Michael Caine als Weltkriegsveteran Bernie und Glenda Jackson als seine Frau Irene.
Michael Caine als Weltkriegsveteran Bernie und Glenda Jackson als seine Frau Irene.
Leonine

Michael Caine geht in Pension – mit 90 Jahren. So stellt sich die Wirtschaft das mit der Erhöhung des Pensionsantrittsalters idealerweise vor. Sir Michael hat schon im Oktober verkündet, dass er keine "Anreize zum längeren Arbeiten" mehr sehe. Er will mit einer letzten Hauptrolle abtreten, statt nur Opas oder Batmans Butler zu spielen. The Great Escaper ist der schönste Abschiedsfilm seit Harry Dean Stantons Lucky.

Der deutschsprachige Verleihtitel In voller Blüte ist wieder einmal seltsam, trotz prominenter Blumenmetapher im Film. Verwechslungsgefahr mit dem Weltkriegsklassiker The Great Escape besteht abgesehen vom Titel nicht, Caine und seine 87-jährige Kollegin Glenda Jackson mussten keine Motorradstunts vollführen. Um die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg geht es aber sehr wohl.

Die Geschichte spielt rund um den 70. Jahrestag des D-Day, mit sparsamen Rückblenden in die Kriegszeit. Der Brite Bernard "Bernie" Jordan (Caine) war damals an der Landung in der Normandie beteiligt. Nun möchte er den gefallenen Kameraden noch einmal seinen Respekt erweisen. Und weil ihn niemand zu den Feierlichkeiten nach Frankreich bringt, büxt er aus dem Altersheim aus, wo er zusammen mit seiner Frau Irene lebt – ein kleiner großer Ausbruch also.

Keine klamaukige Komödie

Klamaukige Pensionistenkomödie wird dieser Ausflug über den Ärmelkanal aber keine. Regisseur Oliver Parker setzt auf leise Töne mit etwas trockenem Humor. Zudem ist es die Verfilmung einer realen Begebenheit, die 2014 zu einem regelrechten Medienhype wurde – Hashtag #TheGreatEscaper. Davon lässt sich Bernie aber nicht beirren. Im Vordergrund stehen das Drama des Alters und der Abschied vom Leben mit erhobenem Glas. Für Irene-Darstellerin Glenda Jackson war es tatsächlich die letzte Rolle. Sie starb im Juni dieses Jahres mit 87 Jahren. Auch ihrer Figur widmet sich die Geschichte mit viel Gefühl und Sarkasmus, obwohl sie ihren Mann, wie 70 Jahre zuvor, nicht an die Front begleitet.

LEONINE Studios

Was bei der authentischen Besetzung von manchen Minderheitenrollen so gerne kritisiert wird, fällt hier gar nicht auf: Spannendes Casting in Übereinstimmung mit den Filmfiguren kann einen Mehrwert bringen. Für die Hauptdarstellenden in The Great Escaper gilt das nicht nur, was das Massaker des Alters betrifft. Die beiden Stars standen bereits 1975 in The Romantic Englishwoman gemeinsam mit Helmut Berger vor der Kamera.

"Working class heroes"

Während der Cockney-Londoner Caine aus einfachsten Verhältnissen kommt, verbrachte Tony-, Emmy- und Oscar-Gewinnerin Glenda Jackson 23 Jahre als Labour-Abgeordnete im Parlament und engagierte sich gegen Faschismus und Margaret Thatcher sowie für Feminismus und Abtreibungsrechte. Beide sind für Regisseur Parker also auch "working class heroes", ein Klassenthema, das zudem im aktuellen Film immer wieder anklingt.

Michael Caine bringt für die Rolle seine Erfahrungen als Infanterist im Koreakrieg mit. Im Film lässt er seinen Royal-Navy-Veteranen angesichts der tausenden Gräber eines Soldatenfriedhofs nur ausrufen: "What a waste!"

Mit The Great Escaper sagen Glenda Jackson und Michael Caine beim Abschied noch einmal leise Servus. (Marian Wilhelm, 18.11.2023)