Inneres einer Ader mit Blutplättchen
Eisen transportiert den Sauerstoff im Blut. Hat man zu wenig davon – was sehr häufig vorkommt –, kann sich das durch Erschöpfung, schlechtere Regeneration, aber auch Haarausfall zeigen.
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Man könnte fast von einer stillen Pandemie sprechen: Weltweit leiden etwa zwei Milliarden Menschen an Eisenmangel. In Europa sind zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung betroffen, mit einem Schwerpunkt auf Frauen im gebärfähigen Alter. In dieser Gruppe ist es eine von fünf. Und die Dunkelziffer jener, die keinen Mangel haben, aber doch sehr unterversorgt sind, liegt noch deutlich höher.

Der Unterschied dieses weltweiten Gesundheitsproblems zur jüngst vergangenen Pandemie: Man stirbt nicht daran. Das heißt aber nicht, dass das Problem harmlos ist. Im Gegenteil, es kann die Lebensqualität massiv beeinflussen, weiß Sportmediziner Robert Fritz: "Zu wenig Eisen kann einen ziemlichen Leistungseinbruch verursachen. Es macht müde, man schläft schlecht, es kann zum Beispiel zum Restless-Legs-Syndrom führen, was Betroffene wirklich unrund macht."

Auch für sportliche Aktivitäten ist der Eisengehalt im Blut relevant. Fritz erklärt: "Eisen ist für den Sauerstofftransport im Blut zuständig, ist zu wenig davon da, kann sich ein lockerer Lauf wie ein intensiver Sprint anfühlen, weil man so nach Luft schnappt. Bewegung macht aber einfach keinen Spaß, wenn sie nur noch anstrengend ist." Hat man dann womöglich noch zwei kleine Kinder zu Hause und ist berufstätig, kann es ziemlich schnell ziemlich anstrengend werden. "Kein Wunder, wenn man deutlich weniger Energie hat, als man eigentlich haben sollte."

Von Müdigkeit bis Anämie

Doch wovon reden wir eigentlich bei Eisen und dem Schlagwort Eisenmangel? Eisen ist ein essenzielles Spurenelement, es ist also lebensnotwendig und sollte in geringen Mengen täglich über die Nahrung aufgenommen werden, weil der Körper es nicht selbst bilden kann. Es ist ein Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und transportiert den Sauerstoff von der Lunge zu jeder einzelnen Zelle. Hat der Körper zu wenig davon, kann er nicht genug Hämoglobin produzieren, es kann sogar zu einer Anämie oder Blutarmut kommen.

Das Eisen geht mit der Nahrung in den Dünndarm, wo es von speziellen Zellen aufgenommen und ins Blut transportiert wird. Dort bindet es an Transferrin. Das ist das Transportprotein, mit dem es zu den verschiedenen Organen und Geweben gebracht wird. Eisen ist an einer Vielzahl von Prozessen im Körper beteiligt, aber der Großteil davon wird in die roten Blutkörperchen eingebaut, um Sauerstoff zu transportieren.

Ein Mangel kann recht rasch entstehen, etwa durch einen sehr hohen Blutverlust. Aber in den allermeisten Fällen entsteht er schleichend, weil der Körper mehr Eisen braucht, als er aufnimmt. Dann leert sich zuerst der körpereigene Speicher in der Leber, und in weiterer Folge entwickelt sich eben ein Mangel.

Diffuse Symptome

Die Symptome für so einen Mangel sind dabei äußerst vielfältig und auch diffus. Die häufigsten sind Müdigkeit, Erschöpfung bis hin zum Fatigue-Syndrom, höhere Infektanfälligkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder sogar Depression. Aber auch Schwindel, Kopfschmerzen und Restless-Legs-Syndrom, also wenn die Beine anfangen zu kribbeln, wenn man sich am Abend niederlegt, sind Symptome. Weitere Auswirkungen, die oft nicht mit zu wenig Eisen in Verbindung gebracht werden, sind eingerissene Mundwinkel, brüchige Fingernägel oder Haarausfall.

Am häufigsten sind, wie schon eingangs erwähnt, Frauen im gebärfähigen Alter betroffen. Vor allem wenn man eine stärkere Menstruationsblutung hat oder vor nicht allzu langer Zeit ein Kind bekommen hat, ist die Wahrscheinlichkeit eines Mangels groß. Dazu kommt, dass sie oft zu wenig aufnehmen. "Frauen ernähren sich, ganz generell gesprochen, vernünftiger. Sie essen weniger Fleisch und vor allem weniger Wurst. Da ist zwar insgesamt gut, aber genau in diesen Lebensmitteln ist relativ viel Eisen drin", sagt Sportmediziner Fritz.

Frauen sind aber nicht die Einzigen, die Eisenmangel betrifft, nur wird das oft übersehen. Auch ältere Menschen gehören zur Risikogruppe, Kinder oder Personen, die regelmäßig Blut spenden gehen. Und alle, die sehr viel Sport machen. Fritz berichtet: "Ich stelle immer wieder auch bei jungen Burschen, die sehr viel trainieren, einen Eisenmangel fest. Aber in dieser Gruppe hat man das Problem fast gar nicht am Schirm."

Wie erkennt man nun, dass man einen Mangel hat, abgesehen von den diffusen Symptomen? Man macht ein Blutbild, bei dem man den Ferritinwert und die Transferrinsättigung misst. Der Eisengehalt selbst sagt recht wenig aus, auch wenn er im Blutbild sehr gut ist. Denn das vorhandene Eisen muss ja dorthin gelangen, wo es gebraucht wird, und das passiert eben mit dem Transferrin. Das Problem dabei: Bei einer normalen Blutuntersuchung wird dieser Wert nicht automatisch mitbestimmt. "Dabei sollte jeder Mensch den eigenen Ferritinwert kennen", betont Fritz und plädiert dafür, dass dieser Wert endlich in die klassische Vorsorgeuntersuchung automatisch aufgenommen wird. Bisher müssen nämlich Betroffene oft selbst darauf pochen, wenn ein begründeter Verdacht auf Eisenmangel besteht.

Das Problem mit den Referenzwerten

Und hier zeigt sich schon das nächste Problem. Wann genau hat man einen Eisenmangel? Offiziell spricht man davon, wenn der Hämoglobinwert unter 12,5 Gramm pro Deziliter Blut fällt. Dazu gibt es eine Menge anderer Werte, die die Eisenversorgung bestimmen. Man spricht dabei von Referenzwerten, einer der wichtigsten ist das Ferritin. Und hier gibt die Österreichische Gesundheitskasse in einer Broschüre aus dem Jahr 2020 für Frauen einen Referenzwert zwischen zehn und 150 ng/ml an, für Männer zwischen 30 und 300 ng/ml. Es ist also viel Interpretationsspielraum vorhanden, was ausreichend ist und wann man eventuell doch einen Mangel hat.

Für Fritz ist dieser Zustand nicht wirklich befriedigend: "Diese Referenzwerte sind eher na ja. Sie werden mit der Gauß'schen Verteilungskurve als Durchschnitt der Bevölkerung errechnet. Aber das bedeutet nicht, dass man automatisch gut versorgt ist, weil man innerhalb der Referenzwerte ist und beispielsweise einen Ferritinwert von 30 hat." Im Gegenteil, für Ärztinnen und Ärzte, die sich mit Eisen genauer beschäftigen, ist das sogar die absolute Untergrenze. So manche setzen diesen Wert viel höher an. "Die Europäische Kardiologische Gesellschaft hat sich intensiv mit dem Thema Eisen auseinandergesetzt und gibt an, man soll etwa bei Herzinsuffizienz einen Ferritinwert von zumindest 100 ng/ml haben. Und auch in der Sportmedizin achtet man darauf, zumindest zwischen 70 und 100 ng/ml zu haben oder sogar mehr", berichtet Fritz. Zwar gebe es gerade in der Sportmedizin wenig gute Daten dazu, das Thema wird einfach zu wenig untersucht. Aber mit diesem Zielwert habe man gute Erfahrungen gemacht.

Die Erfahrung zeigt auch, dass es absolut sinnvoll ist, die Referenzwerte großzügig nach oben zu korrigieren. "Vor allem Patientinnen berichten mir, dass sie sich wie neugeboren fühlen, nachdem sie ihre Eisenspeicher aufgefüllt haben. Im Sport wird die Leistung besser. Und wir sehen auch, dass die Regeneration, etwa nach Hüft- oder Knieoperationen, besser verläuft", berichtet der Mediziner. Mittlerweile geht man sogar dazu über, dass man den Eisenstatus vor einem geplanten Eingriff überprüft und nötigenfalls gleich substituiert.

Einmal füllen bitte

Wie füllt man nun die Eisenspeicher? Das ist eine nicht immer gleich zu beantwortende Frage. Prinzipiell kann man über Ernährung viel tun. Eisen ist sowohl in tierischen wie auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, jenes aus tierischen Produkten kann der Körper etwas besser verstoffwechseln. Das sind Fleisch und Innereien, Geflügel, Eier, Fisch und Meeresfrüchte. Wichtige pflanzliche Eisenquellen sind Hülsenfrüchte, ungeschältes Getreide, Nüsse und bestimmte Gemüse wie Eierschwammerln, grüne Erbsen, Grünkohl, Mangold und Spinat – wobei Spinat zwar gut mit Eisen bestückt ist, aber einem bei weitem nicht die Popeye-Kraft verleiht, die ihm vielfach immer noch zugeschrieben wird. Dieser Mythos ist entstanden, weil der Physiologe Gustav von Bunge 1890 den Nährwert untersucht hat – an getrocknetem Spinat. In diesem ist der Eisengehalt etwa zehn Mal so hoch wie in frischem.

Das Problem beim Eisen über die Nahrung ist, dass der Körper nur einen Bruchteil dessen, was durch den Darm wandert, tatsächlich aufnehmen kann. Und je nachdem, wie gut das funktioniert, dauert es mehr oder weniger lang, bis die Speicher wieder voll sind. Oft gelingt das auch gar nicht. "Habe ich aber eine Patientin mit sehr niedrigen Eisenwerten und hohem Leidensdruck, weil sie einfach wirklich erschöpft ist, dann ist der Rat, sie solle sich eisenreicher ernähren, nicht sehr befriedigend", weiß Fritz aus der Praxis.

Man kann dann zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, das ist prinzipiell die erste Therapie der Wahl. Aber auch da kann es mehrere Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Eisenspeicher wieder voll sind. Um die Eisenaufnahme des Körpers zu verbessern, sollte man die Kapseln oder den Saft immer eine Stunde vor einer Mahlzeit einnehmen, in Kombination mit etwas Vitamin C. Und man soll in zeitlicher Nähe keinen Schwarztee oder Kaffee trinken und auf Milch- und Weißmehlprodukte verzichten, weil all das die Eisenaufnahme hemmt.

Der schnellste Weg, die Speicher wieder zu füllen, ist eine Infusion. Und die ist auch ungefährlich, betont Fritz: "Nach so einer Infusion muss man einfach die Patientin oder den Patienten etwa 20 Minuten zur Nachbeobachtung in der Ordination behalten. Falls es eine allergische Reaktion gibt, zeigt sie sich in dieser Zeit. Das ist aber ohnehin praktisch nie der Fall."

Substitution keine Pflicht

Und Fritz warnt auch vor unnötigem Substituieren: "Die Referenzwerte sind das eine, die individuellen Symptome sind das andere, beides muss man berücksichtigen." Hat etwa einen Patientin einen Ferritinwert von 30, fühlt sich aber gut, ist fit und hat auch sonst keine Probleme, muss man nicht auffüllen. Und man sollte auch nicht wahllos auf Verdacht Eisenpräparate einnehmen, ohne den eigenen Ferritinwert zu kennen.

Man kann nämlich auch ein Zuviel an Eisen haben. "Das lagert sich dann in der Leber ab und schädigt sie, das nennt man in der Medizin Hämochromatose oder Eisenspeicherkrankheit. Die spürt man aber nicht, die Anzeichen zeigen sich oft erst, wenn die Leber schon geschädigt ist", klärt Fritz auf. Deshalb sollten nicht nur Frauen, sondern auch alle Männer ihren Ferritinwert kennen – sie sind nämlich eher davon betroffen. Erkennt man das Problem frühzeitig, kann man es relativ einfach behandeln, indem man die Ernährung anpasst oder per Aderlass Blut abzapft – und damit ganz einfach das Eisen reduziert.

Schließlich, betont Fritz, muss man nach einigen Wochen oder Monaten auch kontrollieren, ob die Eisentherapie tatsächlich gewirkt hat und der Eisenstatus nachhaltig besser ist. "Hat der Körper das Eisen aufgenommen? Wie geht es der betroffenen Person jetzt?" Denn hat sich bei den Symptomen nichts verändert, kann durchaus ein anderes gesundheitliches Problem dahinterstecken – und das gilt es zu finden. (Pia Kruckenhauser, 23.11.2023)