The Killer, David Fincher
Michael Fassbender als Berufskiller während der Recherche an seinem aktuellen Arbeitsplatz. Noch scheint die Welt in Ordnung zu sein. Das wird sich ändern.
Netflix

Das Töten muss als Beruf zwar nicht unbedingt als Kunst ausgeübt werden. Es sollte aber auf jeden Fall auf solidem Handwerk und jedwedem Fehlen von Skrupeln beruhen. Das ist uns allen aus den Studien einschlägiger Hard-boiled-Literatur und Filmen mit Altersbeschränkung bekannt.

Regisseur David Fincher hat gemeinsam mit seinem dank der gemeinsamen Arbeit für Seven bewährten Autor Andrew Kevin Walker die bis heute erfolgreiche französische Comicreihe Le tueur für Netflix adaptiert. Und er hat dabei speziell einen Film-noir-Klassiker im Auge gehabt, Jean-Pierre Melvilles Der eiskalte Engel mit Alain Delon von 1967.

Man kann nicht behaupten, dass Delon damals durch seinen mimischen Facettenreichtum beeindruckte. Im Wesentlichen betrachtete er die Welt mit seinen kalten blauen Augen – und die Welt begann deshalb zu frösteln. Auch heute erleben wir in The Killer den spätestens seit seinen Rollen als gefühlloser Android David in den Alien-Filmen Prometheus und Covenant in Zurückhaltung und kühler Distanz bestens geschulten deutsch-irischen Schauspieler Michael Fassbender dabei, wie er sich distanziert und gefühllos durch die Welt bewegt, beobachtet und zuschlägt.

Kalte blaue Augen

Seine blauen Augen werden meist von einer Sonnenbrille verdeckt. Er ist als altgediente, international gebuchte Tötungsmaschine in der obersten Einkommensstufe darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen, vor allem auch emotional nicht in seine Arbeit hineingezogen zu werden.

Nicht umsonst tarnt sich der Killer laut seinem ständig über den Betrachter niedergehenden inneren Monolog als Person, die man gewöhnlich nur beim Wegschauen wahrnimmt. Hier haben David Fincher und Michael Fassbender gleich zu Beginn alle Lacher auf ihrer Seite: Der Killer verkleidet sich mit Deppenhut und in Pensionisten-Beige laut eigenem Dafürhalten als deutscher Tourist streng nach Klischee. Wenngleich dem Killer natürlich berufsbedingt der Bratwurstbauch fehlt – und er dann doch durch viel zu viel Körperspannung auffällt.

Ein Job geht schief

Der Mann ist einfach nicht teigig und sackig genug. Das macht ja den Witz des auch schon bei seinen Filmen Fight Club und Seven für humoristische Höhepunkte sorgenden David Fincher aus.

Unser Fake-Deutscher wandelt also mehr als Geist denn als Ganztagespass-Ausnützer durch die von Fincher kühl und souverän vom Film noir adaptierte Licht- und Schattendramaturgie. Während der Killer in Paris im Haus gegenüber tagelang durch ein Zielfernrohr auf sein neuestes Tötungsziel starrt und zwischendurch seine Work-Life-Balance mit Yoga ausgeglichen zu halten versucht – so ein geplanter Mord macht einen bei aller Gefühlskälte ja trotzdem ein wenig unrund –, müllt er uns aus dem Off immer weiter mit fernöstlichen Banalitäten und Verhaltenstipps aus dem Nähkästchen eines gedungenen Mörders zu.

Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

Nachdem der Job dann lustigerweise schiefgeht, wird er vom Jäger zum Gejagten. Er ist schließlich ein unerwünschter Zeuge des geplanten Verbrechens. Jetzt wird es in einem durch diverse Länder und Städte führenden Stationendrama ziemlich brutal. Das Blut gefriert, aber es spritzt. Der Killer dreht den Spieß wieder um und rächt sich an seinen Auftraggebern.

In einer Nebenrolle taucht Tilda Swinton als weitere Händlerin des Todes auf. Ihr wie auch Fassbender schaut man immer gern zu. Ob der Witz am Ende eine Pointe hat, bleibt dem Publikum überlassen. Zwei Stunden Lebenszeit sind jedenfalls nicht vergeudet. Außerdem hört der Killer im Film ausschließlich Lieder von Morrissey und The Smiths. (Christian Schachinger, 15.11.2023)

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