Auf Arndt Geiwitz kommt jede Menge Arbeit zu. Drei Wochen hat sich der deutsche Sanierungsexperte und neue Signa-Hauptverantwortliche Zeit gegeben, um den Konzern zu durchleuchten. Die Aufgabe gilt als schwierig, denn die Struktur der Signa ist intransparent wie nur wenige.

Unterhalb der beiden Hauptschienen Immobilien und Handel besteht die Signa – Bilanzsumme geschätzt 27 Milliarden Euro – aus rund tausend einzelnen Unternehmen. Eine gemeinsame Bilanz für das Konglomerat existiert nicht. Die Intransparenz ist gewollt, wie zuletzt eine Recherche im Magazin News zeigte. Demnach ließ die Signa Experten der Wirtschaftsprüfungskanzlei TPA gezielt erarbeiten, wie sich die Legung einer Konzernbilanz vermeiden lässt.

Signa-Zentrale auf der Wiener Freyung: Was zur Signa gehört und was nicht, ist mitunter unklar.
Signa-Zentrale auf der Wiener Freyung: Was zur Signa gehört und was nicht, ist mitunter unklar.
REUTERS/LEONHARD FOEGER

Wie hart die Aufgabe für Geiwitz wird, zeigen auch Firmenbuchrecherchen des STANDARD. Die Intransparenz reicht derart weit, dass man im Reich der Signa mitunter gar nicht mehr weiß: Gehören Unternehmen, die "Signa" im Namen tragen, wirklich zur Signa? Oder eher zu Signa-Gründer René Benko privat? Oder handelt es sich um irgendwelche Konstrukte dazwischen? Der Sinn und Zweck derart komplexer Strukturen muss vorerst offen bleiben; die Signa reagierte nicht auf entsprechende Anfragen des STANDARD.

10.000 Euro pro Nacht

Erstes Beispiel, das Luxusresort "Eden Reserve" in Gardone am italienischen Gardasee. Es ist ein Herzeigeprojekt von Benko: einzelne Villen, die sich einen Hang Richtung Seeufer hinunterziehen, konzipiert von international renommierten Architekten. Ursprünglich hätten diese Objekte – so berichteten Medien vor ungefähr einem Jahrzehnt – an einzelne Superreiche verkauft werden sollen. Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz etwa waren als Interessenten im Gespräch. Später jedoch sattelte die Signa um – die Gründe dafür kennt man nicht. Heute lassen sich die Villen tage- und wochenweise mieten. Kosten für eine Nacht: rund 10.000 Euro.

Villen für 10.000 Euro pro Nacht: das
Luxus am Gardasee: Die Villen des "Eden Reserve" kosten rund 10.000 Euro pro Nacht
Screenshot Promo-Video Eden Reserve

Laut Website handelt es sich beim Eden um ein Projekt der Signa. "Signa Luxury Resort" steht in eleganten Lettern auf der Website. In öffentlich zugänglichen Konzernpräsentationen findet sich stets auch das Eden als Signa-Projekt angeführt. Als Geschäftsführer der italienischen Firma, die das Eden betreibt, fungiert zudem Marcus Mühlberger, ein hoher Manager der Signa-Holding. Ganz eindeutig also ein Signa-Projekt – möchte man meinen.

Wer in Firmenbüchern recherchiert, stellt jedoch fest: Tatsächlich hat das Eden Reserve gar nichts mit der Signa zu tun; zumindest gibt es keine formelle und öffentlich einsehbare Anbindung an den Konzern.

Video: Benko gibt Vorsitz im Signa-Beirat an Geiwitz ab.
APA

Keine formelle Anbindung

Das Luxusresort gehört einer Beteiligungsgesellschaft in Luxemburg, die wiederum einer Stiftung in Liechtenstein gehört: der "Ingbe Stiftung" in Schaan bei Vaduz, gegründet im Jahr 2014. Als Vertreter dieser Stiftung tauchen in Handelsregistern lediglich liechtensteinische Anwälte auf. Wer wirklich dahintersteckt, wer die Finanziers und Begünstigten sind, weiß man nicht. Zur Signa jedenfalls ist kein offizieller Konnex ersichtlich.

Dem Vernehmen nach ist die Ingbe-Stiftung nach Benkos Mutter benannt, Ingeborg Benko. Im Jahr 2017 befasste sich die deutsche Wirtschaftswoche mit der liechtensteinischen Stiftung. Sie sei eine Art Investitionsvehikel, teilte damals die Signa dem Medium mit – ein anonymer Finanzier stehe dahinter. "Ein Signa-Sprecher versicherte, es handele sich um einen seriösen Investor, der aber nicht genannt werden wolle", schrieb die Wirtschaftswoche 2017. Heute will die Signa dem STANDARD keine Informationen zur Ingbe-Stiftung mitteilen.

"Ein seriöser Investor"

Das zweite Beispiel ist erneut ein Luxusresort: das "Chalet N" im Vorarlberger Skiort Oberlech. Benannt ist es nach Benkos Frau Nathalie. Hier bezahlen betuchte Gäste bescheidene 270.000 Euro pro Woche. Wie das Eden-Resort gilt auch das Chalet N unzweifelhaft als Signa-Projekt; auch hier findet sich das Signa-Logo auf der Website. Und erneut tun sich beim genauen Blick auf die Besitzverhältnisse Fragen auf.

Betrieben wird das Chalet N von der Firma "Signa Luxury Collection GmbH", registriert in der Wiener Signa-Zentrale auf der Freyung. Diese Luxury Collection wiederum gehört einer Firma namens "Signa AT 2020 Vier KG".

Letzeres Unternehmen zählt aber gar nicht zum Signa-Konzern, jedenfalls nicht großteils. Als unbeschränkt haftender Gesellschafter – also jener Akteur, der das Risiko übernimmt, sollten etwa finanzielle Probleme auftreten – scheint Signa-Holding-Vorstand Marcus Mühlberger persönlich auf. Mühlberger gilt als einer der engsten Vertrauten Benkos aus seinem Tiroler Umfeld und hat (in unterschiedlichen Signa-Unternehmen und Benko-Stiftungen) rund hundert verschiedene Positionen inne. Die Signa-Holding findet sich daneben zwar ebenfalls im Firmenbuch als Gesellschafter der "Signa AT 2020 Vier KG" – aber nur beschränkt haftend, bis zu einer Summe von 5.000 Euro. Warum haftet hier ein Manager gewissermaßen als Privatperson voll für ein Signa-Projekt? Warum wählt ein Konzern solche Konstruktionen? Auch hier gab es von der Signa keine Auskunft.

Signa oder nicht Signa?

Fälle wie das Eden am Gardasee oder das Chalet N in Oberlech könnten Geiwitz Kopfzerbrechen bereiten. Denn aus der Unklarheit, ob es sich nun um Signa- oder eher um Benko-Projekte handelt, ergibt sich die Frage, unter wessen Verantwortung die Objekte nach dem nunmehrigen Rücktritt Benkos fallen. Unter jene von Geiwitz, der den Konzern sanieren soll? Oder verbleiben sie bei Benko?

Solche Fragen muss Geiwitz klären, ehe er seinen zweiten Schritt setzen kann: Nach der Analyse der Struktur und Finanzlage der Signa will er den Investoren mitteilen, wie viel Kapital genau der Konzern braucht, um den Fortbestand zu sichern. Die Summe sollen die Investoren – also Benko selbst ebenso wie die anderen Geldgeber, beispielsweise Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner – dann in einigen Wochen zuschießen. Bis dahin wird jedenfalls noch einiges aufzuarbeiten sein. (Joseph Gepp, 15.11.2023)