Dem Montrealer Protokoll der UN von 1987 ist es zu verdanken, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) nicht mehr eingesetzt werden. Das berühmte Ozonloch sollte dadurch nach einer gewissen Erholungsphase einmal Geschichte sein. Einige Studien rechneten damit, dass sich das Ozonloch bis etwa Mitte des 21. Jahrhunderts wieder komplett schließen würde.

Doch die Ausdünnung der Ozonschicht hält sich in manchen Regionen hartnäckiger als gedacht, von einer Wiederherstellung ist man noch weit entfernt. Untersuchungen machten dafür unter anderem Dichlormethan-Emissionen und großflächige Waldbrände verantwortlich und verschoben die mögliche Genesung der Ozonschicht noch einmal etwa 30 Jahre in die Zukunft.

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Unser Heimatplanet, aufgenommen mit dem Erdbeobachtungssatelliten Suomi NPP. Der Schaden, den die Menschheit an der dünnen Lufthülle der Erde verursacht hat, ist beachtlich. Die Ozonschicht in der Stratosphäre wird noch einige Jahrzehnte benötigen, bis sie sich weitgehend erholt hat.
Foto: REUTERS/Nasa

Schutz gegen schädliches UV

Die Ozonschicht ist eine Zone in der Stratosphäre mit erhöhter Konzentration des Spurengases Ozon (O3). Das Ozon ist wichtig, weil es den größten Teil der schädlichen UV-B- und UV-C-Strahlung der Sonne absorbiert – jenen Anteil des Sonnenlichts also, der Hautkrebs, grauen Star und eine Vielzahl von Umweltproblemen verursachen können.

Als Ursachen für die Löcher in der Ozonschicht gelten extrem niedrige Temperaturen, die zum Frühlingsanfang über den Polen herrschen, aber auch Sonnenlicht und eine Anzahl von chemischen Substanzen wie eben FCKW, die früher in Produkten wie Spraydosen, Pestiziden, Brandhemmern und Kühlgeräten üblich waren und teilweise auch noch immer in Verwendung sind.

Zweitweise Riesenlöcher

Insgesamt geht die Fachwelt davon aus, dass das Ozonloch über der Antarktis, das stets ab Ende August besonders groß ist und sich in den Folgemonaten durch die jahreszeitliche Erwärmung wieder erholt, auf dem Weg der Genesung ist. Ob die zuletzt bisweilen wieder erreichten Rekordausmaße einen rückläufigen Trend anzeigen, ist unklar. Im Jahr 2020 hatte die Ausdünnung beispielsweise mit Winterende eine Ausdehnung von 18 Millionen Quadratkilometern, war also größer als die gesamte antarktische Landfläche (rund 14 Millionen Quadratkilometer). Seiter hat es in einzelnen Jahren noch größer Dimensionen erreicht.

Verantwortlich dafür sind unter anderem extreme Kältezonen in der Atmosphäre, aber auch FCKW-Moleküle spielen weiterhin eine wichtige Rolle. Die Substanzen haben eine Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren, weshalb die Konzentration dieser Stoffe seit der Umsetzung des Montrealer Protokolls kaum fallen.

Auch 2021 hat das Ozonloch über der Antarktis rekordverdächtige Ausmaße angenommen.

Satellitenmessungen

Ein Forschungsteam von der University of Otago in Dunedin, Neuseeland, vermutet jedoch, dass die FCKW und anderen Schadstoffe nicht die einzigen Schuldigen sind. Die Entwicklungen der letzten Jahre würden vielmehr auf weitere schädliche Faktoren hindeuten, anders ließen sich die jüngsten Rekord-Ozonlöcher über der Antarktis kaum erklären. Für ihre im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichte Studie wurden die monatlichen und täglichen Ozonveränderungen in verschiedenen Höhen und Breitengraden von 2004 bis 2022 anhand von Satellitendaten näher untersucht.

Dabei erlebten die Wissenschafter rund um Hauptautorin Hannah Kessenich eine Überraschung: Im Zentrum des antarktischen Ozonlochs ist heute deutlich weniger Ozon vorhanden als noch vor 19 Jahren. Die Konzentration des Gases in dieser Region über dem Südkontinent hat seit 2004 in den Oktobermonaten um gut ein Viertel abgenommen. "Das bedeutet, dass das Ozonloch nicht nur flächenmäßig größer ist, sondern auch während des größten Teils des Frühlings tiefer liegt", sagte Kessenich. Zudem fanden die Forschenden, dass das Ozonloch später auftritt und sich später wieder schließt als in vorangegangenen Jahren.

Veränderungen über der Stratosphäre

Das Team beobachtete einen Zusammenhang zwischen diesem Ozonabfall und Veränderungen der Luft, während sie in den Polarwirbel über der Antarktis gerät. "Dies deutet darauf hin, dass die jüngsten, großen Ozonlöcher möglicherweise nicht nur durch FCKW verursacht werden", sagte die Atmosphärenforscherin. Als mögliche Ursache diskutieren die Forschenden Veränderungen der Dynamik der Mesosphäre, jener Atmosphärenschicht, die oberhalb der Stratosphäre liegt.

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Die Ausdehnung des antarktischen Ozonlochs im Jahr 2023, basierend auf Daten des Copernicus-Sentinel-5P-Satelliten.
Illustration: ESA

"Viele Mitteilungen über die Ozonschicht haben in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass das 'Ozonproblem' gelöst sei", meinte Kessenich. Das Montrealer Protokoll habe die Situation in Bezug auf die ozonzerstörenden FCKW zwar erheblich verbessert. Am Gesamteindruck habe sich nach Ansicht der Forschenden aber wenig geändert. "Das antarktische Ozonloch war in den letzten drei Jahren und in zwei der fünf Jahre davor größer als in all den vorangegangenen Jahren", schreiben die Autorinnen und Autoren.

Dennoch Erholung?

Neu sei das freilich nicht, erklären andere Forscherinnen und Forscher. "Tatsächlich steht diese Studie im Einklang mit den Ergebnissen der Ozonsachstandsberichte der Weltmeteorologie-Organisation WMO", erklärte Ulrike Langematz, Klimaforscherin von der Freien Universität Berlin, die selbst nicht an der Studie mitgearbeitet hat. "Diese zeigen, dass sich das antarktische Ozon im Frühwinter weiter erholt, während es im Spätwinter und Frühjahr in den vergangenen Jahren große, ungewöhnlich langanhaltende Ozonlöcher gab, für die es unterschiedliche Ursachen geben kann."

Für eine dauerhaft gesteigerte Ausdünnung der Ozonschicht über der Antarktis sieht auch Martin Dameris von Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (der ebenfalls nicht an der Arbeit beteiligt war) keine unmittelbaren Anzeichen, sondern verweist auf das Jahr 2019, das die neuseeländischen Wissenschafter in ihrer aktuellen Studie nicht berücksichtigt hatten. In diesem Jahr gab es nämlich das kleinste Ozonloch seit 1988. Zwischen 2020 und 2022 seien zwar große Ozonlöcher "wieder aufgetaucht", aber das sei aus wissenschaftlicher Sicht nichts Besonderes, so Dameris. Im Mittel würde das Ozonloch in den kommenden Jahren wahrscheinlich eher weiterschrumpfen.

Entwicklung der Ozonverteilung über der Antarktis zwischen 1. Juli und 24. September 2023.
European Space Agency, ESA

Folgen für das Klima

Dennoch gibt die Gruppe um Kessenich zu bedenken, dass das Ozonloch heuer sogar die Größe jener der drei Jahre davor übertroffen hat. Ende Oktober betrug seine Fläche über 26 Millionen Quadratkilometer, war also fast doppelt so groß wie die Antarktis. Das Aufspüren der Mechanismen hinter dieser merkwürdigen Entwicklung sei jedenfalls von größter Bedeutung, meinte Kessenich. Das Verständnis dieser Ozonschwankungen sei vor allem deshalb wichtig, da sie eine entscheidende Rolle für das Klima der südlichen Hemisphäre spielen, so die Forscherin.

Das Ozonloch hat zwar nichts mit den Auswirkungen der Treibhausgase auf das Klima zu tun, aber es wirkt sich auf das empfindliche Gleichgewicht in der Atmosphäre aus. Da Ozon UV-Licht absorbiert, kann ein Fehlen dieser Moleküle auch drastische Auswirkungen darauf haben, wo die Wärme in der Atmosphäre gespeichert wird. "Zu den Effekten dieser Entwicklung zählen Veränderungen der Windmuster auf der Südhalbkugel und des Oberflächenklimas – und diese können sich auch lokal auswirken", meinte Kessenich. (Thomas Bergmayr, 21.11.2023)