Knigge-Expertin Ingrid Schediwy- Fuhrmann steht neben einer Studentin, beide lächeln in die Kamera
Mit ihrem Koffer voller Besteck, Gläser und Servietten ist die Knigge-ExpertinIngrid Schediwy-Fuhrmann für einen Nachmittag an die Danube Private University in Krems gereist.
Regine Hendrich

Bei Ingrid Schediwy-Fuhrmann sitzt jeder Handgriff. Mit ihren Fingerspitzen zupft sie die Serviette auf dem Präsentierteller zurecht, die sie zuvor sorgfältig in Form gebracht hat. In der Zwischenzeit hat ein Teilnehmer den Tisch bereits für das von ihr vorgegebene Menü gedeckt: ein Salat zur Vorspeise, ein Wiener Schnitzel als Hauptgang und als Dessert ein Mousse au Chocolat. Dazu die passende Weinbegleitung. Ihr prüfender Blick schweift über das Tischgedeck.

Sie rückt das Besteck um einige Millimeter zurecht. Der Abstand vom Besteckende zur Tischkannte soll einen Zentimeter betragen. Mit der Wahl der Utensilien zeigt sie sich aber sehr zufrieden. Sogar das Messerbänkchen hat seinen Platz auf dem gedeckten Tisch gefunden. Nun die Frage in die Runde: Hätten Sie das auch gewusst? Einige zeigen selbstbewusst auf, andere wackeln mit der flachen Hand in der Luft – teils, teils, heißt es. Als komplett ahnungslos möchte sich – zumindest in der Gruppe – niemand outen.

Persönliche Begrüßung

Knigge-Kurse wie diesen gibt Schediwy-Fuhrmann seit knapp drei Jahren. Junge Menschen lehrt sie Businessetikette und gute Umgangsformen. Je nach Anzahl der Interessenten hält sie ihren Kinder- oder Jugendsalon für Privatpersonen in Wien ab oder nimmt externe Aufträge an, fährt zu Unternehmen oder an Schulen. Diesmal ist sie mit ihrem Koffer voller Besteck, Gläser und Servietten an die Danube Private University (DPU) in Krems gereist. Der Workshop passe zum exklusiven Angebot, das man den Studierenden hier biete. Mit stolzen 14.175 Euro pro Semester ist die DPU die teuerste Privat-Uni in Österreich.

Ingrid Schediwy-Fuhrmann eröffnet den Kurs mit einer persönlichen Begrüßung. Sie dreht eine Runde im Seminarraum und schüttelt allen Teilnehmenden die Hand. "Der Händedruck macht viel beim ersten Eindruck aus. Nicht zu lasch und nicht zu fest soll er sein", sagt sie. Auf ihren Folien finden sich Beispiele von Politikern, die einander die Hände schütteln, und Tipps wie "Achten Sie darauf, dass Sie saubere Hände haben" oder "Achtung bei schwitzigen Händen". Bei Damen sei auch ein Handkuss erlaubt. Zur Demonstration bitte sie zwei Studierende nach vorne.

Ingrid Schediwy- Fuhrmann zeigt einer Studentin vor, wie sie ihre Hand zum Handkuss ausstrecken soll
"Der Händedruck macht viel beim ersten Eindruck aus. Nicht zu lasch und nicht zu fest soll er sein", sagt sie. Bei Damen sei auch ein Handkuss erlaubt.
Regine Hendrich

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind an diesem Nachmittag 17 Studierende der Fachschaft Zahnmedizin. Der dreistündige Workshop findet in einem kleinen Seminarraum im Neubau der Hochschule statt. Ein buntes Bild ziert die weißen Wände, neben weltbekannten Sehenswürdigkeiten wie der Freiheitsstatue, der Scheich-Zayid-Moschee oder dem römischen Kolosseum ist auch die Kremser Skyline zu sehen. Verbunden wird alles durch Weinblätter und Reben, die von oben in das Bild ragen. Eine Analogie für die Internationalität der Privatuniversität, erklärt Stefanie Pischel, Marketingdirektorin und Tochter von DPU-Präsidentin und -Gründerin Marga Wagner-Pischel.

Viele Regeln

Die nächste Folie zeigt das Foto einer jungen Frau, die vor ihrem Oberkörper die Arme verschränkt hat. "Was fällt sofort auf?", will Schediwy-Fuhrmann wissen. Keine Rückmeldung aus dem Publikum. Die Knigge-Expertin ist erstaunt. "Ihre Fingernägel!", löst sie auf. Ungepflegt und abgekaut, sie seien "einer Dame der Gesellschaft" nicht würdig. Anschließend sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Arme gerade vor sich ausstrecken. Es wird getuschelt, manche ziehen ihre Hände zaghaft unter dem Tisch hervor. Die Knigge-Expertin dreht eine zweite Runde, begutachtet die Hände und Fingernägel der einzelnen Personen genau. Keine besonderen Vorkommnisse. "Die Visitenkarte des Menschen ist nicht der Händedruck, sondern die Hand selbst", erklärt sie abschließend.

Es folgt ein Informationsblock zum äußeren Erscheinungsbild. Nicht zu eng, nicht zu kurz, nicht zu viel: Auch beim stilsicheren Auftreten kann laut Schediwy-Fuhrmann einiges schiefgehen. "Alles ist Kommunikation, auch durch unsere Kleidung drücken wir – gewollt oder ungewollt – viel aus", sagt sie. Schediwy-Fuhrmann trägt eine weiße Bluse, darüber eine braune Jacke, einen in herbstlichen Farben gemusterten knielangen Rock, braune Strümpfe und spitze Pumps mit einem kleinen Pfennigabsatz. "Zu hoch sollte der Absatz nicht sein", sagt sie. "Würde ich höhere Schuhe tragen, würde ich anderen ein Signal senden, dass ich unsicher wegen meiner Körpergröße bin. So zeige ich: Ich bin klein, und ich stehe dazu." Weiße Sneaker – solange sie sauber sind – seien mittlerweile auch im Businesskontext erlaubt, diese Information dürfte wohl manche erleichtern.

Kein Widerspruch

Mit festem Stand steht Schediwy-Fuhrmann vor den Studierenden und trägt ihr Regelwerk vor. Ihre Wurzeln liegen ursprünglich im Schauspiel- und Kulturmanagement, erzählt sie. Die 54-Jährige war Leiterin eines Wirtschaftsclubs in Frankfurt, Deutschland, und sei "durch die harte Schulung der hochwertigen Dienstleistung von Do & Co gegangen". Heute arbeitet sie als Eventmanagerin, Etikettetrainerin und Coachin. Ihre Vorgaben unterscheiden sich oft nach Geschlecht: Männer sollten nie kurzärmlige Hemden tragen, Frauen hingegen nicht zu viel Parfum. Auch Hierarchie und Rang spielen eine große Rolle, zum Beispiel bei der Sitzordnung oder der Frage, wer wem in den Mantel helfen darf.

Ingrid Schediwy- Fuhrmann zupft mit ihren Fingern eine Serviette zurecht
Bei Ingrid Schediwy-Fuhrmann sitzt jeder Handgriff. Mit ihren Fingerspitzen zupft sie die Serviette auf dem Präsentierteller zurecht, die sie zuvor sorgfältig in Form gebracht hat.
Regine Hendrich

Ist das überhaupt noch zeitgemäß? "Manche sagen, Businessetikette sei antiquiert", räumt Schediwy-Fuhrmann auf Nachfrage ein. Sie selbst sieht das nicht so – mit ihrer Arbeit lege sie "einen Grundstein für ein harmonisches gesellschaftliches Zusammenleben". Und wie sehen das die Studierenden? Gepflegte Umgangsformen seien für ihn nach wie vor ein Muss, sagt einer. Kurse wie dieser würden mehr Sicherheit im Businesskontext geben, sagt eine andere. Widerspruch findet man hier kaum. (Anika Dang, 11.12.2023)