Gerhard Karner
Wie das Innenministerium gegenüber der APA bestätigte, wurde ein rechtsverbindlicher Text an die spanische EU-Präsidentschaft übermittelt.
APA/EVA MANHART

Brüssel/Wien – Rumänien, Bulgarien und EU begrüßen die Einigung über den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zum Schengen-Raum beginnend mit den Luft- und Seegrenzen: "Heute ist ein historischer Moment für Bulgarien und Rumänien", betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am späten Samstagabend auf X (vormals Twitter). Die EU-Länder hatten sich am Samstag darauf verständigt, den Schengen-Raum auf Bulgarien und Rumänien auszuweiten, wie die spanische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

Die Kontrollen an den Luft- und Seegrenzen werden im März 2024 aufgehoben. Eine Entscheidung über die Aufhebung der Landkontrollen soll später getroffen werden. Die Beratungen dafür würden 2024 fortgesetzt. "Dies ist für beide Länder und für den Schengen-Raum insgesamt ein wichtiger Schritt nach vorn", erklärte von der Leyen. "Meine Glückwünsche an Bulgarien und Rumänien: Diese große Errungenschaft ist das Ergebnis Ihrer harten Arbeit, Ihres Engagements und Ihrer Beharrlichkeit." Ein erweiterter Schengen-Raum werde die EU sowohl intern als auch weltweit stärken.

Österreich bestätigte Einigung über "Schengen Air"

Zuvor hatte Österreich eine Einigung mit Rumänien und Bulgarien über das sogenannte "Schengen Air" bestätigt. Wie das Innenministerium am Samstag gegenüber der APA erklärte, war am Freitagabend ein entsprechender rechtsverbindlicher Text an die spanische EU-Präsidentschaft übermittelt worden. Österreich hatte am 8. Dezember 2022 eine Erweiterung des grenzkontrollfreien Schengen-Systems um Rumänien und Bulgarien blockiert und dies mit den hohen Asylzahlen begründet. Auch die Niederlande hatten sich gegen einen Schengen-Beitritt Bulgariens gestellt. Für den Schengen-Beitritt Kroatiens gab es dagegen grünes Licht.

Die Vereinbarung bedeutet nun, dass Reisende aus Rumänien und Bulgarien in Zukunft nicht mehr über die Auslandsterminals in andere EU-Länder fliegen müssen. Die Reisepässe werden am Gate von den Fluggesellschaften mit Unterstützung der Polizei kontrolliert.

Drei Bedingungen

Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums seien in dem übermittelten Text auch die drei Bedingungen Österreichs für die Einigung festgehalten worden. Diese seien die Aufstockung des Einsatzes der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Rumänien und Bulgarien. Außerdem fordert Österreich Geld von der EU-Kommission für den Außengrenzschutz dieser Länder, eine Verstärkung der Kontrollen an den Landgrenzen sowie die Übernahme von Asylwerbern aus Österreich, insbesondere aus Afghanistan und Syrien, durch Rumänien und Bulgarien.

"Österreichs Forderungen werden erfüllt", schrieb Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) Sonntagmittag auf X. "Der Frontex-Einsatz in Rumänien und Bulgarien wird aufgestockt, beide Länder erhalten mehr EU-Gelder, um einen robusten Außengrenzschutz umzusetzen."

Reaktionen aus Rumänien und Bulgarien

"Die Entscheidung über den Beitritt zum Schengen-Raum mit Luft- und Seegrenzen ab März 2024 ist ein wichtiger erster Schritt", erklärte Rumäniens Präsident Klaus Johannis am Samstagabend laut der rumänischen Nachrichtenagentur Agerpres. Er sprach auf Facebook von einem "positiven Etappenergebnis", das Ziel bleibe aber die Vollmitgliedschaft. Ministerpräsident Marcel Ciolacu ergänzte: "Nach 13 Jahren des Scheiterns und der Demütigungen hat diese Regierung einen Prozess eingeleitet, der von heute an unumkehrbar ist. Nächstes Jahr werden wir unsere Bemühungen fortsetzen, diesen Prozess endgültig abzuschließen."

"Schengen wird stärker mit Bulgarien und Rumänien", betonte die bulgarische Vizeregierungschefin und Außenministerin Maria Gabriel auf Twitter. Der Beitritt zum Schengen-Raum sei eine nationale Priorität. Bulgarien wolle gemeinsam mit der EU jetzt auch auf das Entfallen der Kontrollen an den Landgrenzen hinarbeiten, so Gabriel in einer Erklärung. "Air Schengen ist nicht 'nichts'", hatte zuvor der ehemalige Premierminister Bulgariens, Kiril Petkow, via Facebook erklärt. "Fragen Sie die zehntausenden Bulgaren, die Flughäfen und Flugzeuge füllen, in Europa arbeiten und in den Ferien zu ihren Familien zurückkehren." Bulgarien werde zudem "erhebliche finanzielle Mittel erhalten, um die Grenzen zu verstärken". Diese Entscheidung werde "ein Anreiz für die bulgarische Grenzpolizei sein, noch besser zu arbeiten, und sie wird den Menschenhändlern einen Schlag versetzen", so Petkow.

Kritik am eingeschränkten Schengen-Beitritt

Die russlandfreundlichen Oppositionsparteien kritisierten den eingeschränkten Schengen-Beitritt. "Wir haben alle Bedingungen erfüllt und verdienen alles – eine vollständige Schengen-Aufnahme", sagte Sozialsten-Chefin Kornelia Ninowa. Der Vorsitzende der nationalistischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt), Kostadin Kostadinow, bemängelte, dass nach dem Dublin-Abkommen Bulgarien nun aus anderen EU-Staaten zurückgeführte Geflüchtete verstärkt aufnehmen müsse. "Die Regierung macht Bulgarien zu einem riesigen Flüchtlingslager", behauptete er.

Kritik kommt auch aus Rumänien. So wirft der frühere Regierungschef und EU-Kommissar Dacian Ciolos der Koalition am Sonntag in einem Facebook-Posting vor, einen "Kuhhandel" mit der "Würde des Landes" betrieben zu haben – die gefeierte Einigung sehe keinerlei konkreten Fahrplan für eine Schengen-Vollmitgliedschaft des Landes vor. De facto werde der auf "absurden Forderungen" Wiens beruhende Teilbeitritt in der Bevölkerung den bereits bestehenden Eindruck, wie zweitrangige EU-Bürger behandelt zu werden, verstärken und Populisten und Extremisten weiteren Aufwind verschaffen, schrieb der Europaabgeordnete. Auch der Chef der oppositionellen rechtsextremistischen AUR, George Simion, nannte die Einigung eine bewusste Täuschung der rumänischen Bürgerinnen und Bürger. (APA, red, 30./31.12.2023)