Chelsea Manning auf dem Web Summit 2023
Chelsea Manning (rechts) hat das Tool gemeinsam mit Harry Halpin (links) konzipiert.
Der Standard/Stefan Mey

Chelsea Manning ist in der breiten Masse für die Bekanntgabe von fast 750.000 vertraulichen Dokumenten an die Plattform Wikileaks bekannt. Die Zeit von 2010 bis 2017 verbrachte sie daraufhin in Haft, heute ist die Transfrau hauptsächlich als Sicherheitsberaterin tätig.

Und als solche hat sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Harry Halpin, CEO des Unternehmens Nym Technologies, ein Tool geschaffen, das beim Surfen im Web mehr Anonymität und Sicherheit bieten soll als jedes Virtual Private Network (VPN) oder diverse auf Anonymisierung ausgerichtete Browser wie etwa Tor. Details dazu verrieten die beiden Partner auf dem Web Summit 2023 in Lissabon.

Mixnet: Anonym in der Masse abtauchen

Denn das Problem mit VPNs ist laut Halpin, dass man das Vertrauen lediglich von einem Anbieter zu einem anderen verschiebt: Der Traffic läuft dann zentralisiert über den Kanal des VPN-Anbieters, und dass dessen Seriosität nicht immer gegeben ist, hat der STANDARD vor rund zwei Jahren ausführlich analysiert.

Halpin und Manning setzen mit Nym Technologies nun auf ein Konzept namens Mixnet, das sie für Laien mit einem Stapel Karten vergleichen, der von einer Person gemischt und, in kleinere Stapel aufgeteilt, an weitere Personen übergeben wird. Diese mischen ihre Kartenstapel erneut, teilen sie wieder auf und geben diese erneut weiter. Die Daten werden also nicht nur verschlüsselt, sondern die Übertragung erfolgt auch in kleinen Paketen über ein dezentrales Netzwerk mehrerer User. "Denn man kann unmöglich anonym sein, wenn man alleine ist", sagt Halpin: Das Mixnet ermögliche es, in der Masse unterzutauchen.

Laut Manning ist das Mixnet von Nym Technologies das erste, das weltweit für einen größeren Personenkreis verfügbar ist. Zuvor hatte man ein derartiges Tool für den Messenger Telegram angeboten. Auf dem Web Summit verkündeten die beiden nun den Start von Nym VPN, für dessen Beta man sich unter diesem Link anmelden kann. Dieses soll in der Anwendung deutlich einfacher sein als das vorherige Telegram-Tool – was entsprechend die Adaption in der Gesellschaft beschleunigen soll.

Für wen ist das Mixnet geeignet?

"Die meisten Menschen brauchen einen solch intensiven Schutz nicht im Alltag", sagt Manning. Doch dieses Bedürfnis könne sich rasch ändern: So seien etwa Aktivisten ohne Tech-Hintergrund manchmal von einem Tag auf den anderen auf staatlichen Beobachtungslisten und müssten sich somit rasch schützen. "Wir brauchen daher eine Lösung, die sicher und nicht zu kompliziert ist", sagt Manning.

Ob ein solches Tool auch von Cyberkriminellen genutzt werden könne, um die eigenen Spuren im Netz zu verwischen? Gewiss, räumt Halpin ein. Ähnlich wie bei Straßen, auf denen von Verkehrsrowdys Unfälle verursacht werden können, überwiege aber auch hier der Nutzen für die Gesellschaft gegenüber dem Schaden durch wenige. Außerdem liege es wohl oft auch im Auge des Betrachters, wer gut und wer böse ist, etwa in Bezug auf politische Aktivistinnen und Aktivisten. "Manche Menschen glauben ja auch, dass Chelsea ein schlechter Mensch sei", sagt er mit Blick auf die Whistleblowerin. "Aber da bin ich anderer Meinung. Ich finde sie großartig." (Stefan Mey aus Lissabon, 17.11.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Pressereise zum Web Summit in Lissabon entstanden. Die Kosten für die Reise wurde von der Wirtschaftskammer Österreich übernommen.