In der globalen Musikwelt herrschte zuletzt ausgelassene Shoppingstimmung: Der börsennotierte Fond Hipgnosis kaufte 50 Prozent der Rechte an 1000 Neil-Young-Songs. Nebstbei erwarb er auch das Repertoire von Shakira, die kürzlich wegen Steuerproblemen vor Gericht stand; 93 Millionen Euro legte er wiederum für das Werk von Justin Timberlake hin. Geschäftsmodell? Die erworbenen Autorenrechte sollen per Songverwendung in Radio, TV, Serien, Videospielen, Werbung und per Streaming kontinuierliche Geldströme sichern.

Wer heute haptische Tonträger herausbringt, zumal im hitparadenfernen Bereich, trägt den Großteil der Kosten selbst und verkauft CDs vor allem bei Konzerte.
REUTERS/DINUKA LIYANAWATTE

Wer karrieremäßig etabliert ist, profitiert: Sony hat den Katalog von Bruce Springsteen und auch gleich jenen von Paul Simon erworben. Warner wiederum erfreute David Bowies Erben mit 250 Millionen Euro für Texte und Kompositionen des 2016 Verstorbenen. Mutmaßlich 400 Millionen Dollar habe schließlich Universal an Bob Dylan für 600 Titel überwiesen, nachdem der Barde angeblich ein "schmaleres" Angebot von Hipgnosis abgelehnt hatte.

Abseits der Hitparaden

Ähnliche Geschäfte sind im Alpenland nicht bekannt. Hier bäckt man vergleichsweise Minibrötchen, der Weltmarkt ist – bis auf Zufallstreffer wie einst Falcos Amadeus – eine unerreichbare Sehnsuchtszone. Zudem leidet das Musikleben – besonders jenes abseits der Hitparaden – wie überall so auch hierzulande an Kostensteigerungen und Einnahmeverlusten. Vor allem disruptive Veränderungen des Musikmarktes durch Streaming sind mehr Bedrohung als Geldquelle, die CD wirkt daneben wie ein Untoter.

"Die Wertschöpfungsverteilung hat sich verändert. Galten Konzerte zuvor als Werbetool für Tonträger, ist es nun umgekehrt. Streaming bringt nur einigen wenigen ernstzunehmende Einnahmen. Dass Spotify jetzt noch Umsatzuntergrenzen zur Tantiemenauszahlung einführen will, verschärft die Situation", so Georg Tomandl, Vorstandsmitglied des Österreichischen Musikfonds, der seit 2005 Produktionen fördert.

Ohne finanzielle Beteiligung

Wer heute haptische Tonträger herausbringt, zumal im hitparadenfernen Bereich, trägt den Großteil der Kosten selbst und verkauft CDs vor allem bei Konzerten. Der gut sortierte Musikfachhandel und Vertriebe existieren praktisch nicht mehr. "Labels übernehmen fertige Musikproduktionen, ohne sich finanziell zu beteiligen. Ohne Fördertöpfe wie den Musikfonds ginge es eigentlich nicht", erklärt Christof Dienz, Komponist und Bandleader der reaktiuerten Formation Die Knödel, die bald ihre Einspielung "Wunderrad" herausbringen.

Theoretisch eröffnet der digitale Kosmos unendliche demokratische Möglichkeiten, allerdings: Bei Spotify bekäme man "0,0033 Euro pro Stream, bei Apple Music auch nur das Doppelte".

Der Österreichische Musikfonds kann diese Pro­bleme nur lindern. Verfügte er bisher über etwa 1,5 Millionen Euro, wurde seine Dotierung kürzlich vom Kulturministerium immerhin um weitere 1,5 Millionen aufgestockt, um u. a. internationale Tourneen zu fördern. Bedarf gibt es: 2022 förderte der Fond 79 Produktionen bei fast 500 Ansuchen mit einem Förderbedarf von fast zehn Millionen Euro.

Organisatorische Kompetenz

Insofern ist es klar, dass es auch Skepsis bezüglich der Vergabekriterien gibt. Es bestehen sympathischer Weise keine Stilgrenzen, wodurch aber auch Unvergleichbares verglichen werden muss. Geschäftsführer Harry Fuchs sieht dies jedoch unproblematisch. "Die Jury ist heterogen besetzt, deckt so ein breites Spektrum von Stilfeldern ab, bewertet mit fachlichem Background und entscheidet demokratisch."

Hört man sich um, ist die Einschätzung des Musikfonds tendenziell ja auch positiv. Thomas Gansch, Meistertrompeter und gut im Geschäft, u. a. mit Projekten wie Mnozil Brass und Gansch & Roses, findet den Fond wichtig, obwohl er sich selbst einmal vergeblich um Förderung bemüht hat. Ähnlich Sigrid Horn, die unlängst ihre Einspielungen Nest (Oktober 2023 erschienen) und Paradies (November 2023) publiziert hat. Was man allerdings als Künstlerin brauche, sei die "organisatorische Kompetenz den Antrag und die Abrechnungen korrekt durchzuführen. Ich bin eben so ein Träumerlein. Ohne die Hilfe von Label und Agentur wäre ich aufgeschmissen. Beide bemühen sich auch um Live-Termine, so kann ich von der Musik leben."

Nur Erfolgreiche überleben

Ähnlich sieht Herwig Zamernik, der als Fuzzman gerade sein Album Willkommen im Nichts publiziert hat, die Antragshürden: "Der Musikfonds hilft, so gut es geht. Allerdings kann er als Wirtschaftsförderung auch nur dort helfen, wo schon etwas da ist." Den ganz Jungen und Neuen würde Wissen und Struktur fehlen, "nur in die Nähe so einer Förderung zu kommen, die dann im besten Fall ja auch nur die Produktion unterstützt, nicht die Künstler und Künstlerinnen selbst. Deshalb organisieren sich ganz frische Strömungen oftmals selbst." Das sei zu seinen Anfängen nicht anders gewesen, so Zamernik, nur "konnte man damals noch Platten verkaufen. Und wenn man bescheiden war, vermochte man den Traum des Musikantendaseins zu leben." Um von seiner Kunst leben zu können, "muss man sehr erfolgreich sein, oder mehrere Standbeine haben. Bei mir ist Letzteres der Fall."

Ganz anders die große, weite Businesswelt der Majorlabels. Jahrelang steckte sie in der Transformationskrise, nun bejubelt sie den Aufschwung ihres Marktes. Der globale Umsatz wäre 2022 um neun Prozent auf 26,2 Milliarden Dollar (24,45 Mrd. Euro) gestiegen, so der internationale Branchenverband IFPI. Und hierzulande? Da lag der Umsatz bei 215,2 Mio. Euro, was einem Plus von 13 Prozent entspricht. Dienste wie Spotify und Co wären für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Die CD komme auf 1,5 Millionen verkaufte Stück, ein Minus von 17 Prozent.

Null Cent für Studiomusikerinnen und -musiker

In der Realität werden Musiker und Musikerinnen durch Konzerne gleichsam "ausgepresst". Spotify etwa plant, ab 2024 allen Stücken unter einer Schwelle von 1000 ­Streams keine Ausschüttung mehr zukommen zu lassen. Das so einbehaltene Geld würde der Streaming-Multi auf jene verteilen, die auf über 1000 Streams kommen.

Peter Paul Skrepek von der Musikergilde, die seit jeher für Businessgerechtigkeit kämpft: "Die Streaming-Abos von Spotify, Deezer, Amazon & Co sind die Haupteinnahmequelle der drei großen Labels Universal, Sony und Warner Music. Vertragskünstler der großen Labels, also ,deren Stars‘, erhalten knapp 13 Prozent vom Labelanteil, das sind 68 Cent pro Zehn-Euro-Abo." Auch nicht gerade der größere Teil des Kuchens, aber "Studiomusikerinnen und -musiker, die diese Aufnahmen eingespielt und eingesungen haben, bekommen null Cent.. Sie haben keine Rechte und zählen zu den Verlierern." Warum? "Ihre Leistungen sowie das Recht, diese zu vervielfältigen und zu verkaufen, wurden nach der Aufnahme mit der Honorarnote bezahlt. Damit das so bleibt, deklarieren die Musikkonzerne Streaming einseitig als Tonträgerverkauf - und aus!"

Mit Ausnahme der Stars geht der Boom also an den meisten vorbei, ob sie Pop, Jazz oder Klassik (mit-)produzieren. Viele unterrichten oder gehen einem musikfernen Beruf nach, ohne es an die große Glocke zu hängen. Sie sind quasi etwas neues, nämlich Hobbymusikprofis. Somit werden Stellen wie der Musikfonds immer wichtiger, wobei seine Dotierung im Vergleich zu den Problemen der Szene lächerlich wirkt und eine weitaus höhere Dotierung bräuchte.

Vom Fond Hipgnosis ist keine Hilfe zu erwarten. Er kündigt an, 29 seiner Musikkataloge zu verkaufen, um den Rückkauf eigener Aktien zu finanzieren und Schulden zu tilgen. Bringt sein Geschäft am Ende auch nicht genug ein? (Ljubisa Tosic, 23.11.2023)