Wien modern
Das Komponieren beschreibt Rebecca Saunders als einen Vorgang, bei dem "der Klang aus der Stille herausgerissen wird".
Astrid Ackermann

Es ist eine Art Festival im Festival Wien Modern: Mitkonzipiert von dem – im Titel mitgenannten – Schweizer Stararchitekten, erobern bei ebendiesem Musikverein Perspektiven: Peter Zumthor (15.–24. 11.) auch vielschichtige Werke der britischen Komponistin Rebecca Saunders den Goldenen Saal.

Die Komposition Yes, die sich originell im ehrwürdigen Saal ausbreitet, kann auch als Symbol für die angestrebte erneuernde Vielfalt betrachtet werden, die der Musikverein-Intendant Stephan Pauly anstrebt. Er will ja "Tradition und Innovation miteinander verschränken".

Wolfgang Rihms Impulse

Die Britin, auch mit dem renommierten Ernst-von-Siemens-Musikpreis ausgezeichnet, wird bei Yes im großen Saal gleichsam ein Orchesterinstrument um das Wien-Modern-Publikum bauen. Für Saunders, die aus einer Musikerfamilie stammt und durch Wolfgang Rihm entscheidende Impulse erlangte, ist das Stück eine Art von abstraktem Raummusiktheater. Klarheit der Aussage wird nicht angestrebt. Es herrschen Andeutungen, Zustände, die übereinandergeschichtet werden, während eine Sopranistin durch den Saal wandert. Das Ensemble Musikfabrik findet sich im Raum verteilt und sendet Impulse anhand der "Module", wie Sounders die komponierten Inseln ihres Stückes nennt.

Faible für Joyce

Das textliche Element von Yes hat Bezug zum gesamten Schaffen der in Berlin lebenden Komponistin. Der Gedankenmonolog der Molly Bloom aus James Joyce’ Ulysses zieht sich schließlich als permanentes Objekt von Reflexion und Inspiration durch ihr gesamtes Werk.

Die 1967 in London Geborene empfindet das Komponieren auch als absichtsvolle Anfertigung eines, man könnte sagen: absichtslosen Geschehens. "Eigentlich möchte ich mit meiner Musik nichts sagen, nichts tun. Ich möchte, dass sie für sich lebt. Ich will einen Zwischenraum schaffen", erzählt Saunders, eine uneindeutige Landschaft. Es ginge nicht um das Erzählen von Geschichten. Gerade deswegen schätze sie Beckett und Joyce.

Das Komponieren beschreibt sie als jenen Vorgang, bei dem "der Klang aus der Stille herausgerissen wird". Das ist prinzipiell bei jeder Musik der Fall. Aber bei Saunders, die, wenn sie auf historische Vorlieben angesprochen wird, Namen wie Bach, Brahms, Mahler und Schubert nennt, ist das Bewegen am Rande der Stille auch essenzieller Bestandteil der Stücke.

Noch mehr Werke

Saunders ist auch abseits der Musikverein Perspektiven: Peter Zumthor in der aktuellen Saison im Traditionshaus präsent. Als "Komponistin im Fokus" ist sie abseits von Wien Modern im Konzertalltag zugegen. Mit einer Musik, die am Freitag physische Präsenz entfalten wird. Schließlich sind die Hörenden bei Yes mittendrin und nicht nur dabei. Damit wird auch zu erleben sein, dass es eine absolute Hörwahrheit nicht gibt. Alles klingt, je nach Position, immer anders. (Ljubisa Tosic,14.1..2023)