Autor Arad Dabiri, 26, schreibt nah am Leben.
Autor Arad Dabiri (26) schreibt nah am Leben. "Derweil ist es das, was ich am besten kann und was mir am meisten gibt."
Anna Radaschütz

"Ich glaub, ich muss erst noch einen Weg finden. Es war ein Hin und Her. Einmal war das da und einmal das, und auf einmal ergab alles einen Sinn. Ich habe nicht gewusst, was ich mache." So beschreibt Arad Dabiri den Arbeitsprozess an Drama. Es ging gut aus: Vor zwei Wochen hat der 26-jährige Wiener für den Roman den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises gewonnen.

Wien spielt darin eine große Rolle. Das Buch handelt von einem Wiener Ende 20 mit persischen Wurzeln, der vor einiger Zeit vor schlechten Erfahrungen nach Berlin geflohen ist. Auf Einladung eines alten Freundes aus besserem Hause kehrt er aber für einen Tag zurück. Man merkt den 240 Seiten zwar Sturm und Drang an, sie strotzen aber vor originellen Wahrnehmungen und pointierten Sätzen.

In seiner ersten Reaktion nach dem Gewinn entschuldigte Dabiri sich vorauseilend und erklärte auf die Frage, wie die Recherche und das Schreiben waren: "Es war beides scheiße, beides mühsam." So offen gibt er sich auch beim Interview. Zu sagen, dass der Preis ihn freue, wäre "sehr untertrieben", sagt er. Die 1100 Stück der Erstauflage von Drama, im Frühjahr bei Septime erschienen, sind seit voriger Woche vergriffen. Weitere 1000 Stück kommen dieser Tage in den Handel – keine Kleinigkeit bei einem jungen Autor.

"Kitschig – aber ich kann nicht lügen"

Noch dazu einem, der erst vor eineinhalb Jahren "ernst" zu schreiben begonnen hat. Essayartig geschrieben habe er zwar schon immer, sagt Dabiri und schämt sich ein bisschen für die kitschige Antwort – aber er will halt nicht lügen. Prosa und Stücke seien jedoch erst damals dazugekommen. Dabiri hatte mit Drama angefangen, dann aber eine Idee, die sich nicht für Prosa eignete. "Ich habe mir also zehn, 20 gedruckt erschienene Stücke gekauft und mir angeschaut, was man mit der Form machen kann." Inzwischen gibt es ein zweites Stück, Druck!, das jüngst als szenische Lesung im Theater am Werk am Wiener Petersplatz Premiere hatte.

Dabiri ist deshalb vom Erfolg überrascht, weil er sich am Ausbildungssektor vorbei in den Betrieb geschleust hat. An einer Schreibschule, wo viel Networking passiert, war er nicht. Warum nicht? Der Erfolg war zu schnell da, zu schnell wurden seine Texte in Zeitschriften in Deutschland publiziert, zu schnell fuhr er (auf eigene Kosten) nach Berlin oder Hamburg auf Lesungen und hat er einen Verlag gefunden. Er hat keine Lust mehr, drei Jahre zu studieren, wenn er ohnehin schon schreibt und die Leute seine Texte gut finden.

Was sagt sein Verleger dazu? Jürgen Schütz freut sich natürlich. Nicht nur, weil seinem kleinen Verlag der Buchpreis gelungen ist, sondern weil dies seine Linie bestätigt. Acht bis zwölf Bücher erscheinen bei Septime im Jahr, neuerdings legt Schütz einen Fokus auf Autorinnen und Autoren der Generation Z, also der Altersgruppe Mitte 20. Was ein Risiko ist, weswegen in auch am Buchmarkt schwierigen Zeiten Junge oft das Nachsehen haben, weil Verlage lieber auf bekannte Namen setzen. Schütz sieht das anders. "Bei den Jungen hat man immer die Chance", sagt er und meint damit, dass ein Titel überraschend einschlägt. Im Herbstprogramm hat aktuell Verena Prantl die Chance.

"Sehr nahe dran" am Leben

"Recherche gab’s nicht, Recherche war das Leben", sagte der 1997 in Wien geborene Dabiri nach dem Gewinn. Wie viel im Buch ist selbst erlebt? Das will er nicht genau preisgeben, er würde da in Probleme geraten. Aber er schreibe sehr nahe dran an seinem Leben und dem von Bekannten. Auch seine beiden Stücke bisher spielen in dieser Welt. "Vielleicht ändert sich das mit 40, aber derweil ist es das, was ich am besten kann und was mir am meisten gibt. Diese Themen sind es, die mich berühren und die man aufarbeitet."

In Druck! gibt es fünf migrantische Figuren zwischen Drogen und Studium, Wurzelpflege und Anpassung an Wien. "Wenn man alle fünf extremen Standpunkte zusammennimmt, erhält man einen 'normalen' Menschen mit all den Gedanken, die er hat." Und die auch Dabiri hat bzw. Freunde von ihm haben.

Wie ist er aufgewachsen? Unspektakulär, geliebt, behütet in einer Doppelhaushälfte in der Donaustadt, sagt er. "Fad" nennt er das. Aber er sei der Troublemaker gewesen, habe viel Blödsinn gemacht. Welchen? Da bleibt er lieber vage, er hätte eben Sachen probiert und sei Wege gegangen, die sich nicht als richtig erwiesen hätten. Er habe auch alles Mögliche studiert.

Neuer Roman, neuer Verlag

Beim Schreiben aber will er jetzt bleiben. "Das bin ich." Das nächste Buch ist schon fertig, entstanden in nur vier Monaten im Sommer. Wie, das weiß Dabiri wieder nicht so genau, es sei irgendwie "magic" gewesen. Wilder, dicker und besser als Drama soll es aber sein und bei einem anderen Verlag erscheinen. Über 15 haben angeklopft, sogar größere deutsche.

Verleger Schütz hat schon Valerie Fritsch vor einigen Jahren an Suhrkamp verloren, sieht das aber als Beleg dafür, dass die heimischen Verlage, seien sie auch klein, "einen bemerkenswerten Job machen". Dabiri freut diese Anerkennung aus der Branche. Wobei: "Das schönste Feedback ist, wenn Leute, die meine Texte gelesen haben, sagen, etwas fühlt sich so nah an oder sie kennen etwas." (Michael Wurmitzer, 21.11.2023)