René Benko
René Benko zog sich vorigen Mittwoch aus dem Vorstand des Sigma-Konzerns zurück.
APA/HANS KLAUS TECHT

Eine Firmenpleite hier, eine Überprüfung durch Banken dort, dazu fortlaufend Debatten über politische Verwicklungen: Wirklich gut waren die Nachrichten, die aus der Signa drangen, schon in den letzten Monaten nicht.

Vergangene Woche jedoch haben die Ereignisse rund um den milliardenschweren Immobilien- und Handelskonzern Signa des Tiroler Geschäftsmanns René Benko eine Dynamik gewonnen, die selbst Kenner überrascht hat.

Schulden im zweistelligen Milliardenbereich

Zuerst forderten mehrere hochrangige Investoren rund um den Bauunternehmer und Signa-Mitgesellschafter Hans Peter Haselsteiner Benkos Entmachtung zugunsten des deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz, der Benko bei der Sanierung der Galeria-Kaufhäuser beriet. Die Personalie brauche es "zur Rettung der Gruppe", ließen die Geldgeber wissen – die Schulden der Signa Holding liegen jedenfalls im zweistelligen Milliardenbereich.

Es folgten tagelange harte Verhandlungen bis hin zu offenem Streit. Am Ende, vorigen Mittwoch, beugte sich Benko dem Druck und räumte das Feld für Geiwitz. "Benko ist raus", sagt ein Beteiligter dem STANDARD. Leichtgefallen sei ihm der Rückzug nicht, hieß es euphemistisch. Der 46-jährige Innsbrucker hat die Signa ab 1999 von kleinen Anfängen weg aufgebaut.

Steuerberater aus Ulm

Geiwitz, ein 54-jähriger Steuerberater aus Ulm, war schon für mehrere Großunternehmen in Krisen verantwortlich, im Jahr 2012 etwa für die Handelskette Schlecker. Aber die Signa ist selbst für den Experten Geiwitz ein neues Kaliber.

Das Firmengeflecht mit zuletzt rund 27 Milliarden Euro Bilanzsumme legt auf Konzernebene keine Bilanz und gilt als intransparent wie nur wenige. Unterhalb der beiden Signa-Hauptschienen Immobilien und Handel finden sich rund tausend Subunternehmen.

Wie tief reichen die Probleme der Signa wirklich, und wer muss jetzt möglicherweise um sein Geld fürchten? In erster Linie sind es die finanzkräftigen Investoren wie Haselsteiner, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller oder Ernst Tanner, Verwaltungsratschef des Schweizer Schokoladenkonzerns Lindt & Sprüngli. Haselsteiner etwa ist laut Firmenbuch indirekt zu 15 Prozent an der Signa Holding beteiligt, Toeller mit 4,5 Prozent. Sie alle haben viel Kapital in den Konzern gesteckt, das ihnen bisher hohe Profite bescherte.

Intransparenz

Jetzt fürchten sie um ihre Einlagen – und führen gern die Intransparenz der Signa-Gesellschaften ins Treffen. Die allerdings war offenbar kein Problem für sie, solange viel Geld geflossen ist.

Einer, der nicht bis zum Schluss mitgespielt hat, ist der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Er ist bereits 2016 aus der Signa ausgestiegen. "Die Zahlen, die mir vorgelegt wurden, stimmten nicht mit dem überein, was uns Benko in den Sitzungen vorgetragen hat", erklärte er jüngst im Handelsblatt.

Uneinige Investoren

Unter den verbliebenen Investoren herrscht Uneinigkeit, wie mit der Situation umzugehen sei. Wie die deutsche Welt berichtet, wollen sich einzelne Geldgeber wie der Unternehmensberater Roland Berger – der allerdings nur 1,64 Prozent an der Signa Holding hält – lieber auszahlen lassen, statt nochmals zur Kasse gebeten zu werden. Andere, wie Haselsteiner, glauben an die Sanierbarkeit des Konzerns.

Viel Geld haben auch Banken in der Signa stecken. Allein in Österreich sind es dem Vernehmen nach rund 2,2 Milliarden Euro – wobei sich ungefähr zwei Drittel davon auf Banken des Raiffeisen-Sektors und die Bank Austria verteilen. Die Geldhäuser haben sich aber laut STANDARD-Informationen zu ungefähr zwei Drittel mit Immobilien im Grundbuch abgesichert. Das Engagement könne zwar schmerzhaft enden, sei aber verkraftbar, heißt es aus Bankenkreisen. In diesen Besicherungen liegt der große Unterschied zwischen den Banken und den Investoren; Letztere sind an der Signa Holding beteiligt, haben derartige Sicherheiten also nicht.

Warum kennt man all diese Details überhaupt? Vor einigen Monaten haben die Bankenaufseher aus der EZB die Engagements der Banken bei der Signa genau unter die Lupe genommen. Anlass waren die Übernahme der Galeria-Kaufhof-Kaufhäuser in Deutschland durch die Signa und die darauffolgenden Insolvenzverfahren. Sie hatten – auch politische – Debatten über die Stabilität der Signa-Gruppe ausgelöst. Es war das erste Mal, dass die EZB das Kreditportfolio eines bestimmten Schuldners durchleuchtet hat. In Österreich waren Finanzmarktaufsicht und Nationalbank in den EZB-Prüfteams unterwegs. Die Botschaft der Aufseher: Die Institute sollen ihr Risiko in Sachen Signa tunlichst beschränken.

Aufgescheuchte Gläubiger

Das dürfte auch geschehen sein. Zumindest die österreichischen Banken wie etwa die Raiffeisen Bank International (RBI) sollen dem Rat der Aufseher gefolgt sein. Um wie viel genau sich die Außenstände verringert haben, ist allerdings nicht bekannt. Dem Vernehmen nach soll auch das Finanzministerium in die heikle Causa eingebunden sein; kolportiert wird ein Treffen mit Vertretern von Raiffeisen, die über ihr Signa-Engagement informieren sollen. Bestätigt ist das jedoch nicht.

Neben Banken und Investoren gibt es weitere Betroffene: die Anleihegläubiger. Institutionelle Investoren wie Versicherer, Pensions- und Hedgefonds haben Papiere gezeichnet, etwa bei der Signa Development AG, dem wichtigen Immobilienentwickler. Die Gläubiger haben nun die Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte zu ihrem Vertreter erkoren. Am Donnerstag trafen sich Signa-Manager und Anleihehalter zu einem Telefontermin. Fragen an die Signa-Leute waren dabei nicht zugelassen, berichtet die Londoner Finanzplattform 9fin, etwa warum Signa Development die Cash-Management-Transaktionen für Signa-Einheiten gestoppt hat. Man erwarte immerhin, in naher Zukunft 100 Millionen Euro an ausständigen Forderungen einzutreiben, hieß es von Signa. Die Summe könnte aus dem Verkauf des Bürokomplexes Beam in Berlin stammen. Signa reagierte nicht auf Fragen des STANDARD zum Gläubigertreffen.

Geiwitz jedenfalls hat sich laut ORF-Radio drei Wochen Zeit gegeben, um den Signa-Konzern und dessen Beteiligungen zu durchleuchten. Sinn dieser Übung: festzustellen, wie viel Geld der Konzern braucht, um nicht pleitezugehen. Laut Medien soll es sich um grob 400 Millionen Euro handeln. Nach dem Abschluss seiner Prüfung wird Geiwitz bei den Investoren die notwendige Summe einfordern. Erwartet wird, dass auch Signa-Gründer Benko selbst Geld einschießt.

Kontrollierter Abverkauf

So soll eine Insolvenz verhindert werden – über einen kontrollierten Abverkauf, der den Investoren und kreditgebenden Banken möglichst viel von ihrem Kapital rettet.

Die Investoren könnten aber nicht nur Verlierer in der Causa Signa sein, sondern mitunter auch etwas davon haben. Immer wieder wird kolportiert, dass einige von ihnen interessiert seien, selbst das eine oder andere Gustostück aus dem Benko-Reich billig herauszukaufen. An Büroimmobilien bestehe in dieser Hinsicht mehr Interesse als etwa an Luxushotels, sagt ein Insider. "Investoren werden wohl einzelne Pakete übernehmen."

Sollte die Restrukturierung hingegen in überstürzte Notverkäufe münden, droht Gefahr für den gesamten Immobilienmarkt, der ohnehin unter sinkenden Preisen und einem Mangel an Transaktionen leidet. Ein Verschleudern von Immobilien seitens der Signa würde Preise und Bewertungen in den Abgrund ziehen – noch tiefer als bereits ohnehin. (Joseph Gepp, Renate Graber, Luise Ungerboeck, 11.11.2023)