter anderem die Chipriesen Intel und AMD, aber auch europäische Autozulieferer. (Alexander Hahn, 14.11.2024)