Ludovico Einaudi
Der italienische Pianist Ludovico Einaudi (hier bei einem Festival im vergangenen Sommer in Spanien) umarmt musikalisch.
EPA/JAVIER BLASCO

Wien – Neben den Dauerbrennern Für Elise (Beethoven) und Alla turca (Mozart) kommt die zeitgenössische Klavierpädagogik auch am Gesamtwerk von Ludovico Einaudi nicht vorbei. Zusammen mit ebenfalls für den Film komponierenden Kollegen wie Yann Tiersen oder Alexandre Desplat zählt man den Italiener zu den Kultfiguren der Neoklassik. Diese ist, auch dank pianistischer Protagonisten wie Francesco Tristano und Ólafur Arnalds, bei Spotify längst populärer als die Klassik selbst.

In der vom minimalistischen Kompositionskonzept eines Philip Glass inspirierten Neoklassik wiederholt sich eine Folge von wenigen Akkorden, oft verbunden mit einem schlichten motivischen Band, bis in alle Ewigkeit – oder zumindest bis zum Ende eines Stücks. Harmonisch ist das kaum komplexer als die Hits von Andreas Gabalier. Dank der gedimmten Dynamik eignen sich die Werke als Audiopharmakum mit relaxierender bis sedierender Wirkung. Musik wie eine wärmende Umarmung, wie ein Karamellbonbon.

Wellengang der Achtelnoten

Im ausverkauften Großen Saal des Konzerthauses trug Einaudi am Donnerstag etliche seiner Werke vor, neben neueren Kompositionen aus seinem mit einem Opus Klassik ausgezeichneten Album Underwater auch Klassiker wie Fly (aus dem Film Ziemlich beste Freunde), Una mattina oder I giorni. Sacht der Wellengang der Achtelnoten, ab und zu durch sanft sich kräuselnde Triolen belebt. Ein Abend mit der dramaturgischen Dynamik eines pastoralen Gebetskreises.

Nach sechs solistischen Programmpunkten wurde der Altmeister von drei Mitmusikern unterstützt: Redi Hasa (Cello), Federico Mecozzi (Violine) und Francesco Arcuri (Electronics und Percussion) erweiterten Klangspektren wie Atmosphäre und begleiteten den 67-Jährigen auch bei seinen großangelegten Crescendi. Nach zwei pausenlosen Stunden repetitiver Behutsamkeit reagierte das Publikum mit entflammter Verzückung auf die Antiavantgarde im Wien-Modern-Monat November. (Stefan Ender, 18.11.2023)