Johannes Rauch
Doch keine hoffnungslose Mission: Johannes Rauchs Reformpaket bietet nicht nur eine schöne Verpackung.
APA/EVA MANHART

Johannes Rauch weiß, wie man Erfolgsstorys aufbaut. Konsequent hat der Minister die Botschaft gestreut, wonach eine Gesundheitsreform angesichts des heimischen Kompetenzchaos ohnehin eine hoffnungslose Mission sei. Umso heller kann jemand strahlen, der trotzdem etwas zustande bringt, und sei es nur ein Minischritt.

Doch es wäre ungerecht, den Grünen als reinen Verpackungskünstler zu brandmarken. Was die Regierung unter Rauchs Federführung geschnürt hat, bietet immerhin genug Inhalt, dass sich manch leidgeprüfter Player im Gesundheitswesen die Augen reibt. Er habe nicht gedacht, so etwas noch erleben zu dürfen, sagte der langjährige Patientenanwalt Gerald Bachinger im STANDARD. Gemeint ist damit der Umstand, dass die Ärztekammer an Einfluss verlieren wird.

Rauch schießt dabei kein bisschen über das Ziel hinaus. Hinter den Entmachtungsplänen steht vielmehr eine zwingende Logik. Tatsächlich war es die Kammer, die sich von der elektronischen Gesundheitsakte Elga bis zum Ausbau der Primärversorgungszentren immer wieder gegen innovative Projekte gestemmt hat. Moralisch ist ihr das gar nicht vorzuwerfen. Eine Standesvertretung behält in erster Linie nicht das große Ganze im Auge, sondern die Interessen der bestehenden Klientel – und die hat mit mehr Aufwand oder neuer Konkurrenz naturgemäß oft keine Freude.

Im Kern liegt der Fehler also nicht in einer etwaigen Verbohrtheit der Kämmerer, sondern im System, das diesen Mitentscheidungsrechte bei der Planung der Versorgung einräumt. Genau da setzt die Reform an. Im letzten Moment hat die Regierung der wütenden Kammer zwar noch einige Zugeständnisse gemacht; offenbar wollte niemand mit einer so kampagnenstarken Lobby einen Dauerkrieg riskieren. Doch das Wesentliche blieb erhalten. Die Ärztevertreter sollen zwar angehört werden, aber Vetomöglichkeiten verlieren. Da zeichnet sich ein Fortschritt ab.

Grundproblem bleibt ausgeblendet

Das gilt auch für andere Vorhaben. Die versprochenen Investitionen in zusätzliche, mit besseren Öffnungszeiten ausgestattete Kassenarztstellen sind ebenso wichtig wie der Ausbau telemedizinischer Beratungsangebote. All das taugt dazu, Menschen vom unnötigen Weg in übervolle, für die Allgemeinheit teure Spitalsambulanzen abzuhalten. Der von der Kammer durchgesetzte Verzicht auf die Wirkstoffverschreibung ist im Vergleich dazu verschmerzbar.

Anderes bleibt ausgeblendet. Die Ärztekammer ist ja nicht das einzige Hemmnis im System. Kostenexplosion und Überlastungen haben genauso damit zu tun, dass sich die für die Spitäler zuständigen Bundesländer und die für niedergelassene Ärzte verantwortliche Gesundheitskasse zu wenig abstimmen, während der kompetenzarme Minister nur Moderator ist. Für dieses Problem verspricht die Reform keine Besserung.

Unterm Strich liegt aber mehr vor, als aus Erfahrung zu befürchten war. Das gilt auch für den Finanzausgleich insgesamt. ÖVP und Grüne haben ihr Gelöbnis, nicht bedingungslos Geld in alle Richtungen verteilen zu wollen, zumindest auf dem Papier beherzigt. Die Extramilliarden für Länder und Gemeinden sind an konkrete Ziele geknüpft – wenn auch ohne Sanktionsdrohung.

Eines ist das Paket jedenfalls: ein Beleg, dass die Koalition trotz aller schlechten Nachrede noch handlungsfähig ist. (Gerald John, 22.11.2023)