Auto, Berufsverkehr, Pendeln
Das Auto ist das wichtigste Verkehrsmittel für Pendler in Österreich. Das kann mitunter auch zu Staus führen.
imago/Ralph Peters

Nur rund sieben Kilometer Luftlinie trennen Markus Friedels Wohnort in St. Andrä Wördern von seinem Arbeitsort in Korneuburg in Niederösterreich. Wenn es schlecht läuft, sitzt er trotzdem mehr als drei Stunden am Tag im Zug. "Oft funktioniert irgendwas nicht mit den ÖBB", sagt Friedel. Nimmt er das Auto, sind es immerhin nur circa 40 Minuten pro Strecke. Die meisten seiner Arbeitskollegen fahren mit dem Auto von Wien zur Arbeit nach Korneuburg, sagt Friedel – obwohl sie oft direkt neben der Schnellbahnstation wohnen. "Alle haben ihre Gründe fürs Auto: Sie müssen ihre Kinder abholen oder nach der Arbeit einkaufen fahren. Trotzdem frage ich mich: Geht das nicht anders?"

Anders – das soll vor allem heißen: nachhaltiger. Mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder Mitfahrgelegenheiten in die Arbeit zu pendeln. Rund 2,3 Millionen Pendlerinnen und Pendler gibt es laut Statistik Austria in Österreich. Darunter fallen laut Statistik alle Menschen, die ihre Gemeinde verlassen müssen, um zur Arbeit oder zur Ausbildung zu kommen. 72 Prozent von ihnen nutzen laut einer ÖAMTC-Studie von 2021 ausschließlich das Auto für den Arbeitsweg. In den meisten Fällen sitzen sie allein im Auto.

Die Regierung will das ändern und unter anderem das Mitfahren attraktiver machen. Das kündigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) kürzlich an. Demnach soll der Anteil an Pendlerinnen und Pendlern, die Mitfahrgelegenheiten nutzen, von derzeit fünf auf fünfzehn Prozent bis 2030 steigen. Damit das gelingt, soll beispielsweise der Zugang zu Mobilitätsangeboten und Apps vereinfacht und das Angebot verbessert werden. Zudem wolle man Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Anreize zur Verhaltensänderung setzen. Lässt sich damit der Pendelverkehr bald nachhaltig machen?

Auto als Selbstverständlichkeit

"Das Problem ist, dass die Leute für jede Semmel ins Auto steigen. Das Auto ist für viele eine Selbstverständlichkeit", sagt Friedel, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte. In den vergangenen Jahren, als die Kinder noch kleiner und "Zeit Mangelware" waren, sei auch er immer mit dem Auto zur Arbeit gefahren. Danach sei er auf das Fahrrad umgestiegen und in einer halben Stunde über das Donaukraftwerk Greifenstein in der Arbeit gewesen. Nun, da das Kraftwerk wegen Sanierungsarbeiten gesperrt ist, musste er auf den Zug umsteigen, mit dem er je nach Verspätungen und Ausfällen ein bis drei Stunden nach Korneuburg und wieder zurück benötigt. "Trotzdem spare ich mir im Vergleich zum Auto einiges an Kosten."

"Mobilität ist Gewohnheit", sagt Lina Mosshammer von der Mobilitätsorganisation VCÖ – Mobilität mit Zukunft. Wer beispielsweise jeden Tag das Auto als Verkehrsmittel nutzt, um in die Arbeit zu kommen, denke im Alltag kaum über Alternativen nach. Mehr als die Hälfte des gesamten Autoverkehrs in Österreich unter der Woche entfallen auf den Arbeitsweg oder auf Dienstreisen. Der sogenannte Pkw-Besetzungsgrad, also die Zahl der Menschen, die gemeinsam im Auto sitzen, sei bei Pendlern besonders niedrig. Gleichzeitig seien mehr als die Hälfte der Arbeitswege kürzer als zehn Kilometer. "Da besteht großes Potential, auf das Fahrrad, Carsharing oder Mitfahrgelegenheiten umzusteigen", sagt Mosshammer.

Begrenztes Angebot

Ähnlich sieht es auch Martin Grasslober, Verkehrsexperte beim ÖAMTC. "Pendeln ist immer noch ein ländliches Thema", sagt er. Denn mehr als die Hälfte aller Pendlerinnen und Pendler in Österreich wohnen in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern. Gerade dort sei das Angebot an öffentlichem Verkehr jedoch häufig sehr begrenzt. "Aus unserer Studie wissen wir, dass die Zeitersparnis das wichtigste Kriterium ist, warum Menschen mit dem Auto in die Arbeit pendeln", sagt Grasslober. Sofern es kein gut getaktetes Öffi-Angebot gibt, bleibe oft nur noch die Mitfahrgelegenheit als Alternative übrig. Dies könnte man mit steuerlichen Maßnahmen fördern. Beispielsweise indem es für Fahrtanbieter leichter wird, Geldbeträge von Mitfahrenden zu erhalten, ohne dafür gleich ins Gewerberecht zu fallen, sagt Grasslober.

Pendler wie Leopold Wagner sehen das skeptisch. "Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind beim Mitfahren sehr groß. Viele wollen die Flexibilität des eigenen Autos nicht aufgeben", sagt er. Seit 30 Jahren pendelt Wagner von seinem Wohnort in der Nähe von Retz in Niederösterreich nach Wien. Meistens nimmt er dafür den Zug, mit dem er rund eine Stunde braucht. Das sei die günstigste und angenehmste Variante, sofern es zu keinen Ausfällen oder Verspätungen kommt. "Man muss mit seiner Zeit im Zug auch etwas anfangen können", sagt er.

Verantwortung von Unternehmen

Seit einigen Jahren engagiert sich Wagner auch in der Pendlerinitiative, einem Verein mit dem Ziel, "die Lebensumstände der Pendlerinnen und Pendler zu verbessern". "Es fehlt an Fantasie, den Pendelverkehr nachhaltiger zu machen", sagt Wagner. So könnten beispielsweise mehr E-Ladestationen an Bahnhöfen aufgestellt werden, um Pendler mehr zum Zugfahren zu bewegen. Das Platzangebot in den Zügen müsste erweitert und die Pendlerpauschale reformiert werden, um die Nutzung von Öffis stärker zu fördern. Eine große Verantwortung haben auch Unternehmen, die sich derzeit oft wenig dafür interessieren, wo ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohnen und wie diese in die Arbeit gelangen, sagt Wagner.

Pendeln, Zug
Nicht immer ist eine Anreise mit dem Zug einfach möglich.
IMAGO/Panthermedia

Unternehmen wie Pave Commute wollen das ändern. "Das Problem ist: Je mehr Leute jeden Tag allein mit dem Auto zur Arbeit fahren, desto mehr Staus, Lärm und Umweltverschmutzung haben wir im Straßenverkehr", sagt Albert Vogl-Bader, Mitgründer und Geschäftsführer von Pave Commute. Das Auto sei auch deshalb so beliebt, weil viele Menschen nicht die vollen Kosten miteinrechnen. "Viele schauen maximal auf den Spritpreis und nicht auf die Kosten, die durch die Versicherung oder Abnutzung entstehen", sagt Vogl-Bader.

Belohnung für CO2-Ersparnis

Vor ein paar Jahren entwickelte Vogl-Bader eine App, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unternehmen für den Arbeitsweg zu vernetzen. Sobald sich Pendler die App herunterladen, erhalten sie Vorschläge, welche nachhaltigen Möglichkeiten es für ihren Arbeitsweg gibt. Dies kann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Fahrrad oder Mitfahrgelegenheiten sein.

Beispielsweise erhalten Nutzerinnen und Nutzer Vorschläge, mit welchen Kolleginnen und Kollegen sie sich für eine Fahrgemeinschaft zusammenschließen können, abgestimmt auf Wohnort, Arbeitsort und Arbeitszeit. Unternehmen wiederum können ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Belohnungen wie etwa Gutscheine, Freistunden oder zusätzliche Urlaubstage für das eingesparte CO2 anbieten, sagt Vogl-Bader. Davon können auch die Unternehmen selbst profitieren: Einerseits können sie Parkplätze einsparen, andererseits ihre eigene Klimabilanz verbessern.

Weniger Firmenwagen

Ein ähnliches Konzept schlägt auch Mosshammer vom VCÖ vor. Mithilfe eines Mobilitätsbudgets könnten Unternehmen ihre Mitarbeiter zu nachhaltigem Pendeln motivieren. Jedem Mitarbeiter beziehungsweise Mitarbeiterin könnten beispielsweise 50 Euro pro Monat als Freibudget zur Verfügung gestellt werden, das dann für öffentliche Verkehrsmittel, Mitfahrgelegenheiten, Carsharing oder das Fahrrad genutzt werden könnte, sagt Mosshammer. Unternehmen könnten auch profitieren, indem sie die Firmenwagenflotte beispielsweise in einen gemeinsam genutzten Fahrzeugpool umwandeln und insgesamt weniger Firmenwagen brauchen.

"Bei unserer Firma sind die Parkplätze jeden Tag voll", sagt Maria Aigner. Viele der über tausend Mitarbeiter ihres Arbeitgebers, der Firma Welser Profile am Standort Gresten in Niederösterreich, fahren mit dem eigenen Auto zur Arbeit. Grund dafür sei auch, dass es auf dem Land schwieriger sei, öffentlich zu pendeln, und es in ihrem Betrieb viele Mitarbeiter mit flexibler Arbeitszeit gebe. "Da will sich keiner durch Mitfahrgelegenheiten zu sehr fixieren", sagt Aigner. Auch um die Parkplätze zu entlasten, habe sich ihr Unternehmen dazu entschlossen, Mitarbeitern mithilfe der App von Pave Commute Belohnungen für den Umstieg vom eigenen Auto auf Mitfahrgelegenheiten, Öffis oder das Rad anzubieten. Zusätzlich habe man E-Busse für Fahrgemeinschaften und einen Abholdienst für Lehrlinge organisiert.

Punkte für Umstieg

"Wer mit dem Bus oder dem Rad in die Arbeit fährt, erhält dafür Punkte", erklärt Aigner. Mit diesen Punkten könne man sich bis Ende des Monats Lose kaufen, um damit vielleicht vier Urlaubsstunden zu gewinnen. Aigner selbst fährt jeden Tag mit dem Rad in die Arbeit – und hat sich damit bereits ein paar Lose finanziert, sagt sie.

Mitfahrgelegenheit, Fahrrad, Pave Commute
Maria Aigner sammelt Punkte, wenn sie mit dem Rad zur Arbeit fährt.
Pave Commute

Doch nicht überall ist die Anfahrt ohne eigenes Auto gut möglich, etwa wenn der Arbeitsort abgelegen und die Zahl möglicher Mitfahrgelegenheiten gering ist – oder wenn es schlicht an Verbindungen öffentlicher Verkehrsmittel fehlt. Laut einer kürzlich erschienenen Studie des VCÖ sind beispielsweise zwölf regionale Zentren in Österreich gar nicht mit der Bahn erreichbar. Dazu zählen etwa Abtenau, Bad Gleichenberg, Eisenerz, Oberpullendorf, Völkermarkt oder Zwettl. Entscheidend sei deshalb auch die Bau- und Wohnpolitik, betont der VCÖ. Gemeinden müssten die Zersiedelung stoppen und die Ortskerne und die Nahversorgung stärken, um damit alltägliche Wege kürzer und nachhaltiger zu machen.

Orte an Autobahn

Es ist eine Entwicklung, wie sie auch Friedel beobachtet. "Jedes Jahr, wenn ich einen Freund im Bereich Ebreichsdorf besuche, steht dort ein Reihenhaus mehr", sagt er. Viele hätten dort in den vergangenen Jahren Grundstücke gekauft, weil es billig war und weil man über die Autobahn schnell nach Wien komme. Eine ähnliche Entwicklung nehme er auch in Grafenwörth in Niederösterreich wahr. "Viele Orte setzen für ihre Entwicklung extrem auf eine Autobahnanbindung", sagt er. Tulln sei für ihn ein Beispiel, wie die verkehrsberuhigte Innenstadt und die Ortskernbelebung in Zukunft funktionieren können.

Nichtsdestotrotz schlummert in Mitfahrgelegenheiten viel Potenzial, Pendeln nachhaltiger zu machen, sagen Experten. "Je mehr Menschen Mitfahrgelegenheiten anbieten und nutzen, desto flexibler wird es", sagt Martin Grasslober. Damit können Mitfahrgelegenheiten eines Tages vielleicht auch dort interessant werden, wo es bisher kaum Angebote an öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen Transportmitteln gab. (Jakob Pallinger, 17.11.2023)

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