Verfassungsministerin Karoline Edtstadler.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler.
APA/EVA MANHART

Wien – Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) befeuert ein weiteres Mal die Diskussion über ein Zitierverbot für Medien aus Verfahrensakten. Bereits im April diesen Jahres schrieb sie auf X, vormals Twitter, dass das Verbot vor öffentlichen Verhandlungen in Strafverfahren gelten solle und berief sich dabei auf das in Deutschland geltende Modell. Nun wandte sie sich erneut in einem Tweet an Kritikerinnen und Kritiker.

Diese würden laut Edtstadler "am liebsten sofort die Diskussion beenden". Ihr Argument: Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ließen das vorgeschlagene Zitierverbot nicht zu. "Das ist aber falsch", schrieb Edtstadler und holt zu einer längeren Begründung aus.

Natürlich müsse man die Stellung von Journalistinnen und Journalisten schützen, aber "wie für die meisten Grundrechte" sei auch die Pressefreiheit "nicht absolut", hieß es in dem Posting. Man könne der Pressefreiheit nicht einfach Vorrang gegenüber anderen Grundrechten geben. Bei der Einführung eines Zitierverbots müsse daher auch abgewogen werden, inwiefern andere Grundrechte eingeschränkt werden würden. Ein Punkt, den Edtstadler hier anführte, ist zum Beispiel das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren. Oder: Das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beschuldigten, der Opfer und aller Beteiligten.

Weiter argumentierte die Verfassungsministerin, dass im nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren der Ausgang noch nicht klar sei, also ob mit Anklage oder Einstellung zu rechnen sei. Deshalb stünde auch das Zitieren aus dem Akt oder ganzer Vernehmungsprotokolle in Medien im Widerspruch zur Unschuldsvermutung.

"Dafür braucht es kein Zitierverbot"

Kritik an der Kritik kam unter anderem von Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD medienrechtlich vertritt. Sie schrieb auf X, dass bereits die derzeitige Rechtslage eine Abwägung erfordere, ob die Veröffentlichung im überwiegendem öffentlichen Interesse sei. "Dafür braucht es gar kein Zitierverbot", so Windhager.

Eine weitere Einordnung folgte am Sonntagnachmittag von Medienrechtler Hans Peter Lehofer. In einem langen Blogeintrag empfiehlt er, sollte man in den bestehenden medienrechtlichen Regelungen tatsächlich Defizite erkennen, wäre es ratsam, diese nachzuschärfen. Ein neues strafgesetzliches Verbot, wie das, das Edtstadler vorschlägt, würde laut Lehofer nur "die Gefahr einer strafrechtliche Verfolgung von Journalist:innen" erhöhen. Ein anderes Problem der Debatte sei zudem ein fehlender Entwurf: "Einen konkreten Vorschlag, den man näher prüfen könnte, gibt es aber nicht."

Auch aus der Politik gab es Reaktionen auf Edtstadlers Verteidigung. Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter sprach von einer "konstruierten Debatte, um Ressentiments gegen Medienschaffende zu schüren". Sie schrieb ähnlich wie Windhager, dass es bereits Gesetze gäbe, die faire Verfahren für Beschuldigte sicherstellen und ihre Privatsphäre schützen würden. (Anna Wielander, 19.11.2023)