Denkmal Sowjetarmee Bulgarien Sofia Abbau
Bulgariens EU-Befürworter haben vorerst gewonnen: Arbeiter tragen das Monument für die Sowjetarmee im Herzen von Sofia ab. Die Demontage des vor über 70 Jahren errichteten Denkmals war von russophilen Bulgaren bis zuletzt bekämpft worden.
Julia Lazarova / AFP

Manchmal kann Innovation schlecht riechen. So schlecht, dass man, bei aller uneingeschränkten Hochachtung für eine an sich brillante Idee, deren Präsentation fast nicht erträgt. So erging es 45 österreichischen Unternehmerinnen, die vor kurzem mit Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin Martha Schultz den Markt in Bulgarien sondierten. Schultz, auch Vorsitzende des WKO-Subvereins Frau in der Wirtschaft, hatte eine Reihe von Betriebsbesuchen in und um Sofia auf dem Zettel – und in einer Firma, die just auf den klingenden Namen Nasekomo hört, roch es penetrant süßlich-muffig. Das bulgarisch-französische Scale-up züchtet die winzige Schwarze Soldatenfliege zu Millionen und Abermillionen Stück. Aus den Larven werden Eiweiße, Öle und Dünger für die Futtermittel- und Agrarindustrie produziert. Das Unternehmen ist höchst erfolgreich, es gibt bereits zahlreiche Anfragen aus dem Ausland – allein die ausführlichen Erklärungen der Betriebsleiter zum Produktionsvorgang waren nicht ganz einfach auszuhalten. Zahlreiche Österreicherinnen suchten vorzeitig den Weg ins Freie. Zum Ausgleich gab's am nächsten Tag ein Meeting mit der jungen Eigentümerin des bulgarischen Kosmetikunternehmens Wooden Spoon, das Pflegeprodukte auf rein pflanzlich-natürlicher Basis herstellt – ohne Konservierungsstoffe.

Diese beiden Schlaglichter auf den zweitägigen Bulgarien-Trip der österreichischen Unternehmerinnen zeigen jedoch zweierlei: Bulgarien ist zwar nach wie vor ökonomisch ein armes Land, wie erst vor kurzem, am Internationalen Tag der Kinderrechte, wieder deutlich wurde: Die ärmsten Kinder der EU leben in Bulgarien. Das ist die eine Seite. Die andere: Wirtschaftlich geht es langsam, aber stetig aufwärts, die Innovationskraft vor allem junger Bulgarinnen und Bulgaren ist groß. Das kleine EU-Land (6,8 Millionen Einwohner) hatte zuletzt starke Wachstumsraten – vor zwei Jahren 7,6 Prozent, 2022 immerhin noch 3,4 Prozent. Tourismus und Außenhandel stiegen stark an, der Inlandskonsum wuchs.

Der Ukrainekrieg und auslaufende staatliche Stützprogramme gegen die hohe Inflation (für 2023 durchschnittlich 8,5 Prozent) bremsten die dynamische Entwicklung wiederum, die turbulente innenpolitische Lage tat ein Übriges: Fünf Parlamentswahlen seit dem Frühjahr 2021 und nun eine komplizierte Koalition, die in der Mitte der Legislaturperiode die Premierposition wechseln wird. Demgegenüber ist die Arbeitslosigkeit mit 4,3 Prozent niedrig. Die neue Regierung plant, die Staatsverschuldung weiter zu drücken, die Inflation zu bekämpfen und der Eurozone ab 2025 beizutreten.

Erleichterung für Reisende

Was den geplanten Schengen-Beitritt betrifft, so einigte man sich zumindest darauf, im Flugverkehr das Schengen-Veto zu lockern. Die heimische Industrie sprach in einer Aussendung am Wochenende von einem "wichtigen Schritt", da die Vereinbarung nicht nur Erleichterungen für Reisende, sondern auch für Unternehmen schaffe. Österreich ist der zweitwichtigste Auslandsinvestor für Bulgarien, hinter den Niederlanden, noch vor Deutschland.

2,63 Milliarden Euro investierten österreichische Unternehmen 2022, im ersten Quartal des abgelaufenen Jahres waren es bereits 5,5 Milliarden. Die größten Investoren: Telekom Austria, EVN, Vienna Insurance Group, Kronospan, OMV, Rewe/Billa, Palfinger und Wienerberger. Was sich diese wünschen? Laut ABC-Indikator 2022, der jüngsten Umfrage unter österreichischen Investorinnen und Investoren, ist es weiterhin die Bekämpfung der Korruption sowie die Vorhersehbarkeit von Wirtschaftspolitik und politische Stabilität, Bürokratieabbau und die Behebung des Fachkräftemangels.

Lehre mit Hilfe aus Österreich

Was hat nun die österreichischen Unternehmerinnen bei ihrem Kurztrip nach Sofia besonders interessiert? Auch in Bulgarien gibt es hoch innovative Unternehmen. Nachhaltigkeit spielt nicht nur in Industrie- und Produktionsbetrieben mittlerweile eine große Rolle – ebenso wie KI, vor allem eingesetzt zur Effizienzsteigerung in Produktionsprozessen. Bulgarien muss alle Anstrengungen unternehmen, junge IT-Spezialistinnen und -Spezialisten im Land zu behalten, daher sind Auslandsinvestitionen und Partnerschaften hoch willkommen.

Österreichs Wirtschaft hilft dabei, den riesigen Fachkräftemangel in Bulgarien zu beheben. Bereits seit 2014 läuft das duale Ausbildungsprojekt, das WKO, Wifi und Wirtschaftsministerium gemeinsam betreiben und mitfinanzieren. Nicht ganz uneigennützig, denn auch österreichische Firmen wie Billa, Gebrüder Weiss, Voestalpine oder DM, die in Bulgarien investiert haben, profitieren davon – aber auch deutsche und niederländische Firmen. 1.200 Lehrlinge machten mit österreichischer Hilfe bereits ihren Abschluss – von der Speditionskauffrau über den Elektro- und Wärmetechniker, PC-Netzwerkadministrator bis hin zur Modedesignerin. Rund 30 Berufsschulen in Bulgarien erhalten auf diese Weise österreichische Unterstützung. (Petra Stuiber, 2.1.2024)

Die Marktsondierungsreise nach Bulgarien erfolgte auf Einladung der WKO "Frau in der Wirtschaft".