"Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber wir sind zu langsam", sagt Stefan Spirk. "Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir mehr Ladestationen, mehr Netze, mehr Windräder und ganz generell mehr erneuerbare Energie." In Österreich sieht er die "überbordende Demokratie" als Bremse. "Selbst wenn wir Geld in die Hand nehmen und den absoluten Willen haben, dauert alles sehr lange."

Er ist Professor an der Technischen Uni (TU) Graz und hat das Start-up Ecolyte gegründet. Im kommenden Jahr will er eine Batterie mit 30 Kilowattstunden Speicherkapazität auf den Markt bringen. Besonders ist die Batterie vor allem, weil sie verspricht, umweltverträglich zu sein. Statt Schwermetallen und seltener Erden verwendet Ecolyte Vanillin und damit einen natürlichen, nachhaltigen Reststoff. Je nach Verbrauch und Standort könnten bis zu vier Zwei-Personen-Haushalte ihren Strom aus dieser Batterie beziehen – sofern Spirks Plan aufgeht. Er sei kein Wahrsager, aber zuversichtlich, dass es klappt. In den kommenden Jahren soll Ecolyte im Megawattbereich speichern können.

Spirk ist einer von rund 50 Start-up-Gründern und bereits etablierten Unternehmern aus aller Welt, die sich diese Woche beim Event Future Forward, organisiert vom Innovationszentrum Wexelerate am Wiener Donaukanal, getroffen haben. Von Neuseeland bis Kanada sind Menschen angereist. Neben Energielösungen und Green Tech diskutierten Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Ideen zu Mobilität, Wohnen und Technologien im Gesundheitswesen oder der Biotechnologie.

Nipun Mehta sitzt auf einem Stuhl und hält seine Hand ans Herz.
Nipun Mehta hat dem turbokapitalistischen Silicon Valley den Rücken gekehrt, um sich mit Wohltätigkeit zu befassen, obwohl er einen hoch bezahlten Job hatte.
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"Gifting Forward" in der Vollpension

Doch einer sticht aus der Masse heraus, der Eröffnungsredner Nipun Mehta. Er ist Gründer der NGO Servicespace, TED-Speaker, war Berater von US-Präsident Barack Obama und hat beispielsweise das Bezahlsystem Gifting Forward ins Wiener Generationencafé Vollpension gebracht. Das heißt, man bezahlt nicht die eigene Rechnung, denn man wurde bereits eingeladen. Man begleicht die Rechnung des Nächsten und so weiter. Das System soll Großzügigkeit fördern, Gemeinwohl stärken, Menschen wieder näher zusammenrücken lassen. Mehta verfolgt eine Wirtschaftsphilosophie, die sich kurz mit "Sei nett zu anderen" zusammenfassen lässt.

Der heute 48-Jährige zog als Jugendlicher mit seinen Eltern von Indien ins Silicon Valley, studierte Informatik und Philosophie und bekam einen lukrativen Job als Softwareentwickler. Den behielt er nicht lange. Er kehrte dem Valley und dem dortigen Turbokapitalismus bald den Rücken, arbeitete unentgeltlich in einem Obdachlosenheim und gründete 1999 Servicespace. "Mit Servicespace baue ich Websites oder Portale für karitative Organisationen und Vereine", sagt Mehta im STANDARD-Gespräch. Mehr als 500.000 Menschen würden täglich die Websites von Servicespace besuchen. Dazu zählen unter anderem Karma Tube oder Daily Good.

Berater von Obama

Mit seinem Ansatz fiel er 2015 auch US-Präsident Barack Obama auf, der ihn daraufhin in seinen Beraterstab für Armutsbekämpfung holte. "Wir haben 75 Maßnahmen und Ansätze entwickelt, unter Donald Trump wurde vieles davon aber wieder verworfen", sagt Mehta. "Es war eine großartige, aber fordernde Zeit im Weißen Haus. Als ich kontaktiert wurde, dachte ich, das sei Spam."

Das Silicon Valley und die dortigen technischen Entwicklungen verfolge er laufend, in künstlicher Intelligenz sehe er viel Potenzial, aber eine mindestens genauso große Gefahr. "Einsamkeit und Polarisierung sind viel schlimmere Pandemien als Corona. Mithilfe von KI und Social Media leben viel zu viele Menschen in ihren für sie geschaffenen Bubbles, und das ist gefährlich." Auch im Metaverse sieht er eine Bedrohung. "Der Markt bietet mit Metaverse eine einfache technische Lösung. Einsame Menschen können sich dorthin flüchten, das ist bequem und unkompliziert. Doch das kann nicht die Lösung sein, das verroht uns." Es brauche wieder mehr zwischenmenschliche Interaktion. Technische Hilfsmittel könnten dabei natürlich helfen, doch aktuell steuere man in eine besorgniserregende Richtung.

Neue Technologien

Zurück zu den Gründerinnen und Gründern. Wexelerate-Geschäftsführer Awi Lifshitz hofft, dass die anwesenden Unternehmen von Nipun Mehtas Keynote etwas mitnehmen: "Wir brauchen neue Technologien, aber wenn sich die Gesellschaft nicht ändert, bringt das alles nichts." Zwischen den Paneldiskussionen pitchen Gründerinnen und Gründer auf der Bühne ihre Ideen. Ein Start-up will etwa Holzabfälle in Wäldern verarbeiten, ein anderes die gesündesten Ernährungspläne mittels KI erstellen. Abseits der Bühne sind Finanzierungen, das Geld auf dem Unternehmenskonto, wann wer gegründet hat und letztlich auch, wie es in Zukunft mit dem Start-up weitergeht, große Themen. (Julia Beirer, Andreas Danzer, 24.11.2023)