Das Long-Covid-Syndrom ME/CFS und die "ZiB 3" kann man eigentlich ganz leicht auseinanderhalten. Wie man das einfach schafft, erklärte Montagabend der Wiener Neurologe und Long-Covid-Experte Michael Stingl in den Spätnachrichten von ORF 1 Moderatorin Christiane Wassertheurer und dem noch wachen, womöglich auch schon erschöpften TV-Publikum. Wie Tiefenentspannung im TV-Interview über die Corona-Herbstwelle, den Sinn von Masken und eine "extrem" risikoarme Covid-Impfung aussieht, zeigte eineinhalb Stunden zuvor schon Virologin Dorothee von Laer bei Armin Wolf in der "ZiB 2".

Neurologe Michael Stingl ist in der
Neurologe Michael Stingl ist in der "ZiB 3" über das Erschöpfungssyndrom ME/CFS kurz vor Mitternacht auch schon ein bisserl erschöpft.
ORF ZiB 3 Screenshot

Erschöpft vom Leben oder krank?

Wie erkennt man also, ob man das Erschöpfungssyndrom hat oder ob man doch nur erschöpft ist vom Leben, wollte die "ZiB 3"-Anchorwoman zur Geisterstunde vom Long-Covid-Experten Stingl wissen. Der hatte gerade anschaulich erklärt, warum nicht alle Mediziner gleich diese Long-Covid-Erkrankung erkennen – ME/CFS kommt nicht in der Neurologie-Ausbildung vor, nicht in der Weiterbildung, nicht bei Neurologie-Kongressen. Also mache das von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gerade (wieder) angekündigte Referenzzentrum für diese Erkrankung durchaus Sinn – wenn die dort erarbeitete Kompetenz auch ihren Weg zur Ärzteschaft finde.

"Erschöpfung ist, was ich jetzt nach der Sendung habe"

Wann Verdacht auf eine Erkrankung keimen sollte, beschreibt Stingl so: Wenn "sehr banale Aktivitäten dazu führen, dass sich der Zustand über Tage sehr massiv verschlechtert". Eine solche "sehr deutliche Erschöpfbarkeit" unterscheide sich etwa von seinem spätabendlichen Besuch im ORF-Studio: "Erschöpfung ist, was ich tatsächlich jetzt nach der Sendung habe, weil ich seit sechs Uhr in der Früh wach bin. Aber ich schlafe, und hoffentlich geht es mir morgen wieder gut. Das grenzt es klar ab von ME/CFS." Dort halte "diese Verschlechterung des Zustandes, die nach Überanstrengung eintritt, für mindestens 14 Stunden an und wird auch durch Ruhe nicht besser".

Stindl: "Wenn man so was erlebt, dass einen Banalitäten im Alltag so darniederlegen für ein paar Tage, dann sollte man daran denken, dass es in so eine Richtung geht. Ich hoffe, dass man sich mittelfristig an eine kompetente Stelle wenden kann, wo man auch wirklich Empfehlungen bekommt, was man damit tut." Stingl wäre wohl eine, aber der Wahlarzt nimmt keine neuen Patientinnen und Patienten, las jedenfalls Wassertheurer auf seiner Homepage.

In der Ruhe liegt die immunologische Kraft: Virologin Dorothee von Laer in der
In der Ruhe liegt die immunologische Kraft: Virologin Dorothee von Laer in der "ZiB 2" bei Armin Wolf.
ORF ZiB 2 Screenshot

Wenig erregt vom Erreger

Wer könnte weniger erregt über einen Erreger sprechen als die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck? Bald vier Jahre nach dem ersten Lockdown, nach bald vier Jahren gesellschaftlicher Polarisierung entlang der Covid-19-Grenze liegt in der Ruhe die immunologische Kraft.

Gar nicht erschöpft, aber in tiefer Ruhe hatte von Laer bei Armin Wolf in der "ZiB 2" die Herbstwelle kommentiert. Das Gespräch wurde schon vor der Sendung aufgezeichnet, das kann gegen spätabendliche Erschöpfung auch ein wenig helfen.

Impfrisiko "ist extrem gering"

Nein, die Herbstwelle habe sie natürlich nicht überrascht, sagt von Laer, Covid-19 sei nun einmal als erstes Virus der Wintersaison für Atemwegserkrankungen dazugekommen, um zu bleiben. Nein, mit einer Überlastung der Spitäler, des Gesundheitssystems rechnet die Expertin eher nicht mehr – "aber ich bin kein Hellseher". Die Varianten der Saison, Eris und Pirola, würden sich wohl durchsetzen, weil sie ansteckender sind, gefährlicher erscheinen sie der Virologin nicht.

Och, ja, Masken wären sinnvoll, um die Infektionen einzudämmen, eine Maskenpflicht sieht sie nicht: "Wenn wir sie früher bei Influenza nicht gebraucht haben, dann wird man sie auch in diesem Jahr nicht einführen." Nachsatz: "Es ist wohl kein gesellschaftlicher Konsens, dass man das macht."

Auffrischungsimpfungen seien auch jenseits der Empfehlung für vulnerable Gruppen sinnvoll. Von Laers Formel für Menschen unter 60 ohne Risikofaktoren, die Corona schon hatten und/oder geimpft sind, in Sachen Auffrischung: "Schaden tut's nicht, aber man würde es nicht dringend empfehlen." Da kommt die Immunologin gar nicht mehr auf gesellschaftlichen Konsens zu sprechen.

Sollten mögliche Impfschäden vom Stich abhalten? "Nein, diese RNA-Impfungen sind sehr sicher", versichert von Laer, "es gibt sehr selten Nebenwirkungen. Wer wirklich vermeiden will, dass er im Winter länger flachliegt, weil er sich doch mit dem Sars-Corona-2-Virus infiziert hat, der sollte sich doch impfen lassen. Das Risiko ist extrem gering." (Harald Fidler, 21.11.2023)

Zum Nachsehen:

ZIB 3: Neurologe Stingl über Long-Covid
Der Neurologe und Long-Covid-Spezialist Michael Stingl ist zu Gast im Studio und spricht über Long-Covid. Er kritisiert, dass es viel zu wenig Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten gibt.
ORF
ZIB 2: Virologin Von Laer zur aktuellen CoV-Lage
Die Infektionszahlen von Coronavirus, RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) oder Influenza steigen seit mehreren Wochen wieder an. Die Virologin Dorothee von Laer kommentiert die momentane Situation in Österreich.
ORF