Weihnachtsbeleuchtung beim Goldenen Quartier in Wien.
Mehrere Appartements im ersten Bezirk gehören zyprischen Gesellschaften. Die tatsächlichen Eigentümer sind hinter verschachtelten Firmenkonstrukten versteckt.
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Es ist November, und vom Goldenen Quartier in der Wiener Innenstadt funkelt schon die Weihnachtsbeleuchtung. Das prunkvolle Gebäude unweit des Stephansplatzes zählt zu den nobelsten Adressen Wiens. In den unteren Etagen haben sich Geschäfte und Büros einquartiert, die oberen wurden zu Luxuswohnungen ausgebaut. Doch wer wissen will, wem die Appartements gehören, stößt rasch an Grenzen: Als Eigentümerin zweier Wohnungen scheint im Grundbuch die zyprische Gesellschaft Aberfly Limited auf. Wer hinter der Firma steckt, ist nicht bekannt.

Kaum einen Kilometer Luftlinie entfernt zeigt sich am Wiener Schottenring ein ähnliches Bild: Eigentümerin einer der Luxuswohnungen in den Obergeschoßen des Palais Hansen ist laut öffentlichen Dokumenten die zyprische Gesellschaft Artomax Enterprises Limited. Und ein Stück weiter Richtung Donaukanal hat erst jüngst, Anfang 2023, eine East Energy Resource Limited ein Appartement gekauft. Die Öffentlichkeit hätte vermutlich nie erfahren, wer dahintersteckt. Doch nun macht es ein Datenleck bei zyprischen Finanzdienstleistern möglich, die verschachtelten Konstrukte hinter den offiziellen Eigentümergesellschaften zu durchleuchten.

Wie Recherchen des STANDARD im Rahmen des internationalen "Cyprus Confidential"-Projekts zeigen, führen die Spuren hinter den Immobilien zu einem russischen, einem georgisch-britischen und einem ukrainischen Geschäftsmann. Der erste war ein hochrangiger Manager im russischen Stahlkonzern Severstal des sanktionierten Oligarchen Alexej Mordaschow. Der zweite arbeitete in Spitzenpositionen für die russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft. Die Spuren hinter der dritten Gesellschaft, die die Appartements am Donaukanal kaufte, führen zu einem der wohlhabendsten Ukrainer.

Verschleierte Firmenkonstrukte

Dokumente legen nahe, dass die drei Geschäftsmänner offenbar viel Zeit und Geld investiert haben, um sich über Zypern ein Konstrukt an Firmengeflechten aufzubauen. Und sie sind damit nicht allein: Im Zuge der Recherchen identifizierte DER STANDARD rund 40 zyprische Gesellschaften, die in Wien eine oder mehrere Immobilien besitzen.

Die Spuren führen immer wieder nach Russland und Osteuropa, aber auch wohlhabende Österreicherinnen und Österreich nutzen zyprische Gesellschaften, um Immobilien im eigenen Land zu kaufen. So erwarb etwa ein österreichischer Investor die ehemalige Villa der Schauspielerfamilie Hörbiger in Wien-Grinzing – über den Umweg Zypern. Warum aber betreiben wohlhabende Menschen einen derartigen Aufwand?

DER STANDARD hat bei den Betroffenen nachgefragt. Der Tenor der Antworten: Alle Steuern werden ordnungsgemäß abgeführt, man nütze die zyprischen Gesellschaften aus "Convenience". Es sei eben üblich, bei Immobilieninvestitionen auf Unternehmen zurückzugreifen. Warum dafür nicht österreichische Gesellschaften genutzt werden, bleibt offen.

Nikosia bei Nacht.
Zypern ist für russische Geschäftsleute ein Tor in die Europäische Union.
AFP/AMIR MAKAR

Diskretion und Steuervorteile

Klar ist jedenfalls, dass zyprische Firmen Diskretion bieten. Auf der Mittelmeerinsel ist es vergleichsweise einfach, die wahre Eigentümerschaft hinter Gesellschaften zu verbergen. Dafür werden Treuhänderinnen und Treuhänder eingesetzt, die die Firmen zwar offiziell besitzen, de facto aber nur als Strohleute auftreten. Kriminelle nutzten Zypern in der Vergangenheit deshalb immer wieder als Umschlagplatz für Geldwäsche. Zudem bietet das Land Unternehmen und Privatpersonen zahlreiche steuerliche Vorteile.

Für russische Geschäftsleute und Investoren ist Zypern aber wohl auch aus einem anderen Grund ein beliebter Hafen: Zyprische Gesellschaften gelten als EU-Gesellschaften – und genießen in der gesamten Union die gleichen Rechte wie etwa deutsche oder österreichische Unternehmen.

Vorteilhaft ist das vor allem bei Immobilienkäufen. In Österreich und vielen anderen EU-Ländern ist der Grunderwerb durch Personen aus Drittstaaten – also aus Staaten außerhalb der EU – streng reglementiert und nur mit Zustimmung der Behörden erlaubt. Voraussetzung für die Genehmigung ist ein "volkswirtschaftliches oder soziales Interesse". EU-Gesellschaften haben es da deutlich einfacher: Sie können ohne Beschränkungen in Grund und Boden investieren. Zwar müssen österreichische Gesellschaften beim Kauf einer Immobilie eine Erklärung darüber abgeben, dass nicht Personen aus Drittstaaten die Hauptgesellschafter sind. Für Gesellschaften aus anderen EU-Staaten wie Zypern gelten diese Voraussetzungen allerdings nicht.

Werden zyprische Gesellschaften also systematisch genutzt, um die Bestimmungen zum Ausländergrunderwerb zu unterlaufen? Wer will, kann die europäischen Grundverkehrsgesetze mithilfe zyprischer Firmen jedenfalls legal umgehen – und dabei sogar als Eigentümer prunkvoller Wiener Immobilien anonym bleiben. (Jakob Pflügl, Fabian Schmid, Timo Schober, Mitarbeit: Laurin Lorenz, 15.11.2023)